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Einsatz auf vier Pfoten! | Teil 8

Gundos Nachfolger hieß Bux. Ein Prachtexemplar des Deutschen Schäferhundes. Zudem schon voll ausgebildet, da ich ihn von einem Kollegen übernahm, der ihn nicht behalten konnte. Buxi hatte eine niedrigere Reizschwelle als Gundo.

Buxi – Der Neue

Was sein Vorgänger noch als harmlos bewertet hatte, war für ihn oft Grund genug, den Polizeihund raushängen zu lassen. Also hielt ich jedermann beziehungsweise -frau auf Abstand mit der vorsorglichen Warnung, dass mit meinem Hund nicht zu spaßen sei. Und der klassische Flirtfaktor eines Hundes sank mit Buxi gegen Null. Unterhaltungen fanden, wenn überhaupt, nur mit gehöriger Distanz und rufend statt:

„Das ist aber ein schöner Hund!“

„Danke, finde ich auch!“

„Darf man den streicheln?“

„Ähm, lieber nicht!“

„Schade! Na dann, schönen Tag noch…“

Polizeihunde können auch einsam machen. Vor allem, wenn man übervorsichtig ist, wie ich es anfangs mit Buxi war. Denn dadurch entging es mir, dass er durchaus einen Unterschied zwischen Mann und Frau machte. 

Bis zu jenem Einsatz in der ersten warmen Nacht des Jahres. Die Reviere waren „ausgebucht“, führten bereits Wartelisten, die die Streifen nach und nach abarbeiten mussten. Wie so oft, wenn sich das Leben weitgehend draußen abspielte. So hörte sich die Anfrage der Einsatzzentrale an die Inspektion Süd auch eher vorsichtig an: „Haben Sie eventuell noch eine oder zwei Streifen für Reichelsdorf? Dort wollen sich angeblich zwei rivalisierende Gangs gegenseitig auf die Köpfe hauen.“ Das klang nach einem Einsatz, für den ein Diensthund gebraucht werden könnte, außerdem war ich nicht weit weg! Ich drehte das Funkgerät lauter und nahm den Hörer in die Hand: „Ich bin in drei Minuten da!“ Eine weitere Streife meldete, dass sie auch in der Nähe sei.

Zwei große Gruppen, zusammengenommen weit mehr als einhundert Jugendliche, standen sich gegenüber

Ich zuckte zusammen, als wir gleichzeitig auf den Parkplatz zwischen den Hochhäusern einbogen. Zwei große Gruppen, zusammengenommen weit mehr als einhundert Jugendliche, standen sich gegenüber, einige prügelten schon aufeinander ein. Ich sprang aus dem Auto und holte meinen Hund aus seiner Box, während die beiden Kollegen mit Schlagstock und Pfefferspray bewaffnet versuchten, die gegnerischen Parteien auseinander zu treiben. Ein aussichtsloses Unterfangen.

Bux bellte aufgeregt und zerrte mich sofort in Richtung der tobenden Menschenmenge. Erleichtert stellte ich fest, dass nun doch einige sofort zurückwichen, andere vertrieb er zähneklappernd.

Nur eine Frau hatte uns nicht bemerkt. Vor meinen Augen sprang sie einen meiner Kollegen von hinten an und drosch mit einer Holzlatte auf seinen Kopf ein. Er ging sofort zu Boden und versuchte, sich mit seinen Armen gegen weitere Schläge zu schützen. „Aufhören und hinlegen, sonst setze ich den Hund ein!“, brüllte ich. Buxi dreht die Ohren für einen Augenblick nach hinten in meine Richtung. „…sonst setze ich den Hund ein!“ Diese Worte kannte er, und er wusste, was nun folgen würde. Er war zu allem bereit.

