Einsatz auf vier Pfoten! | Teil 12
Das Fachkommissariat für Rauschgiftdelikte hatte den Mann schon lange im Visier. Er stand im Verdacht, den Markt mit hochreinem Heroin zu versorgen – zu rein, denn mit einer derartigen Konzentration des Stoffes hatten einige Süchtige nicht gerechnet. Im Vertrauen auf die handelsübliche Beimischung von Streckungsmitteln wie Paracetamol, Backpulver, Vitamin C oder gar Strychnin auf zwanzig bis dreißig Prozent Heroingehalt hatten sie sich ungewollt Überdosen gespritzt, die bei zwei von ihnen zur Atemlähmung und damit zum Tod führte. Ein weiterer lag seit seinem letzten „Schuss“ im Koma.
Bringt die Hausdurchsuchung Ergebnisse?
Die von der Staatsanwaltschaft angeordnete Wohnungsdurchsuchung verlief anders als sonst. Obwohl das Stückchen Haschisch unübersehbar in einer Schale auf dem Sideboard lag, zeigte es Buxi nicht an. Er ignorierte es. Stattdessen stieß er die nur angelehnte Tür zum Schlafzimmer auf und verschwand darin. Merkwürdig, eigentlich suchte er wie immer, aber wonach? Haschisch schien es wohl nicht zu sein. Etwas polterte im Schlafzimmer, ehe ich dessen Türe erreichen und vollständig öffnen konnte. Bux vergnügte sich mit einer kniehohen Porzellanvase, rollte sie quer durch den Raum. Eine offenbar alte Socke fiel heraus, Buxi packte und schüttelte sie begeistert.
Socken sind gefährlich!
Auch das noch! Er liebte alte Socken. Daran war ich schuld: ich hatte sie ihm von klein auf in sein Körbchen gelegt, um ihn mit meinem Geruch vertraut zu machen. Ein vielleicht alberner, jedenfalls gar nicht nötiger Trick, der sich zudem nun als Fehler entpuppte. Verlegen schaute ich über meine Schulter, doch die Kollegen warteten offenbar weiterhin im Treppenhaus.
So blieb mir wenigstens die Peinlichkeit erspart, ihnen das Verhalten meines Hundes erklären zu müssen. Mit spitzen Fingern nahm ich Bux die Socke ab, die einen säuerlichen Geruch verströmte und ließ sie angeekelt aufs Bett fallen. Der Inhaber litt offenbar an extremen Schweißfüßen. Mein Hund widmete sich trotzdem wieder der Vase, steckte seine Schnauze tief in deren Öffnung und wedelte erfreut mit dem Schwanz. Ein Blick in das Gefäß bestätigte meine Befürchtung: da waren noch mehr Socken!
Was hatte es mit dem Kaffee auf sich?
Waren die wirklich der einzige Grund, der Buxi so in Euphorie versetzte? Ich zog meine dünnen Lederhandschuhe straffer, krempelte die Ärmel zurück und angelte einen stinkenden Socken nach den anderen aus der Vase. Darunter tauchte nun grobes, dunkelbraunes Pulver auf. Kaffee! Ein beliebtes, wenn auch unwirksames Mittel, den Geruch von Rauschgift zu kaschieren.
Eine heiße Spur
Ich ahnte bereits, dass ich meinen Hund unterschätzt, ihm gedanklich geradezu Unrecht getan hatte. Während ich den verbliebenen Inhalt der Vase vorsichtig auf den Boden leerte, hörte ich die Stimme von Berny, meinem damaligen Ausbilder während des ersten Lehrgangs für Rauschgiftspürhunde: „Du musst deinem Hund vertrauen!“ Ein Grundsatz für Diensthundeführer, den ich manchmal vergaß. Wie recht Berny doch hatte: das Kaffeepulver war durchsetzt mit sogenannten Plomben, zusammen gedrehten Cellophanstückchen, verkaufsfertig befüllt mit jeweils einer Ration Heroin.
