Einsatz auf vier Pfoten! | Teil 43
In den letzten warmen Tagen Anfang November 2002 verabschiedeten sich immer mehr Kollegen. Fast täglich gab es Fare Well Partys der unterschiedlichen Länderkontingente, die zumeist wehmütig, mitunter auch tränenreich verliefen.
Ersatz kam keiner mehr,
die UN-Mission sollte zum Jahreswechsel enden und das Mandat an die Europäische Union übergeben werden. Nachdem die Hunde unserer Staffel ihre Prüfungen bestanden hatten, trainierten Jan und ich sie zwar weiter, aber das definierte Ziel, die Prüfungen, war nun davon abgelöst worden, die Mission zu einem guten Ende zu bringen.
Wir fuhren mit den Hundeführern Streife und begleiteten sie bei ihren Einsätzen, die schon bald von Erfolgen gekrönt wurden. Schäferhund Pablo folgte der Fährte eines zu Fuß fliehenden Autodiebes und stellte ihn auf einem verlassenen Fabrikgelände, wo sich der Täter versteckt hatte. Und Labrador Medo glänzte als einziger Drogenspürhund in Nordbosnien durch diverse Rauschgiftfunde zwischen zwei Gramm Haschisch und knapp einem Kilo Heroin.
Einmal noch hatte ich die Möglichkeit,
für wenige Tage nach Deutschland zu fahren. Ich ließ nur noch das Notwendigste in meiner Wohnung in Bihac, den Rest packte ich in den Kofferraum meines alten Autos, damit das Handgepäck für den Rückflug nicht zu groß und schwer wurde. Die geretteten Welpen daheim hatten längst ihre Augen geöffnet und waren zu strammen Kerlen herangewachsen. Der Garten war verwüstet, die jungen Obstbäume durch spitzige Zähnchen gefällt, beim Gehen musste ich aufpassen, nicht in ein Buddelloch zu treten.
Aber Mama Enny sah bei Weitem nicht mehr so ausgemergelt aus und freute sich überschwänglich, mich wieder zu sehen. Anna hatte sich mit dem Tierschutzverein zusammen getan, weshalb schon für jeden einzelnen Hund ab der neunten Lebenswoche mindestens ein potentielles Frauchen oder Herrchen in den Startlöchern stand. Als ich das letzte Mal die Rückreise antrat, war mir schweren Herzens bewusst, dass ich die Rasselbande wohl nicht mehr sehen würde.
Eigentlich war es schon viel zu kühl an diesem Abend,
aber die Hundeführer besorgten heute einen Grill, Lammkoteletts und einige Flaschen des obligatorischen Slivovic. Auch ich freute mich über ihre Erfolge, aber richtige Partystimmung wollte bei mir nicht aufkommen. Denn an diesem Abend endete meine Mission in Bosnien-Herzegowina. Am 22. Dezember um zehn Uhr hob unser Flugzeug von der Startbahn ab und zog eine enge Schleife über das verschneite, in seinem Dunstschleier verschwindende Sarajevo. Der Himmel über uns war tiefblau, die Sonne strahlte. Ich wollte nicht nach Hause. Ich wollte da bleiben, wo in den letzten Monaten ziemlich viel Daheim gewachsen war. Doch meine Zeit in Bihac war vorbei. Ich musste nach vorne schauen. Dafür musste vor allem einer neuer Diensthund für mich gefunden werden.
Kurz nach Weihnachten rief mich ein Kollege an.
„Hallo Elmar, hier ist der Leo!“
Auch während meiner Zeit in Bihac hatten wir Kontakt gehalten. Ich mochte Leo. Davon abgesehen hatte er mit Bux vom Maibach einen großartigen Hund.
„Ich habe gehört, du kommst demnächst wieder zum Dienst?“, fragte Leo.
„Das ist richtig.”
Leo redete nicht lang um den heißen Brei herum „Dann brauchst du einen neuen Hund.”
„Noch mal Treffer.”
