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Auch Mischlinge können HD haben

Elisabeth Gries lebt mit ihren vier Hunden im Allgäu. Ihren jüngsten Hund, Thor, übernahm sie aus dem Tierschutz. Der Mischling entwickelte eine eigenartige Art zu laufen. Lustig sah es aus. Aber Ernst wurde es, als die Tierärztin eine völlig deformierte Hüfte diagnostizierte.

Wie viele Hunde leben mit Ihnen, liebe Frau Gries?

Elisabeth Gries: Wir haben insgesamt 4 Hunde. Den ersten Hund, meinen Berner Sennenhund Loki, habe ich 2007 von einem Züchter geholt. Die zweite Hündin kommt aus Mallorca aus dem Tierschutz. Sie ist ein Podenco-Mix und kam im Winter 2008 zu uns. Was hat sie hier erst einmal gefroren, in ihrem ersten Winter. 2011 kam dann Shiva, sie ist aus der Initiative Berner-Sennen-in-Not. Das ging ganz schnell. Ich bekam einen Anruf und wurde gefragt: „Kannst du einen Hund nehmen?“ Und wir haben spontan ja gesagt. So kam also Shiva zu uns. Wahrscheinlich ist sie misshandelt worden. Das haben wir gemerkt, als mein Mann ihr ein Kommando gab, nämlich „Sitz“. Dabei hob er den Finger, weil wir die Hunde grundsätzlich auch mit Zeigekommandos trainieren. Dann ist Shiva unter den Tisch gekrochen vor Angst. „Die ist misshandelt worden“, sagte ein Trainer von uns, der das mit ansah. Sie kannte auch nichts weiter als Zigarettenlängenspaziergänge. Sie hat sich beeilt, ganz schnell auf dem nächsten grünen Fleck ihre Geschäfte zu erledigen.

Heute ist sie fast 14 Jahre alt und fühlt sich bei uns wohl. Altersbedingt hat sie ein paar Knieprobleme, aber sie ist in einem guten Zustand. „Die wird 17“, ist die Prognose der Tierärztin. Thor ist unser Jüngster. Er kam aus Ungarn, und zwar im Bauch seiner Mama. Er ist in Deutschland auf die Welt gekommen und wurde mit der Hand aufgezogen. Da haben wir ihn aufgenommen. Da wir ja die Eltern nicht kannten, wussten wir auch nicht, wie Thor einmal aussehen oder wie groß er werden würde.

Thor, so heißt der gewaltige Gott des Donners. Wie groß ist Thor denn geworden?

Elisabeth Gries: Er ist so fast groß wie ein Berner. Loki hat 67 cm Schulterhöhe. Wir vermuten, es handelt sich bei ihm um eine Mischung zwischen Sennenhund, Puli und Wolfshund.

vorne: Thor, dahinter: Loki

Wann haben Sie zum ersten Mal gedacht, es könnte etwas nicht stimmen?

Elisabeth Gries: Irgendwann haben wir gemerkt, dass er so komisch hüpft. So ungefähr im Januar oder Februar ist es uns aufgefallen, da war er sieben, acht Monate alt. Das muss man sich so vorstellen: er hüpft wie ein Känguru. Wenn er hinten schneller wird, dann galoppiert er nicht wie die anderen, er nimmt beide Hinterläufe gemeinsam hoch und belastet nach vorne hin. Ich hab noch einen zweiten Hund mit HD, Loki läuft aber anders. Am Anfang fanden wir es sogar lustig – aber es war schon speziell.

Was haben Sie dann gemacht?

Elisabeth Gries: Als ich mit einem der anderen Hunde zur Tierärztin musste, habe ich Thor einfach mitgenommen. Meine Tierärztin hat gesagt, wir röntgen einfach mal die Hüfte. Nicht speziell für HD – denn dazu hätten wir ihn sedieren müssen. Wir haben ihn nur auf die Schnelle geröntgt. Also wir haben den Hund beide festgehalten und das Bild gemacht. Einfach um uns einen ersten Eindruck zu verschaffen. Ich kam dann später in den Nebenraum mit dem Computer als die Aufnahmen fertig waren. Meine Tierärztin schaute mich nur an, ich erinnere mich noch an den Blick. „Ist es so schlimm?“ habe ich gefragt. „Schlimmer“, sagte sie.

Wie war die Diagnose?