Dutzende davon. Den säuerlichen Geruch strömten nicht die Socken, sondern das Rauschgift aus. Ich konnte nicht anders: mit einem Satz war ich bei Buxi, klopfte ihn und durchwuschelte sein Fell, rief fortwährend „suuuper!“, „feiiiin gemacht!“, „priiimaaa!“, und tobte mit ihm hinüber ins Wohnzimmer, um seinen Fund nicht doch noch über den Schlafzimmerboden zu verteilen. „Alles in Ordnung bei euch?“, hörte ich Andys hallende Stimme aus dem Treppenhaus. Ich hielt kurz inne, fand meinen Superhund bei Weitem noch nicht genug gelobt, und antworte nur schnell: „Ja, alles gut! Komme gleich!“ Und es war mir egal, ob mich die Kollegen für verrückt geworden hielten.
Eine Überraschung
Buxi, angesteckt von meinem Überschwang, nutzte die Gelegenheit und preschte hinaus in den Flur. Er steuerte direkt das Sideboard an, richtete er sich daran auf und stupste, wild wedelnd, mit seiner Nase fortwährend an die Plastikschale mit dem Haschisch, so, als wollte er mir mitteilen: „Guck mal! Da ist noch was! Da ist noch was!“ Nun war ich vollends baff. Buxi hatte vorhin dieses kleine Stückchen Haschisch nicht nur registriert, sondern sich sogar gemerkt, wo es war! Warum er es mir nicht sofort gezeigt hat, wird mir immer ein Rätsel bleiben.
Der Fisch ist im Netz
Andy war nicht weniger begeistert, als ich ihm unseren Fund präsentierte: „Jetzt haben wir ihn. Wow, jetzt haben wir ihn, jawohl!“
Er fiel sogar auf die Knie, aber nicht vor Bewunderung, wie ich einen Moment lang hoffte, sondern um die im Kaffee sichtbaren Plomben zu zählen, ohne sie zu berühren. Schließlich waren sie mögliche Spurenträger, außerdem musste die Situation erst einmal fotografiert werden. Als Andy aufstand und mich anschaute, sah ich ihm die Erleichterung an. Eine große Last schien von ihm abgefallen zu sein. „Das sind mit Sicherheit mehr als siebzig Plomben, Elmar. Damit können wir dem Typen endlich den Handel nachweisen. Durchaus möglich, dass dein Hund dem einen oder anderen Junkie nebenbei das Leben gerettet hat.“ Das war mir beinahe zu pathetisch, so kannte ich Andy gar nicht, aber letztendlich hatte er nicht unrecht. Mit einem vorsichtigen Blick auf Buxi, den ich vor dem Sofa hatte Platz machen lassen, fügte er noch hinzu: „Du kannst stolz auf ihn sein.“
Das war ich sowieso, aber ab heute noch mehr als bisher. „Nun braucht ihr aber noch den Dealer“, gab ich zu Bedenken, „wisst ihr, wo er ist?“ Andy nickte. „Unser Observationsteam hat ihn in der Innenstadt entdeckt. Er sitzt gemütlich in einem Café.“ Andy zückte sein Handy, wählte eine Nummer und sagte : „Okay, jetzt könnt ihr ihn festnehmen… Ja, genau… mindestens siebzig Plomben… nein, der Hund… ja, finde ich auch… bringt ihn ins Kommissariat. Bis gleich.“ In den folgenden Wochen und Monaten fiel auf, dass deutlich weniger Heroinsüchtige Opfer einer Überdosis wurden. Das Landgericht verurteilte den Drogendealer zu einer langjährigen Haftstrafe.
Hier erfährst du, wie es weitergeht.
Elmar Heer arbeitet seit 40 Jahren als Polizeibeamter. 1990 wechselte er vom Streifendienst zur Diensthundestaffel Mittelfranken. Schon früh entdeckte er seine zweite Leidenschaft: das Schreiben. Mit seinem Buch „Partner auf Leben und Tod“, erschienen bei Droemer-Knaur, gewährt der Autor dem Leser einen Einblick in Leben und Arbeit eines Polizeihundeführers. Er erzählt über seine Aufgaben als Hundeführer, die umfangreiche Ausbildung von Polizeihunden und über spannende, heitere und auch tragische Einsätze, die er mit seinen Schäferhunden Gundo, Bux, Carina und Sam erlebte.
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