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Einsatz auf vier Pfoten! | Teil 1

„Hier spricht die Polizei! Kommen Sie raus, oder ich setze den Hund ein!“ Carina und ich starrten durch die aufgebrochene Tür in eine Fabrikhalle. Der kühle Ostwind trieb den feinen Regen wie Nadeln in mein Gesicht. Eine kleine Dampfwolke stand vor Carinas Schnauze. Trotz des hellen Lichts der Taschenlampe konnte ich im Inneren der Halle nichts erkennen. Carina wahrscheinlich auch nicht, obwohl Hunde im Dunkeln besser sehen als Menschen.

Doch darauf kam es jetzt nicht an. Carina würde den Einbrecher riechen. Einbrecher dünsten aus. Die Kollegen von der Streife hatten eine offen stehende Tür und einen pendelnden Lichtschein in der Fabrikhalle entdeckt und das Gebäude umstellt. Niemand war herausgekommen, kein Laut drang nach außen. Carinas Ohren waren gespitzt. Hörte sie etwas? Wenn da einer drin war, sie würde ihn finden.

In einer dunklen Lagerhalle hatte sich der Einbrecher versteckt.

Wie wird der Einbrecher reagieren?

Ich wiederholte meine Ankündigung noch einmal, um Carina zu signalisieren: Jetzt geht es gleich los. „Hier spricht die Polizei! Kommen Sie raus, oder ich setze den Hund ein.“ Dieser Satz gehört zu Carinas Lieblingssätzen und wird nicht mal übertroffen von: „Fein Essen fertig!“ Ich spürte, wie sie in vorfreudiger Anspannung zitterte. Sie wartete bebend darauf, dass ich ihr Halsband losließ und sie in die Halle stürmen durfte, den Täter zu stellen. „Ich komme!“, hörte ich da eine ängstliche Stimme aus der Dunkelheit. „Bitte halten Sie den Hund fest.“ Er sagte Bitte.

Seine Angst musste groß sein. Carina bellte. Die Entwicklung des Falles behagte ihr nicht so wie mir. Sie wollte den Lumpen fangen, wie es in unserem Jargon heißt, doch blöderweise kam der Lump von selbst raus. Ein cirka zwanzigjähriger Mann mit weit aufgerissenen Augen und erhobenen Händen. Einer meiner beiden Kollegen von der Streife nahm ihn in Empfang. „Sie sind vorläufig festgenommen. Sie wissen ja, warum.“ Der andere Kollege verabschiedete sich von mir. „Das wär’s dann, Elmar. Danke für die Unterstützung.“ „Gern geschehen. Ruhige Nacht noch.“

Carina liebt Einsätze!

Die Schutzpolizisten durchsuchten den Mann nach Waffen und Diebesgut, dann halfen sie ihm beim Einsteigen in ihren grün-silbernen BMW. Früher waren alle Streifenwagen grün-weiß, schon bald werden sie blau-silber lackiert sein. Die Hundestaffel, zu der Carina und ich gehören, ist noch immer mit einigen sehr alten Autos unterwegs. Mir macht das nichts aus, und Carina als Deutsche Schäferhündin ist immun gegen Statussymbole. Sie fährt auch Audi oder Opel oder VW. Auch die Farbe ist ihr egal. Hauptsache, es geht zu einem Einsatz. Carina liebt Einsätze.

Hauptsache, es geht zu einem Einsatz. Polizeihund Carina liebt Einsätze.

Turbulent muss es sein

Die Uhr am Armaturenbrett meines Dienstwagens zeigte kurz nach Mitternacht. Meine Schicht hatte um 20 Uhr begonnen und war bislang ruhig verlaufen. Ein bisschen Schreibtischarbeit, einige Objekte kontrolliert, die des besonderen Schutzes bedurften, wie Wohnsitze von Politikern, und ein paar der beliebtesten Gemäuer von Graffiti-Künstlern, die obligatorische Fußstreife durch einen U-Bahnhof, um den Fahrgästen ein Gefühl von Sicherheit zu vermitteln und eventuellen Tätern eines der Unsicherheit. Außerdem eine Schlägerei, die sich schon aufgelöst hatte, bevor Carina sie auflösen konnte.

Und jetzt der Einbrecher, der für Carinas Geschmack viel zu früh aufgegeben hatte. Ein richtiges Erfolgserlebnis fehlte ihr heute noch. Zum Beispiel einen Vermissten vor dem Erfrieren retten, einen Sprengsatz finden oder eine alte Dame, die den Weg nach Hause vergessen hat, einen flüchtigen Handtaschenräuber stellen. Für mich ist auch ein ruhiger Dienst ein guter Dienst. Carina liebt es turbulent.

„Und wie war’s?“, fragte mein Kollege Hartmut in unserer Dienststelle am östlichen Stadtrand von Nürnberg. Nachts sind wir häufig nur zu zweit in unserem Abschnitt. „Pech für Carina, Glück für den Einbrecher“, antwortete ich. Hartmut grinste. „Das habe ich am Funk mitbekommen. Ich frag mich, was der da klauen wollte, da gibt’s doch nichts?“ „Vielleicht die Kaffeekasse.“ „Apropos“, sagte Hartmut. „Ich hab frischen gemacht. Die Nacht ist ja noch lang für uns. Und ich muss gleich weg. Die Autobahnpolizei hat einen Wagen angehalten, der eine Rauschgiftsuche wert wäre. Die haben gesagt, den Stoff riechen sie selbst ohne Hund.“

Polizeihunde sind sehr dominant

Fünf Minuten später war ich allein. Ganz allein. Carina saß im grün-weißen Opel Kombi vor der Tür. Hunde haben zwar kein Hausverbot in ihrer Dienststelle, aber in der Regel bleiben sie draußen, weil sich nur wenige Hunde gut miteinander vertragen und es zu Raufereien kommen könnte. Polizeihunde sind sehr dominant. Ein im Wesen eher unterwürfiger oder ängstlicher Hund würde die hohen Anforderungen, die an einen Polizeihund gestellt werden, nicht erfüllen. Deshalb durchlaufen die Hunde, die eine Polizistenlaufbahn einschlagen, eine fundierte Ausbildung. Manchmal stellt sich erst nach Monaten heraus, ob ein Hund für den Polizeidienst geeignet ist – oder an seinen Züchter zurückgegeben wird. Carina ist mein dritter Polizeihund und erster Sprengstoffsuchhund. An ihre beiden Vorgänger Gundo und Buxi, ausgebildete Rauschgifthunde, denke ich mit Freude und Wehmut zurück. Wir haben so viel miteinander erlebt. Darüber werde ich in den folgenden Ausgaben der HundeWelt erzählen.

Hier erfährst du, wie es weitergeht.

Elmar Heer arbeitet seit 40 Jahren als Polizeibeamter. 1990 wechselte er vom Streifendienst zur Diensthundestaffel Mittelfranken. Schon früh entdeckte er seine zweite Leidenschaft: das Schreiben. Mit seinem Buch „Partner auf Leben und Tod“, erschienen bei Droemer-Knaur, gewährt der Autor dem Leser einen Einblick in Leben und Arbeit eines Polizeihundeführers. Er erzählt über seine Aufgaben als Hundeführer, die umfangreiche Ausbildung von Polizeihunden und über spannende, heitere und auch tragische Einsätze, die er mit seinen Schäferhunden Gundo, Bux, Carina und Sam erlebte.



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