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Einsatz auf vier Pfoten! | Teil 40

Meinen Vorsatz, „ein Jahr ohne Hund“, hatte ich schon nach wenigen Wochen mit meinem Wechsel zur Diensthundestaffel Bihac in „ein Jahr ohne eigenen Hund“ geändert. Nun war er endgültig Makulatur. Der Blick eines kleinen Welpen mit Augen, die so grün waren wie der Fluss Una, der sich durch Bihac schlängelte, hatte mein Herz unmittelbar erobert.

Da war es naheliegend, ihr den Namen Una zu geben.

Mein Chef Bradley, der schon seit fast vier Jahren für die United Nations in Bosnien-Herzegowina arbeitete, war auch ein großer Hundefreund. Deshalb hatte er nichts dagegen, dass ich Una mit zum Dienst brachte. Ab sofort saß sie während unseren Fahrten auf der Rückbank in ihrem Weidenkorb, den ich für sie besorgt hatte. Dessen Henkel hielt ihren zusehends wachsenden, spitzen Zähnchen nicht lange stand und lag schon bald in Fetzen zerkaut im Fußraum unseres Geländewagens. In den Pausen spielte sie mit den großen Diensthunden, die alle bezaubernd sanft mit ihr umgingen. Drei Wochen lang war sie das Maskottchen der Staffel, dann nahm ich sie mit nach Deutschland. Bei meiner Frau Anna wusste ich Una in besten Händen.

Nach fünf Tagen zuhause fuhr ich zurück nach Bihac.

Aber ein merkwürdiges Gefühl beschlich mich. Fuhr ich weg von Zuhause oder fuhr ich nach Hause? Die kleine bosnische Stadt, meine Wohnung dort, begannen, meinem Heimatort den Rang abzulaufen. Das wollte ich nicht zulassen und konzentrierte mich auf die Aufgabe, die Diensthunde dort weiter auszubilden.

Jan und ich hatten uns vorgenommen, sie nach den vorgeschriebenen, amerikanischen Kriterien auf die Prüfung vorzubereiten, auch wenn wir nicht mit allem einverstanden waren. Sie unterschieden sich zum Teil von der schwedischen und deutschen Prüfungsordnung.

Die Hunde mussten sich zum Beispiel robbend anschleichen können. Eine Bewegung, die einem Raubtier nicht fremd sein dürfte. Doch wie bringt man sie einem Hund bei? Unsere Hunde zu Hause mussten nicht robben, die in Jans Heimatland liefen auch durchwegs aufrecht. Mein Antrag, die Übung ersatzlos zu streichen, da der Krieg ja schließlich vorbei sei, war schon im Frühjahr vom Ausbildungsbeauftragen Charles White in Sarajevo abgelehnt worden. Nun war ich es, dem etwas Neues beigebracht werden sollte.

Diese Aufgabe übernahm Alem, einer der Hundeführer, die mir von Anfang an sehr positiv aufgefallen waren.

Ich mochte die Art, wie der junge Mann mit seinem Schäferhund umging, niemals laut oder grob, aber konsequent. Er und sein schwarzer Pablo vertrauten einander sichtlich und bildeten ein Superteam. Pablo beherrschte die Kunst des Robbens perfekt. Nicht ohne Stolz zeigte Alem es mir: Auf ein Kommando, das sich wie „Puschti“ anhörte, pirschte sich Pablo wie ein Wolf beim Anblick eines Rehs vorwärts. Alle paar Meter sank er noch ein Stückchen tiefer in Deckung und legte seinen Kopf zwischen die Pfoten. Dennoch hatte dieses Verhalten nichts Unterwürfiges. Pablo behielt seine selbstbewusste Ausstrahlung, seinen Stolz.

Ich war beeindruckt.

Zu Jans und meiner Erleichterung übernahm Alem diesen Teil der Ausbildung und erklärte seinen Kollegen, wie man aus einem Schäfer- einen Seehund machte. Die Hundeführer legten ihre Tiere ins Platz und knieten sich neben sie. Mit der linken Hand zogen sie die Hunde an kurzer Leine vorsichtig vorwärts und verhinderten mit der aufgelegten rechten, dass sie aufstanden. Das klappte natürlich nicht sofort.

Einige der Hunde blieben einfach liegen, andere rollten sich zur Seite, wälzten sich und standen auf. Verlegenes Lachen der Polizisten und Geschimpfe, welches mir der Dolmetscher nicht übersetzte, wechselten sich ab. Geduldig zeigte Alem, wie die Kollegen das Ausweichen der Hunde verhindern sollten. Und richtiges Verhalten belohnen: mit einem Stückchen bosnischer Hartwurst, die dem Hund zwischen die Pfoten gelegt wurde. Eine Stunde später schafften es alle Hunde, mindestens einen Meter weit zu kriechen.

Nur das mit der Ausstrahlung war noch verbesserungswürdig. Einige sahen bei der Übung eher aus wie begossene Pudel denn wie gestandene Polizeihunde. Aber ich war davon überzeugt, auch das würde Alem noch hinkriegen. Ich bedankte mich herzlich bei ihm und schlug ihn einige Tage danach als künftigen Ausbilder der Staffel vor.

Diesen Antrag nahm Charles White an.

Dennoch, ohne Una fehlte mir irgendwie was. Una fehlte mir. Ohne Hund an meiner Seite fehlte einfach was. In dieser Zeit fiel mir eine offenbar streunende Hündin im abgezäunten Gelände unseres Headquarters auf. Ein wenig ähnelte sie einem spanischen Podenko, was allerdings Ergebnis einer generationsübergreifenden Mischung unterschiedlichster Mischlingen gewesen sein dürfte. Sie war etwas kleiner als ein Schäferhund, aber deutlich dünner, sichtlich unterernährt. Und, was genauso unübersehbar war, hoch trächtig. Ich konnte nicht anders: Nach Dienstschluss fuhr ich zu dem Supermarkt, in dem ich schon die Mahlzeiten für Una besorgt hatte, und kaufte eine Palette mit zwölf Dosen „Hrana za pse“, zu deutsch Hundefutter.

Die erste Fütterung am nächsten Morgen gestaltete sich etwas schwierig. Nur mit Geduld und Mühe gelang es mir, die Hundedame anzulocken. Aber ihr Hunger war letztendlich stärker als ihre Vorsicht. Am zweiten Tag kam sie schüchtern wedelnd auf mich zu, als ich sie zum Essen einlud. Und ab dem dritten saß sie täglich pünktlich zu Dienstbeginn um acht Uhr erwartungsvoll am Eingang zum UN-Gelände und begrüßte mich stürmisch. Bis zu Tag acht. Als ich vor meiner Dienststelle vorfuhr, wartete kein Hund auf mich. Was war nur passiert? Ich machte mir Sorgen.

Hier erfährst du, wie es weitergeht.

Elmar Heer arbeitet seit 40 Jahren als Polizeibeamter. 1990 wechselte er vom Streifendienst zur Diensthundestaffel Mittelfranken. Schon früh entdeckte er seine zweite Leidenschaft: das Schreiben. Mit seinem Buch „Partner auf Leben und Tod“, erschienen bei Droemer-Knaur, gewährt der Autor dem Leser einen Einblick in Leben und Arbeit eines Polizeihundeführers. Er erzählt über seine Aufgaben als Hundeführer, die umfangreiche Ausbildung von Polizeihunden und über spannende, heitere und auch tragische Einsätze, die er mit seinen Schäferhunden Gundo, Bux, Carina und Sam erlebte.



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