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Tierheime in Not

Nicht nur mit den steigenden Energie- und Versorgungskosten haben die Tierheime in ganz Deutschland schon seit Monaten zu kämpfen. Durch die Corona-Pandemie schafften sich zahlreiche Menschen Vierbeiner an – und haben nun keine Zeit mehr, diese zu versorgen. So landen sie schließlich wieder im Tierheim. Auch die Schließung der Hundeschulen hat Folgen: Immer mehr Hunde im Tierheim sind beinahe unvermittelbar. Frank Weber, Leiter des Franziskus-Tierheims in Hamburg, ruft zum Handeln auf.

Tierschutz am Limit

Sind die Zeiten ohnehin schwierig genug, trifft die aktuelle Krise ins besondere die Tierhalter mit voller Wucht. Zu explodierenden Energiekosten und der allgemeinen Inflation kommen massive Preissteigerungen für Tierfutter und die Erhöhung der Gebühren für Tierärzte hinzu. Was also, wenn man sich den
Unterhalt seines Haustieres nicht mehr leisten kann? Der allerletzte Ausweg ist dann nicht selten die Abgabe des geliebten Vierbeiners in ein Tierheim. Doch auch
die Tierheime kämpfen mit den massiven Preissteigerungen. Obwohl der bmt dank seiner treuen Unterstützer auf einem vergleichsweise soliden Fundament steht,
bedeutet die aktuelle Situation auch für den Traditionsverein einen Kraftakt sondergleichen.

Andere Tierschutzeinrichtungen sind bereits jetzt kaum imstande, die Situation aus eigener Kraft abzufedern; einige sind sogar akut von der Schließung bedroht. Eine Petition soll auf die Not der Tierhalter und der Tierheime aufmerksam machen. Und die Politik endlich wachrütteln, einen Rettungsschirm zu spannen. Geld zur Rettung der Tierheime und zur Versorgung der Tiere in Not ist eigentlich vorhanden: durch die Hundesteuer, die jährlich Hunderte Millionen Euro in die Kassen spült. Abgaben auf die Haltung von Hunden zu entrichten, geht in Deutschland in Form des „Hundekorns“, das Bauern an ihre Lehnsherren zahlten, bis ins 15. Jahrhundert zurück. Eine Hundesteuer hat erstmals die Stadt Offenbach 1807 mit der „Hunds-Taxe“ erhoben. Die Einnahmen sollten unter anderem der Tilgung von Kriegsschulden dienen. Der Verwendungszweck der Ausgaben hatte also nicht unbedingt viel mit dem Grund der Abgaben gemein und diente weder direkt den Haltern noch den Hunden.

Nachdem Friedrich Wilhelm III 1810 die Hundesteuer zunächst als allgemeine Luxussteuer des Staates erließ, wurde 1829 schließlich den Kommunen erlaubt, eine Hundesteuer einzuführen. Noch heute obliegt die Erhebung der – lokal in der Höhe schwankenden – Hundesteuer den Kommunen und ist an keine konkrete Leistung geknüpft. So dienen die Rekordeinnahmen in Höhe von 401 Millionen Euro, die im Jahr 2021 mit der Hundesteuer eingenommen wurden, nicht direkt dem Tierschutz, sondern fließen in die Gesamtdeckung der kommunalen Kosten ein. Doch diese Abgaben zweckgebunden dem Tierschutz zuzuführen, wäre die Lösung, um die Tierheime aus der Krise zu holen.

Das 2021 erzielte Hundesteuerplus von 5,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, im Zehnjahresvergleich sogar 46 Prozent, verdanken die Städte und Gemeinden
dem Hundeboom während der Pandemie. In Zeiten von Lockdowns und Home Office schafften sich viele der Deutschen ein Haustier an, nicht wenige allzu spontan.

Statt sich im Tierheim beraten zu lassen, kauften viele Menschen ihren neuen Mitbewohner schnell und diskret im Internet. Alleine im Jahr 2020 stieg die Zahl der
Haustiere in Deutschland um knapp eine Million. Einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov zufolge bereuen dies mittlerweile rund 20 Prozent dieser Tierhalter. Die Leidtragenden sind die Tiere, die mit Menschen zusammenleben müssen, die sie nicht mehr haben wollen.

Abgabe wegen Überforderung

Ohne entsprechende Erziehung und Beschäftigung wird ein Hund schnell schwierig. Gerade bei den sogenannten Arbeitsrassen passiert das häufig. Die Besitzer sind überfordert, somit muss der Hund weg. Wird man den Hund im Internet nicht los, folgt der Anruf im Tierheim. Wir sollen das Problem übernehmen, häufig
am besten sofort. Doch viele der vorhandenen Plätze sind bereits mit schwierigen Hunden belegt, die kaum Vermittlungschancen haben. Bei Hunden, die sehr erfahrene Halter brauchen, dauert es oft ein Jahr oder länger, bis wir einen passenden Platz finden. Manche werden nie vermittelt. Dadurch entstehen den Tierheimen immense Kosten. Für die Unterbringung eines Hundes muss man pro Monat rund 780 Euro einkalkulieren. Die Aufwendungen für Operationen oder besondere Tierarztbehandlungen nicht eingerechnet.

