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Einsatz auf vier Pfoten! | Teil 31

Wir sollten lediglich im Treppenhaus warten, bis das Sondereinsatzkommando in die Wohnung eingedrungen ist und den Gesuchten festgenommen hat. Der Mann, der im Streit einen anderen erschossen haben soll, sei im Besitz mindestens eines Revolvers, hatte es in der Besprechung geheißen. Vor allem den zu finden war Carinas Aufgabe als Sprengstoffspürhund. Der Geruch von Pulverschmauchspuren, der einer benutzten Waffe anhaftet, würde ihr genügen, das Versteck ausfindig zu machen.

Carina sucht nach Pulverschmauchspuren

Ein Kollege des SEK stieg durch die zertrümmerte Wohnungstür heraus und kam zu uns herunter. „Der Typ ist leider ausgeflogen, die Wohnung ist leer.“ Er zog enttäuscht die Mundwinkel nach unten. „Vielleicht findet dein Hund ja wenigstens die Tatwaffe.“

„Wenn er sie nicht mitgenommen hat, wird Carina sie finden“, antwortete ich mit Überzeugung. Der Beamte ging zur Seite und machte den Weg für uns frei. Gut so, denn er wäre nicht der Erste gewesen, der von einem zornigen Diensthund versehentlich gebissen worden wäre. Doch Carina schenkte dem Mann keine Beachtung und zog mich die wenigen Stufen hinauf ins Hochparterre. Einen Moment mussten wir noch warten, bis alle Kollegen die Wohnung verlassen hatten.

Das Signal für den Beginn der Suche

Direkt am Eingang ließ ich Carina Platz machen und löste die Leine von ihrem Halsband. Sie kannte dieses Ritual, das einer Suche immer vorausging. Aufmerksam schaute sie in die hell erleuchtete Wohnung, während sie gleichzeitig die Ohren nach hinten in meine Richtung drehte. Angespannt wartete sie auf ihr Kommando.

„Such’s Stoffi!“ Ihre Krallen kratzten über den Steinboden, als sie aufsprang und im Flur des Appartements verschwand. Ich folgte Carina eilig, wollte sie nicht aus den Augen lassen. Wie immer lief sie zunächst die Räume der kleinen Zweizimmerwohnung mit erhobenem Kopf ab. So orientierte sie sich meistens, bevor sie mit der konzentrierten, feinen Nasenarbeit begann.

Carina zeigt an – aber keinen Sprengstoff

Doch diesmal verhielt sie sich anders. Inmitten des Wohnzimmers blieb sie plötzlich stehen, starrte den an der Wand stehenden, laienhaft bemalten Bauernschrank an und spitzte die Ohren. Dann näherte sie sich ihm, schnupperte zunächst am Schlüsselloch und sog dann hörbar die Luft am Türfalz ein.

„Was ist denn, Mausi?“, so nannte ich Carina, wenn wir allein waren. „Hast du Stoffi gefunden?“ Statt sich wie in einem solchen Fall hinzulegen und zu erstarren, sprang sie gegen den Schrank und bellte aufgeregt. Auf diese Weise zeigte sie normalerweise nur versteckte Personen an!

Ich zog die Pistole

Erschrocken nahm ich sie am Halsband und zerrte sie rückwärts aus dem Raum. Ich zog meine Pistole aus dem Holster, denn ich rechnete jeden Moment damit, dass die Schranktür aufsprang und der gesuchte Mörder auf uns schoss. Im Flur Deckung suchend, ohne den Schrank aus den Augen zu lassen, schrie ich: „Polizei! Kommen Sie mit erhobenen Händen heraus!“ Aber nichts rührte sich im Wohnzimmer.

Mein Schreien hatte allerdings die Kollegen des SEK alarmiert. Unvermittelt waren zwei Beamte bei mir. Vier Augen blickend mich fragend über den Rand der schwarzen Sturmhauben an. Carina brummte warnend. „Im Schrank!“, flüsterte ich. Die Kollegen schauten sich überrascht an, einer schüttelte den Kopf. „Der ist leer, wir haben reingeschaut.“

„Nein!“, widersprach ich nur unwesentlich lauter. „Mein Hund hat eindeutig angezeigt.“

Konnte Carina sich so irren?

Ich fand es ziemlich unvorsichtig, ja fahrlässig, als die beiden nun aufstanden und gelassen zum Schrank gingen. Ich zog es vor, mit Carina in Deckung zu bleiben. Als sie die Tür öffneten, war ich es, der überrascht war. Der Schrank war tatsächlich leer. Und zwar völlig leer, kein Geschirr, auch keine vielleicht nach Mensch riechenden Klamotten, nichts. Wie konnte sich Carina nur so irren? Ich wollte es nicht glauben.

