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„Möge es Knochen vom Himmel regnen …“

Die Frau mit den 1000 Ideen

Sie scheint ein quirliges kleines Wunder. Christina Sondermann fällt nämlich anscheinend immer etwas ein. Langeweile? Eintönigkeit? Das ist nicht ihr Ding. So entwickelt sie mit Leidenschaft Spielideen, Beschäftigungsmöglichkeiten und sogar Turngruppen für Hunde.

Christina Sondermann: Sechs Bücher hat sie bereits veröffentlicht. Ihr Internet-Projekt SPASS-MIT-Hund ist vielen Hundebesitzern eine Inspiration – und regelmäßig geht’s aus dem Sauerland in die große weite Welt, um Hund und Mensch die Freude am verspielten Miteinander nahezubringen. Glück, Spaß und Spiel – das gehört für sie untrennbar zusammen. Grund genug, sie einmal näher kennen zu lernen. 

Liebe Frau Sondermann, Sie sprühen geradezu vor Ideen, wenn es darum geht, Hunde zu beschäftigen. Wie kam es dazu?

Christina Sondermann: Man wächst bekanntlich an Herausforderungen – und so war es auch bei mir. 1997 zog eine Laborbeagle-Hündin bei uns ein, die nach ihrer Entlassung aus den Diensten der Pharma-Industrie wenig kannte und konnte und vor vielen Dingen Angst hatte. Obwohl mit Vierbeinern aufgewachsen, habe ich damals erst angefangen, mich „richtig“ mit Hunden zu beschäftigen. Dabei fiel mir das wohl allererste Hunde-Spielebuch mit Ideen für zuhause in die Hände. Ich habe die Ideen mit meiner Beagle-Dame ausprobiert und war sofort Feuer und Flamme. Alles war so einfach, unkompliziert und fröhlich. Die kleinen Herausforderungen haben uns zusammengeschweißt und das Beaglemädchen mutiger gemacht. Davon inspiriert habe ich angefangen, Ideen weiter zu entwickeln, aufzuschreiben und im damals noch ganz jungen Internet zu veröffentlichen.

Alles war so einfach, unkompliziert und fröhlich.

Erinnern Sie sich noch an Ihr erstes selbst erfundenes Spiel?

Christina Sondermann: Ich glaube, es war eine zusammengerollte Isomatte, die nach Entfernung des Verschlussgurtes zur schwabbeligen Tunnelröhre und damit Mutprobe in einem Wohnzimmer-Parcours wurde. Ihre Frage macht mir gleich Lust, diese fast vergessene Matte mal wieder hervor zu holen. Ich denke, man könnte die aufgerollte Matte auch wunderbar aufrecht hinstellen und von oben ein Stückchen Futter hineinfallen lassen. Oder man legt sie quer auf den Boden und verstaut in den Windungen der sich wieder zusammenbiegenden Matte ein paar Futterbröckchen zum Herausarbeiten …

Und auch an den Moment, an dem Sie realisierten, dass Sie offenbar eine kreative Gabe haben, die nicht jeder hat?

Christina Sondermann: Ich bin überzeugt, dass in jedem Menschen ein kreativer Geist steckt. Er will nur geweckt werden. Ich habe das unverschämte Glück, meine Kreativität privat wie beruflich immer wieder trainieren zu dürfen. Und apropos Kreativität: Diese auch in den Hunden zu wecken und spielerisch neue Facetten ihrer Persönlichkeit herauszukitzeln und erlebbar zu machen – das ist meine Mission!

Die kleinen Herausforderungen haben uns zusammengeschweißt und das Beaglemädchen mutiger gemacht.

Wäre das Leben eine Farbe, so wäre es…? Warum?

Christina Sondermann: Frei nach Walter Gropius (dem Architekten und Bauhaus-Begründer): Bunt ist meine Lieblingsfarbe! Bunt ist vielfältig, lebendig, macht gute Laune und beflügelt die Fantasie! 

Können Sie mit jedem Hund spielen oder haben Sie auch schon einmal echte Spielmuffel erlebt, wo gar nichts ging? 

Christina Sondermann: Wenn Hunde sich so gar nicht auf das Miteinander einlassen können, dann stecken sie meiner Erfahrung nach in einer psychischen oder physischen Ausnahmesituation: stehen beispielsweise unter extremem Stress oder haben Schmerzen. Hier müssen wir erst Abhilfe schaffen, ehe wir loslegen. Aber dann begeistern sich alle – das kenne ich gar nicht anders! 

Was zieht Ihrer Erfahrung nach immer?

Christina Sondermann: Das Meistern kleiner spielerischer Herausforderungen – sei es das Ertüfteln des Öffnungsmechanismus‘ eines intelligenten Hundespiels oder das Balancieren über einen knisternden und/oder wackligen Untergrund – scheint für die Hunde regelrecht „magisch“ zu sein. Von diesem Gefühl der Selbstwirksamkeit wollen sie gern mehr erleben. Und na klar motiviert es sie auch, sich dabei ein paar besonders gute Leckerbissen verdienen zu können. 

Alles, was NEU und ANDERS daher kommt als das Altbekannte bringt das Gehirn in Schwung – und ein bewegtes Gehirn schützt vor geistigem Verfall.

Und was kann ich mit meinem Hund unkompliziert auf dem Spaziergang spielen, so dass es nicht so langweilig wird?