Gleichzeitig kommen die Kommunen und Gemeinden durchschnittlich für zehn Prozent der Ausgaben eines Tierheimes auf. Doch das Geld, die Tiere ausreichend zu unterstützen, ist mit den Einnahmen aus der Hundesteuer vorhanden. Von den erzielten rund 400 Millionen müssten 200 Millionen für Tierhalter in Not und für die Tierheime zur Verfügung gestellt werden.

Hohe Tierarztkosten

Dass die Situation sich zuspitzt, zeigt sich auch im Katzenbereich und den zunehmenden Abgaben alter Tiere. Für diese Tiere gibt es im ansonsten florierenden
Internethandel keinen Markt – die Käufer scheuen sich vor möglichen Tierarztkosten, genauso wie viele Menschen, die ihre alten Katzen im Tierheim abgeben.
Wir müssen ein geriatrisches Blutbild machen, fast immer steht eine Zahnsanierung an, von Medikamenten ganz zu schweigen. Alleine die Sanierung der Zähne kostet Hunderte Euro; auch ein Tierheim muss den Tierarzt bezahlen. Dem gegenüber steht eine Schutzgebühr, die seit Jahrzehnten bei 100 bis 150 Euro liegt
und nicht einmal ansatzweise die Tierarztkosten deckt. Bei alten Tieren verzichten wir oft sogar auf solch eine Gebühr, um die Vermittlungschancen zu erhöhen. Viele Menschen denken, ein Tierheim wird von ihren Steuergeldern finanziert, das stimmt aber nicht. Etwa 90 Prozent der laufenden Kosten für den Betrieb muss das Tierheim aus eigener Kraft aufbringen. Neben alten Tieren werden zunehmend tragende Katzen, Muttertiere mit Nachwuchs und Katzenwelpen abgegeben.
Die Versorgung dieser Tiere ist besonders aufwendig, die Verweildauer lang und die Kosten für die Kastration der Katzenkinder sind hoch. Bei der Vermittlung sind alle Katzen mehrfach tierärztlich untersucht, geimpft, kastriert und gechippt. Sind sie zu jung, werden sie nach der Vermittlung kostenlos im Tierheim kastriert.
Ebenso ist bei den Kleintieren wie Kaninchen und Meerschweinchen – wie auch bei den Exoten – ein deutlicher Zuwachs an Abgabetieren zu verzeichnen.
Die Kosten für Energie, aber auch für Einstreu und Futter, haben sich massiv erhöht. Auch hier wird jedes Tier medizinisch versorgt und die männlichen Tiere
werden kastriert.

Kostendeckung

Für ein Tierheim mittlerer Größe, das 80 bis 100 Tiere unterbringt, belaufen sich die Tierarztkosten auf mindestens 3.000 bis 5.000 Euro pro Monat, je nachdem, ob zusätzlich größere Operationen notwendig werden. Ein Tierheim dieser Größenordnung benötigt rund 20.000 Euro monatlich für den laufenden Betrieb. Kommunen und Gemeinden sind gesetzlich verpflichtet, Plätze für Fundtiere bereitzustellen. Nur wenn ein Fundtiervertrag besteht, bekommen die Tierheime
für die Bereitstellung der Plätze durchschnittlich zwischen 75 Cent und 1,50 Euro pro Einwohner pro Jahr in Form eines Pauschalvertrags, oder die Vergütung erfolgt über Tagessätze für einen begrenzten Zeitraum, der jedoch häufig sogar unter der gesetzlichen Aufbewahrungsfrist liegt. Das muss sich meiner Meinung
nach dringend ändern.

Was wir schnellstens brauchen, ist eine Grundfinanzierung der Tierheime. Mindestens 50 Prozent der Gesamtkosten des Tierheimbetriebs müssen übernommen
werden. Der Großteil unserer Schützlinge sind private Abgaben. Diese Tiere haben wir uns nicht angeschafft, sondern die Bürgerinnen und Bürger. Genau das sorgt doch dafür, dass die Tiere eben nicht auf der Straße ausgesetzt und zu Fundtieren werden. Doch wenn wir diesen Tieren helfen, entziehen wir uns der finanziellen Grundlage durch die Fundtierverträge. Für die politisch Verantwortlichen ist das die kostengünstigste Lösung, doch diese reicht bei weitem nicht aus.

