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Einsatz auf vier Pfoten! | Teil 9

Es begann harmlos. Eine Streife der Inspektion Ost war über Funk zu einer Ruhestörung beordert worden. Um seinem Anspruch auf polizeiliche Hilfe Nachdruck zu verleihen, bezeichnete der Mitteiler die kleine Gruppe lärmender Leute in der Grünanlage als „randalierende Jugendliche“.  Ich fuhr nicht mit hin, sondern hielt mich in der Nähe auf.

Zum einen, um durch das Bellen meines Hundes Bux nicht auch noch zur Ruhestörung beizutragen, andererseits aber notfalls gerade damit für den nötigen Eindruck sorgen zu können, um den Lärm zu beenden. Doch wir wurden nicht benötigt. Die Kollegen meldeten kurz darauf, sie hätten die Jungs und Mädels nach Hause geschickt, die Lärmbelästigung sei damit erledigt.

Respektloses Großmaul

Auch gut, dachte ich und suchte einen Weg hinaus aus dem Wohngebiet mit seinen engen Straßen. Das Fahrerfenster geöffnet, ließ ich den Streifenwagen rollen. Zwei junge Frauen kamen mir auf dem Gehweg entgegen, begleitet von einem kaum älteren Mann, der die beiden offenbar eifrig umwarb. Er trug kein Hemd, war oben ohne, wohl um seinen muskulösen Oberkörper zu präsentieren. In der Linken hielt er ein halb gefülltes Weinglas. Die Situation erschien entspannt, doch ich bremste mein Auto leicht ab. Vielleicht belästigte der Mann ja die beiden Frauen? Ich versuchte, Blickkontakt mit ihnen aufzunehmen, doch sie beachteten mich nicht weiter. 

Als ich auf ihrer Höhe war, drehte sich der Kerl in meine Richtung und sagte: „Arschloch!“

Ich hatte mir längst ein dickes Fell wachsen lassen, was Beleidigungen betrifft. Aber musste ich mir wirklich alles gefallen lassen? Ich hielt an. „Arschloch!“ Der Mann legte es darauf an, sich eine Anzeige einzufangen. Aber eigentlich hatte ich keine Lust, die Angelegenheit zu sehr aufzubauschen. Also stieg ich aus, blieb am Streifenwagen stehen und antwortete: „Meinen Sie mich? Das ist Ihnen sicher nur so rausgerutscht, nehme ich mal an. Oder beleidigen Sie jeden, der an Ihnen vorbeifährt?“ Die Brücke war gebaut, doch er wollte sie nicht nützen. „Komm’ her, Arschloch! Dann machen wir’s aus von Mann zu Mann!“ Der Kerl wirkte gefährlich. Zur Abschreckung öffnete ich die Tür des Streifenwagens, ließ Bux heraus und ihn hinter mir Platz machen. 

Die Konfrontation

„Ey, Scheißbulle, glaubst du, ich habe Angst vor deinem Scheißköter? Dem breche ich das Genick, und dann bist du dran!“ Er machte einen Schritt auf mich zu. Noch war er ein paar Meter von mir entfernt, doch ich wusste, dass Buxi hinter mir nur noch auf einen weiteren Schritt wartete. Sein imaginärer Gefährdungskreis wäre dann durchbrochen. Ich hob die Hand und warnte:

„Keinen Schritt weiter! Bleiben Sie, wo Sie sind!“ Doch der Kerl war nicht mehr zu bremsen. Er machte einen Satz nach vorne und schüttete mir den Weißwein ins Gesicht. Meine Augen brannten. Durch den Schleier sah ich noch, wie er mit dem Glas zum Schlag ausholte.

Im selben Moment flog etwas an mir vorbei, schlug in den Angreifer ein wie eine Zementsack und riss ihn um. Er schrie gellend, und die beiden Frauen, die sich bisher ruhig verhalten hatten, stimmten mit ein. Ich rieb mir über die Augen, dennoch dauerte es noch einige Sekunden, bis ich wieder klar sehen konnte. Der Mann lag nun auf dem Rücken, mein Hund in seinem Unterarm verbissen auf ihm. „Auuus!“, schrie ich, so laut ich nur konnte. Bux ließ los. „Und hiiiier!“ Buxi sprang auf, kam zurück und setzte sich neben mich. Ich legte beruhigend meine Hand auf ihn. 

Das nächste, was ich hörte, war weinerliches Jammern.

„Ey Mann, schau’ mal, was der Hund mit meinem Arm gemacht hat!“ Er setzte sich mit Schmerz verzerrtem Gesicht auf und schluchzte nun. „Au, verdammt! So war das doch nicht gemeint!“ „Ja, klar“, antwortete ich sarkastisch, „war alles nur Spaß“. Ich sah mir den Arm an. Die Bisswunde sah übel aus. Die Frauen stand mit bleichen Gesichtern an den Zaun gelegt. Sie waren schockiert, aber das war selbst ich. „Bleiben Sie so sitzen“, sagte ich, „ich hole Verbandszeug und rufe einen Arzt.“ Ich führte Bux zum Auto. Meine Hände zitterten, als ich den Funkhörer nahm und den Rettungsdienst anforderte. Ich haderte mir mir selbst. Wenn ich weiter gefahren wäre, wäre das alles nicht passiert. Aber bin ich der Fußabstreifer für jeden? Ich schüttelte den Kopf. Nein, ich hatte mir nichts vorzuwerfen. Letztendlich hatte mich der Kerl angegriffen, und Buxi hatte sehr wahrscheinlich Schlimmeres verhindert. 

Ich war noch damit beschäftigt, dem jetzt sehr kleinlauten Burschen vorsichtig einen Verband anzulegen, als der Notarzt eintraf, der ihn weiter versorgte. Auch die Streife, die die Ruhestörung eingestellt hatte, kam dazu. „Jedenfalls hat es keinen Falschen erwischt“, meinte einer der beiden Kollegen. „Der war vorhin auch dabei und hatte die größte Klappe von allen.“ Zwei Wochen später erhielt ich ein Schreiben von einem Rechtsanwalt. Er stellte sich darin als Vertreter des Schlägers vor und teilte mir mit, dass seinem Mandanten sein Verhalten sehr leid tue und er um Entschuldigung bitte. Ich reagierte nicht darauf. Das Verfahren gegen den Täter wurde einige Monate darauf eingestellt. Ich konnte damit leben, denn die „Strafe“, wenn man so will, hatte er durch Buxi schon vorher erfahren. So sah es wohl auch der Staatsanwalt.

Hier erfährst du, wie es weitergeht.

Elmar Heer arbeitet seit 40 Jahren als Polizeibeamter. 1990 wechselte er vom Streifendienst zur Diensthundestaffel Mittelfranken. Schon früh entdeckte er seine zweite Leidenschaft: das Schreiben. Mit seinem Buch „Partner auf Leben und Tod“, erschienen bei Droemer-Knaur, gewährt der Autor dem Leser einen Einblick in Leben und Arbeit eines Polizeihundeführers. Er erzählt über seine Aufgaben als Hundeführer, die umfangreiche Ausbildung von Polizeihunden und über spannende, heitere und auch tragische Einsätze, die er mit seinen Schäferhunden Gundo, Bux, Carina und Sam erlebte.



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