Die Frau erstarrte mit erhobenem Prügel, dann ließ sie ihn fallen und lief in entgegen gesetzter Richtung davon. Der geschlagene Kollege erhob sich schwerfällig, hielt sich den blutenden Kopf. Aber er nickte mir zu. „Ich bin soweit okay. Hol’ sie dir!“ Buxi hatte die Fliehende keine Sekunde aus den Augen gelassen und sprang vehement in die Leine. Ein letztes Mal rief ich der Schlägerin hinterher, sie solle stehen bleiben. Keine Reaktion. Also klinkte ich den Karabiner an Buxis Halsband aus und sagte: „Voran!“

Jetzt hatte Bux sie fast erreicht, setzte zum Sprung an – und zögerte plötzlich.

Buxi startete durch und sprintete ihr mit angelegten Ohren hinterher. Wäre die Frau jetzt stehen geblieben, hätte sie mein Hund ausbildungsgemäß nur verbellt. Aber sie rannte weiter. Jetzt hatte Bux sie fast erreicht, setzte zum Sprung an – und zögerte plötzlich. Irgendetwas verwirrte ihn. 

Von links näherte sich der Frau in vollem Lauf ein Kollege. Er hatte den Hund offenbar nicht wahrgenommen, und Buxi plötzlich die Wahl: den Mann oder die Frau? Entsetzt stellte ich fest, dass er sich für den Mann entschied und diesen anpeilte. 

„Plaaaatz!“, brüllte ich mit sich überschlagender Stimme. Bux gehorchte, ließ es sich aber nicht nehmen, wenigstens noch nach dem Bein des vorbeilaufenden Kollegen zu schnappen. Knapp daneben. Zum Glück. Sekunden später hatte ich ihn erreicht, rief zur Sicherheit noch einmal „Bleib’ Platz!“ und half dem Kollegen, die sich noch wehrende Frau unter Kontrolle zu bringen und ihr die Handschellen anzulegen.

Die Täterin wird abgeführt.

Jetzt kam ich ins Rätseln.

Dann ging ich zu Buxi, lobte ihn überschwänglich und nahm in wieder an die Leine. Im Grunde hatte er ja nichts verkehrt gemacht. Währenddessen trafen immer mehr Streifen aus den umliegenden Landkreisen ein. Zusammen brachten wir die Situation allmählich unter Kontrolle, Buxi tat bellend und zähnefletschend das Seinige dazu. Am Ende zählten wir siebzehn Verletzte und einundzwanzig Festgenommene, gegen die wegen Landfriedensbruch ermittelt werden würde. Zurück in der Dienststelle rätselte ich, warum Bux die Täterin verschont und statt dessen den Kollegen hatte beißen wollen.

Die Lösung war einfach: beim Training hatten bis zu diesem Zeitpunkt noch nie Kolleginnen als Figuranten den „Lumpen“ gespielt. Buxis Erfahrung mit Frauen war bisher durchwegs positiv gewesen! Dass eine nun die Böse sein sollte, kam ihm deshalb offenbar nicht in den Sinn. Und da sich im richtigen Augenblick auch noch alternativ ein Mann anbot, war ihm die Wahl nicht schwer gefallen. Auch wenn sich in der Ausbildung nun vermehrt unsere Hundeführerinnen den Schutzanzug anzogen, für Buxi blieben Frauen „die Guten“. Aber er kam auch nicht mehr in die Verlegenheit, eine diesbezügliche Entscheidung treffen zu müssen.

Hier erfährst du, wie es weitergeht.

Elmar Heer arbeitet seit 40 Jahren als Polizeibeamter. 1990 wechselte er vom Streifendienst zur Diensthundestaffel Mittelfranken. Schon früh entdeckte er seine zweite Leidenschaft: das Schreiben. Mit seinem Buch „Partner auf Leben und Tod“, erschienen bei Droemer-Knaur, gewährt der Autor dem Leser einen Einblick in Leben und Arbeit eines Polizeihundeführers. Er erzählt über seine Aufgaben als Hundeführer, die umfangreiche Ausbildung von Polizeihunden und über spannende, heitere und auch tragische Einsätze, die er mit seinen Schäferhunden Gundo, Bux, Carina und Sam erlebte.



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