Kommentarlos verließen die beiden SEKler wieder die Wohnung. Ich konnte mir vorstellen, was sie dachten, und war ihnen gleichzeitig dankbar, dass sie es für sich behielten. Und ich besann mich des eigentlichen Jobs, weshalb wir hier waren. Carina sollte die Tatwaffe finden.

Die beäugte allerdings immer noch diesen Schrank. Also nahm ich sie mit in die Küche und ließ sie zuerst dort nach „Stoffi“ suchen. Sie wirkte unkonzentriert und ließ sich nur schwer dazu motivieren, in diese oder jene Ecke zu schnüffeln. Dennoch hoffte ich, dass sie die Waffe oder Munition verweisen würde, wenn ihr deren Geruch in die Nase käme.

Rückwärts gehend wies ich ihr fließend den Übergang in den Flur und zeigte Carina mit der Hand den Schuhschrank, den sie absuchen sollte. Doch ihre Geduld schien nun zu Ende zu sein.

Carina trifft eine Entscheidung

Ohne mich weiter zu beachten, rannte sie an mir vorbei ins Wohnzimmer und verbellte erneut, jetzt noch aggressiver, den Schrank. Mein erster Reflex war, sie scharf zurückzurufen, aber ich hielt mich zurück und ließ sie wüten. Immer wieder presste sie ihre Nase an den Türfalz, um dann noch heftiger gegen das Möbelstück zu springen, welches dadurch bedenklich ins Wanken geriet.

Als ich nicht reagierte, setzte sie wieder verstärkt ihren Geruchssinn ein. Carinas Schnauze wanderte nun an der Seitenwand entlang und verharrte dann eine Sekunde an der Ecke zur Rückwand des Schrankes. Jetzt verlor mein Hund alle Hemmungen. Carina kratzte mit beiden Vorderpfoten an der Stelle, sie bellte und kratzte und bellte und kratzte. In all dem Lärm hörte ich ein Geräusch, als würde etwas hartes Schweres auf den Boden fallen.

Sie packt ihn am Arm und reißt ihn um

Mit zwei schnellen Schritten war ich bei Carina, packte den Schrank an der Oberkante und ließ ihn mit einem Ruck ins Wohnzimmer stürzen. In der dahinter liegenden Nische, die einmal eine Durchgangstür zum Schlafzimmer gewesen war, stand der Gesuchte. Er versuchte noch, den am Boden liegenden Revolver aufzuheben, da packte ihn schon Carina am Arm und riss ihn um. Der Mann schrie auf, doch je mehr er sich wehrte, umso härter biss mein Hund zu und schüttelte seinen Arm.

Auch ich stürzte mich auf den Kerl, kniete auf seinem Rücken und fixierte seinen anderen Arm. Und plötzlich waren wir umringt von den Kollegen des SEK. Auf mein Kommando ließ Carina los, ich schnappte sie mir aber sofort, umarmte sie, damit sie in ihrer Rage nicht doch noch einen der Vermummten verletzte. Sekunden später lag der Täter mit Plastikfesseln zu einem Paket verschnürt neben seinem zerstörten Schrank und stöhnte. Ein Beamter forderte über Funk Sanitäter an.

Ich bin stolz auf meinen Hund!

Ich brachte meinen hektisch hechelnden Hund hinaus zum Auto. Schon auf dem Weg dorthin überschüttete ich ihn überschwänglich mit Streicheleinheiten und Lob. In der Box gab ich Carina Wasser. Ich war unendlich stolz auf sie. Ich wollte mir gar nicht ausmalen, was passiert wäre, wenn sie nicht verhindert hätte, dass der Täter seine herunter gefallene Waffe aufhob. Wahrscheinlich hatte mir Carina wieder einmal das Leben gerettet.

Hier erfährst du, wie es weitergeht.

Elmar Heer arbeitet seit 40 Jahren als Polizeibeamter. 1990 wechselte er vom Streifendienst zur Diensthundestaffel Mittelfranken. Schon früh entdeckte er seine zweite Leidenschaft: das Schreiben. Mit seinem Buch „Partner auf Leben und Tod“, erschienen bei Droemer-Knaur, gewährt der Autor dem Leser einen Einblick in Leben und Arbeit eines Polizeihundeführers. Er erzählt über seine Aufgaben als Hundeführer, die umfangreiche Ausbildung von Polizeihunden und über spannende, heitere und auch tragische Einsätze, die er mit seinen Schäferhunden Gundo, Bux, Carina und Sam erlebte.



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