Christina Sondermann: Ich bin ein großer Fan davon, die Hunde nach Herzenslust schnüffeln und erkunden zu lassen. Dazu unterwegs Fremde und Freunde zu treffen – das alles ist bestes Gehirnjogging! Wer den Hunden besondere Highlights bieten will, sucht gelegentlich ungewohnte Umgebungen mit ihnen auf (beispielsweise ein Gewerbegebiet oder die menschenleere Fußgängerzone frühmorgens) und geht mit ihnen dort auf Entdeckungstour. Darüber hinaus dann und wann ein kleines Suchspiel nach Futter oder Spielzeug einzubauen oder den Hund über einen Baumsteig oder eine niedrige Mauer balancieren zu lassen kommt gut an.

Haben Sie auch eine Idee für ältere Hunde?

Christina Sondermann: Grundsätzlich gilt: Hunde haben bis ins hohe Alter Freude daran und sind auch fähig dazu, Neues zu lernen. Und man sollte wissen: Alles, was NEU und ANDERS daher kommt als das Altbekannte bringt das Gehirn in Schwung – und ein bewegtes Gehirn schützt vor geistigem Verfall. Hundesenioren profitieren davon und freuen sich darüber, das Futter aus Kauspielzeugen, Packpapier und Kartons oder zusammengelegten Decken herausarbeiten zu dürfen, sich regelmäßig an neuen Knobelspielen auszuprobieren oder in einem Wohnzimmer-Parcours ungewohnte Bewegungsabläufe zu erfahren (Beispiel: Futterspur über eine Taststraße aus unterschiedlichen Untergründen). 

Haben Sie einen Tipp, wie jeder Hundebesitzer selbst Spiele erfinden kann?

Christina Sondermann: Ich rege immer dazu an, sich einen einzigen Alltagsgegenstand zu nehmen, beispielsweise einen Karton oder einen Eimer, dazu eine Hand voll Futter – und diesen Gegenstand dann regelrecht zu bespielen. Aufgabe für den Hund wäre jeweils, an ein im oder am Eimer verstautes Stück Futter zu gelangen, während die Öffnung nach oben oder unten zeigt, der Eimer auf der Seite liegt, die Öffnung zusätzlich mit einem Wasserball oder einer Decke verstopft ist, der Eimer an einem Seil durch den Henkel ein Stück über dem Boden schwebt und so weiter …

Und wenn wir von freiem Spiel reden im Sinne davon, mit dem Hund sinn- und zweckfrei herumzualbern, dann wirkt das im hohen Maße angst- und stresslösend.

Hunde, die unter Stress sind verlieren ihr Spielverhalten. Kann Spielen auch heilen? Haben Sie das schon einmal erlebt?

Christina Sondermann: Spielen im Sinne von kleinen Herausforderungen, die die Hunde begleitet von ihren Menschen selbständig meistern (Beispiel: ein Stückchen Futter unter einem umdrehten Becher herausarbeiten), beschert Erfolgserlebnisse und macht die Hunde mutiger und optimistischer. Ich freue mich, diese therapeutischen Wirkungen regelmäßig in Mutmach-Spiele-Tagen für ängstliche Hunde weitergeben und neu erfahren zu dürfen. Und wenn wir von freiem Spiel reden im Sinne davon, mit dem Hund sinn- und zweckfrei herumzualbern, dann wirkt das im hohen Maße angst- und stresslösend. Es gilt dabei, kleinste vom Hund gezeigte Ansätze zu erkennen und vorsichtig aufzugreifen.

Wenn Sie drei Wünsche frei hätten – was würden Sie sich wünschen für die Hunde auf dieser Welt?

Christina Sondermann:

  • Menschen, die achtsam und rücksichtsvoll mit ihnen umgehen
  • Eine gesunde Psyche, die sie stark gegen die Widrigkeiten des Alltags macht 
  • Und überhaupt, ganz im Sinne der Hunde und frei nach der Buchautorin und Hunde-Expertin Suzan Clothier: Es möge Knochen vom Himmel regnen!

Liebe Frau Sondermann, vielen Dank für das nette Gespräch. 

Wer traut sich in die Tiefen des Eimers? Kleine Herausforderungen stärken die Psyche – und schweißen Hund und Mensch als Team zusammen.
Geistige Anregung kann so einfach sein: Je nachdem, wie eine Wolldecke zusammengelegt, -gefaltet oder -gerollt wird, entstehen  immer andere Schnüffelverstecke für Futterbröckchen.
Eben noch ein Alltagsgegenstand, jetzt ein Hunde-Turngerät: In diesem Parcours aus Besen- und Schrubberstielen einer Futterspur zu folgen, fördert die Körperkoordination und das bewusste Einsetzen der Hinterhand.
Jetzt geht der Eimer in die Luft – und Leckerbissen oder Spielzeug darin werden schwerer erreichbar: Wer mit den Materialien spielt, wird immer neue Möglichkeiten entdecken, dem Hund Gehirnjogging zu bieten.
Bunt, fröhlich, kostenlos: In eine flache Kunststoffbox werden Wasser und ein paar Leckerbissen gefüllt. Je nach Konsistenz schwimmen die Futterbröckchen oben oder gehen unter – oder werden gar in Spielzeug-Schiffchen oder Plastik-Schälchen zu Wasser gelassen.

Fotos: Sondermann

Die Frau mit den 1000 Ideen

Kontakt zu Frau Sondermann findest du folgendermaßen:
Webseite: www.spass-mit-hund.de
Facebook: www.facebook.com/spassmithund
eMail: info@spass-mit-hund.de

Foto: Christoph Henke

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