Forderung an die Regierung

Die Bereitschaft der aktuellen Regierung, den Tierschutz stärker zu unterstützen, lässt aus meiner Sicht sehr zu wünschen übrig. Beim zuständigen Minister Cem Özdemir habe ich mit meiner Petition für einen Rettungsschirm für die Tierheime keinen Termin bekommen. Offensichtlich ist Herrn Özdemir das Thema nicht wichtig genug. Erst nach Ankündigung, einen Fernsehbericht zu machen, hat sich zumindest die Tierschutzbeauftragte der SPD im Bundestag, Luiza Licina-Bode, zu
einem Treffen in Berlin bereit erklärt. Auf die Forderung, die Hundesteuer zur Rettung der Tierheime zu verwenden, verweist die Politikerin darauf, dass für die Verwendung die Kommunen und Gemeinden, die die Steuer kassieren, zuständig sind. Das ist natürlich nicht neu, ebenso wie die Argumentation, dass kürzlich fünf Millionen Euro für die Tierheime zur Verfügung gestellt wurden. Die Bereitstellung dieser Summe ist natürlich zu begrüßen, sie hat jedoch mit diesem Anliegen nichts zu tun. Dabei ging es um die Finanzierung der Tiere, die ukrainische Flüchtlinge mit nach Deutschland gebracht haben. Dadurch entstanden zusätzliche Kosten für die Tierheime.

Fakt ist aber, dass eine beträchtliche Anzahl der über 600 oft baulich maroden Tierheime in Deutschland vor dem finanziellen Ruin steht. Zusätzlich müssen
Möglichkeiten geschaffen werden, private Tierhalter zu unterstützen, die sich die medizinische Versorgung ihrer Tiere nicht mehr leisten können. Nur so kann
man verhindern, dass der Druck auf die Tierheime weiter steigt. Einen Hoffnungsschimmer gibt es, die Tierschutzbeauftragte hat zugesagt, einen runden Tisch mit dem Tierschutz einzuberufen, den Internethandel mit Tieren zu beschränken und nach finanziellen Lösungen zu suchen. Eins ist für mich klar: Die Politik muss sich an Taten messen lassen und nicht an Worten. Natürlich kann die neue Regierung in wenigen Monaten nicht das aufarbeiten, was in den vergangenen 20 Jahren sträflich vernachlässigt wurde. Aber wir können nicht warten, bis das System zusammenbricht. Der Tierschutz ist als Staatsziel im Grundgesetz verankert, die Tiere haben einen rechtlichen Anspruch auf staatliche Unterstützung. Das darf nicht länger ignoriert werden. Gerade nicht von einer neuen Regierungspartei wie den Grünen. Es kann sich niemand damit herausreden, er habe nichts von der Situation gewusst. Wenn es keine zeitnahe Unterstützung von der Politik gibt, werden
wir in absehbarer Zeit wieder jede Menge Tiere im reichen Deutschland haben, die auf unseren Straßen unversorgt ihr Dasein fristen müssen. Und dahin möchte keiner von uns zurück.

Rettungsschirm für Tierheime: Jetzt unterzeichnen!

Zahlreiche Tierschutzeinrichtungen stehen in Deutschland vor dem finanziellen Aus. Die aktuellen Teuerungen machen gemeinsam mit den neuen Herausforderungen, vor denen die Tierheime heute stehen, ein Überleben immer schwieriger. Gleichzeitig nimmt der Staat immer mehr Geld aus der Hundesteuer ein. Wie passen die Not der Tierheime und Tierschutzvereine und dreistellige Millionenbeträge an Steuereinnahmen, die von Hundehaltern an den Staat gezahlt werden, zusammen? Deshalb hat Frank Weber, stellvertretender bmt-Vorsitzender und Leiter des Franziskus Tierheims in Hamburg eine Petition ins Leben gerufen, die einen Rettungsschirm für den Tierschutz fordert. Das Geld für solch einen Rettungsschirm ist vorhanden und wird von den Tierfreunden seit Jahrzehnten bereits gezahlt – es muss nur seinem eigentlichen Zweck zugeführt werden. Die Forderung: die Hundesteuer für den Tierschutz! Wir brauchen jetzt einen Rettungsschirm, mit dem wir Tierheime retten und Tierschutz-Organisationen unterstützen können, die wiederum bedürftigen Haustierbesitzern unter die Arme greifen können. Unterzeichne jetzt unter https://innn.it/Tierheime.

Text: Frank Weber, Quelle: bmt; Bild: AdobeStock/tpap8228

Frank Weber ist Leiter des Franziskus-Tierheims in Hamburg und engagierter Tierschützer. Bekannt wurde er durch seine Auftritte in der VOX-Sendung hundkatzemaus. Zurzeit lebt er mit 5 Tierschutzhunden zusammen.

Das Franziskus Tierheim:

Geschäftsstelle Hamburg
Lokstedter Grenzstr. 7, 22527 Hamburg
GSt.: Tel. 040 / 55 49 28 34
bgdmt@t-online.de
Tierheim: Tel. 040 / 55 49 28 37
info@franziskustierheim.de
IBAN: DE65 2005 0550 1049 2207 99
BIC: HASPDEHHXXX
www.franziskustierheim.de

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