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Meinen wir es oft zu gut?

Viele von uns wollen ihren Hunden einen abwechslungsreichen Tag bieten. Schnell überfordern wir unsere Vierbeiner dabei unbemerkt. Wir haben Deutschlands Hundetrainer gefragt: Habt ihr das auch schon erlebt? Woran merkt man, dass es dem Hund zu viel wird?

Angela Tang: „Für unseren Hund ist jeder Tag ein großes Abenteuer“.

Weil er nie genau weiss, was passieren wird. Oft kann er an Routinen erkennen, was auf ihn zukommt; sicher sein kann er nicht. Mal geht es zum Gassigang in den Wald; mal gibt es nur eine kleine Pinkelpause und dann geht’s ins Büro. An einem Tag wird trainiert wie wild; am nächsten Tag ist Lümmeln auf der Couch angesagt. Schon allein diese Veränderungen im Tagesablauf können einem Hund zu schaffen machen. Wenn man dann noch bedenkt, dass von den fünf Wahrnehmungssinnen das Hören und Riechen bei Hunden viel ausgeprägter ist, als bei uns Menschen, wird es richtig bunt. Spätestens, wenn ich einen Hund im Training habe, der nur schwer zur Ruhe kommt obwohl rundrum nix los ist, dessen Fell sich speckig anfühlt obwohl es kein „Wasserhund“ ist, der aus dem Maul stinkt obwohl die Zähne ok sind und von dem der Besitzer sagt, er könne sich nicht konzentrieren und Gelerntes wäre schnell wieder vergessen, werfe ich einen sehr genauen Blick auf den Tagesablauf und das Wochenpensum des Hundes. Vor dem Hintergrund, dass wir bei Hunden eine Ruhezeit von ca. 18 Stunden pro Tag annehmen, sind die Tage und Wochen der Hunde oft viel zu voll. Bei genauer Beobachtung des Hundes ist schnell zu erkennen, ob der goldene Weg zwischen Fördern und Überfordern gelungen ist. Die gute Nachricht dabei: wir Hundehalter können jederzeit den Tagesablauf unseres Hundes ändern und ihn damit aus seiner Überforderung heraus bringen.

Angela leitet die Hundeschule teamtraining Mensch & Hund.

Das Thema ist Fluch und Segen zugleich.

Manfred Burdich

Manfred Burdich leitet die Arbeitsgemeinschaft Mantrailing, die Rettungshundestaffel und das Therapiehundezentrum in Kronach. Der erfahrene Rettungshundeführer arbeitete mit seinem Team bei der Bergung im Ahrtal vor Ort und setzt auf Struktur statt Bespaßung. 

Ich habe oft den Eindruck, dass von den Hunden und gerade Welpen, zu viel verlangt wird.

Frank Weber

Vox-Moderator Frank Weber ist Leiter des Franziskus-Tierheims, 2. Vorsitzender des bmt (Bund gegen den Missbrauch der Tiere) sowie Moderator von HundKatzeMaus. Zuviel Druck kann das Verhalten von Hunden beeinflussen, denn der muss irgendwann einmal raus. 

Insbesondere dann, wenn sich sich jemand einen Hütehund, oder einen Hund einer Arbeitsrasse allgemein anschafft, hört er als erstes: „den musst du gut auslasten.

Andrea Ciplajevs

Andrea Ciplajevs ist Leiterin der Hundeschule mensch-und-hund-schulze in Viersen. Sie hat schon viele überkonditionierte Hunde erlebt. 

Eine gleichmäßig kurze Reizüberflutung ist mit Sicherheit gut, zu lange kann sich negativ auswirken. Besonders dann, wenn Fremdreize über Stunden auf den Hund einwirken.

Theodor Hessling

Der kynologische Sachverständige Theodor Hessling. Leiter der Hundeschule Hessling weiß, an welchen Verhaltensweisen wir es konkret merken, wenn es dem Hund zuviel wird. 

Tatsächlich ist die Frage naturgemäß nicht leicht und schon gar nicht allgemein zu beantworten. Fest steht, dass viele Hunde offensichtlich auf der einen Seite unterfordert werden, da sie ihre natürlichen Motivationen nicht wirklich ausleben können, zum anderen findet sehr häufig eine Überforderung statt, denn ein Hund muss und will auch nicht den ganzen Tag bespaßt werden. 

Martin Weitkamp

Martin Weitkamp bildete Im Auftrag unterschiedlichster Behörden im In- und Ausland bildete er sehr viele Minenspürhunde, Sprengstoffspürhunde, Schutzhunde vom Cocker Spaniel bis zum Malinois für den Einsatz aus. Er ist ebenfalls Autor des Buchs Im Schatten der Gefahr. Martin meint, dass wir den Hund einfach Hund sein lassen sollen.

Wie das geht? Lest ihr in der HundeWelt 2022.09

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