„Ich wüsste einen für dich.“
„Aha? Erzähl’, ich bin gespannt! “ Leo hatte schon immer ein gutes Händchen bei der Auswahl potentieller Diensthunde.
„Es ist ein Schäferhund. Allerdings schon gut fünf Jahre alt. Dafür bereits voll ausgebildet. Du kennst ihn …“
Ich überlegte.
Seinen eigenen konnte er nicht meinen, auch wenn er in diesem Alter sein musste. Bux war ein Traumhund, so, wie ich mir einen Schäferhund vorstellte. Stattlich, aber nicht übergroß, weitgehend schwarzes, nicht zu kurzes Fell, mit einer Ausstrahlung, die jedem sofort Respekt einflößte. Bester sämtlicher Lehrgänge, die Leo mit ihm absolviert hatte. So einen Hund gibt man nicht her. Hatte womöglich ein anderer Kollege die Hundeführerei aufgegeben? Ich war nicht mehr auf dem Laufenden.
„Ich rede vom Buxi“, sagte Leo, und mir verschlug es die Sprache.
„Elmar, du weißt doch, ich habe mir inzwischen einen Welpen, den Flint, groß gezogen“, fuhr Leo fort. „Flint kommt meinen persönlichen Vorstellungen näher. Das klingt komisch, ich weiß, aber irgendwie stimmt die Chemie zwischen Flint und mir mehr. Die Bindung ist sehr eng. Der Kleine wäre jetzt so weit, dass er Diensthund werden könnte. Aber eben nur, wenn jemand anderer aus unserer Staffel Buxi übernimmt.“ Für den Moment ging mir das zu schnell. Eigentlich hatte ich drei Wochen Urlaub vor mir, danach wollte ich in aller Ruhe suchen.
„Mir fällt das nicht leicht, Elmar.“
Leo stockte. „Deshalb kommt für mich nur einer aus der Staffel in Frage, und das bist du! Bei dir hätte Buxi es gut, da bin ich mir sicher.“
Meine Stimme klang plötzlich rau. „Danke Leo.” Ich wusste sehr genau, was es bedeutete, wenn man seinen Hund einem anderen Menschen anbot. Konnte es einen größeren Vertrauensbeweis unter Hundeführern geben?
Leo räusperte sich. „Ich glaube, du und Buxi, ihr zwei würdet prima zusammenpassen. Mit ihm wärst du auch sofort einsatzbereit. Du kannst es dir ja mal überlegen.“
Leo hatte mit allem Recht. „Ich glaube, das brauche ich nicht. Es wäre dumm, dein Angebot abzulehnen. Allein, wenn ich daran denke, wie viele Hunde auf Probe ich schon zurückgeben musste. Das will ich nicht wieder durchexerzieren.”
Leo seufzte. „Ja, so geht es vielen von uns. Ich hab’ echt Glück gehabt mit meinem Flint. Da hat alles auf Anhieb gepasst.”
„Sympathisch war mir Buxi schon immer.“
„Eben“, Leo hörte sich erleichtert an. „Also frage ich morgen den Chef? Ich wollte erst deine Zustimmung einholen.“
„Die hast du, Leo. Ja, frag’ den Chef. Und … danke!“
Hier erfährst du, wie es weitergeht.
Elmar Heer arbeitet seit 40 Jahren als Polizeibeamter. 1990 wechselte er vom Streifendienst zur Diensthundestaffel Mittelfranken. Schon früh entdeckte er seine zweite Leidenschaft: das Schreiben. Mit seinem Buch „Partner auf Leben und Tod“, erschienen bei Droemer-Knaur, gewährt der Autor dem Leser einen Einblick in Leben und Arbeit eines Polizeihundeführers. Er erzählt über seine Aufgaben als Hundeführer, die umfangreiche Ausbildung von Polizeihunden und über spannende, heitere und auch tragische Einsätze, die er mit seinen Schäferhunden Gundo, Bux, Carina und Sam erlebte.
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