Elisabeth Gries: Beidseitige schwerste HD, das heißt die Hüftgelenkspfanne ist nicht vollständig ausgebildet bei beiden Hüften. Da ist quasi nichts da, es gibt kaum Halt im Gelenk. „Geh mit ihm ganz normal spazieren, schau, dass er ein wenig Muskeln aufbaut und dann schauen wir, dass er operiert wird“, sagte die Tierärztin zu mir. Sie hat mittlerweile mit einem Spezialisten gesprochen, der sich die Röntgenbilder angesehen hat. Thor bekommt eine künstliche Hüfte, da führt kein Weg dran vorbei. Für alle anderen Optionen ist der Befund zu schlecht. Nur, er muss für die Operation ausgewachsen sein, aber er ist Mischling – ich weiß es also nicht. Die Mutter war schon vermittelt, aber vom Erzählen her war sie kleiner als er.

Thors Röntgenbild

Wie leben Sie nun mit ihm?

Elisabeth Gries: Ich bin ja schon hart im Nehmen – aber mir tut der arme Kerl leid. Der ist noch nicht mal erwachsen und kann noch gar nicht richtig laufen. Er will ja spielen – aber ich muss ihn bremsen, weil er mir ansonsten zusammenbricht. Er bekommt ein Schmerzmittel, das speziell auf die Knochen wirkt. Jeden Tag eine halbe Tablette. Dazu bekommt er noch Traumeel und Futterzusätze speziell für die Gelenke, die eigentlich für Senioren bestimmt sind. Er ist sehr wählerisch beim Essen, und deshalb kann ich ihn ganz gut reduzieren, denn Übergewicht wäre bei ihm nicht ratsam.

Und der Auslauf?

Elisabeth Gries: Ich habe ja noch die fast 14jährige Berner Sennenhündin mit Knieproblemen sowie einen Sennenhundrüden mit 12 Jahren und HD – mit denen geht er mit. Morgens gehen wir aus dem Haus. Wir wohnen glücklicherweise auf dem Land, gehen raus und sind in der Natur. Wir schlendern ganz gemütlich – uns überholt eigentlich alles. Unsere erste Station ist der Kuhstall der Nachbarin, da versucht das Rudel dann Milch abzugreifen. Dann geht es 300 Meter weiter zum anderen Nachbarn. Dort machen wir die zweite Pause. Ein paar 100 Meter weiter ist ein Ententeich, da geht Shiva gerne schwimmen. Wir stehen also immer da und warten. Dann gehen wir weiter auf die Wiese an den Waldrand und lassen die Hunde laufen. Die Runde hat eine Länge von insgesamt vielleicht 2 km. Aber sie dauert ca. eine Stunde.

das Rudel

Das Leben besteht im Moment also im Warten auf den OP-Termin. Was machen Sie in dieser Zeit?

Elisabeth Gries: Ich habe eine Tierphysiotherapeutin, die ins Haus kommt. Sie behandelt das Rudel. Dabei wird unter anderem Akupressur angewandt. Aber danach blüht Thor richtig auf. Wir bringen ihm auch bei, auf dem Balancekissen zu stehen um seine Hinterhand zu stärken. Das braucht er nach der OP, um die Muskulatur wieder aufbauen und wenn wir es jetzt schon üben, dann fühlt er sich nach der Operation davon nicht zusätzlich gestresst. Dann kennt er es schon. Ebenso üben wir bereits mit ihm seine Box zu benutzen, um ihn danach beschränken zu können.

Wann findet die OP denn statt?

Elisabeth Gries: Wenn er 15 Monate alt ist. Wir gehen zur Uniklinik nach München. Sehr viele Leute raten: „Nehmt einen Mischling, die sind gesund, die haben nichts.“ Aber das stimmt eben nicht. Sein Bruder hat auch Hüftprobleme, die anderen drei Welpen des Wurfes sind gesund. Im Moment können wir ihn nur begleiten und hoffen, dass er nach seiner Operation ein gesundes, normales Hundeleben führen darf. Er tut einem halt nur so wahnsinnig leid. Er ist ja jung und möchte spielen, laufen, wild sein. Aber sein Körper lässt es nicht zu. Er macht immer Ansätze, aber es geht eben nicht. Wir vermuten aufgrund der schmerzenden Hüfte liegt er am liebsten kühl. Wir werden ihn aber auf jeden Fall auf seinem Weg begleiten und alles tun, um ihm zu helfen.

Thor

Liebe Frau Gries, vielen Dank für das ausführliche Gespräch.


Dieses Interview stammt aus der HundeWelt.

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