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Einsatz auf vier Pfoten! | Teil 7

Seine Schnauze war grau geworden, und manchmal, wenn das Licht in einem bestimmten Winkel in seine Augen fiel, war darin ein bläulicher Schimmer zu sehen. Harmlose Alterserscheinungen. Dass sich diese in den letzten Wochen auch zunehmend körperlich bemerkbar machten, wollte ich zunächst nicht wahrhaben. War es nicht erst kürzlich gewesen, als er über den hüfthohen Zaun gesprungen war, als wäre er ein junger Hund, um der Nachbarskatze zu zeigen, wo es langgeht?

Abschied

Dass es ihm jetzt schwerfiel, in die Box des Streifenwagens zu springen, lag bestimmt nur am vorangegangenen langen Winter. Mit elf Jahren war Gundo zwar nicht mehr der Jüngste, aber ich hatte schon von Schäferhunden gehört, die fünfzehn Jahre und älter geworden sind. Der ganze Sommer lag nun vor uns, die Wärme würde seinen Knochen und Gelenken gut tun. Trotzdem war ich gestern beim Tierarzt gewesen.

Ich hatte beim Spaziergang Blutspuren in Gundos Kot bemerkt. Doch der Doktor hatte mich beruhigt, sowas könne schon mal vorkommen, wenn eine Ader platze. Nichts Ungewöhnliches oder Besorgniserregendes. Er gab mir ein paar Tabletten mit und meinte, ich solle nächste Woche noch mal kommen, wenn es nicht besser werde.

Eine Stunde später hing Gundo in der Tierklinik am Tropf

Gundo hatte schon ganz andere Sachen überstanden. Damals, als ich noch regelmäßig den Pferdestall meines Freundes Hannes besuchte, hatte er heimlich eine Dose Hufpflegefett leer geleckt. Ich hatte mich einerseits gewundert, dass ihm dies überhaupt schmeckte, und andererseits geärgert, denn eine unruhige Nacht dank des befürchteten Durchfalls stand zu erwarten.

Doch schon am Abend hatte Gundo apathisch gewirkt, nicht fressen wollen, nicht Gassi gehen. Ich hatte Hannes angerufen und mir die Inhaltsstoffe des Hufpflegemittels vorlesen lassen. Neben Vaseline, verschiedenen Ölen und Kräuterextrakten ein Frostschutzmittel, das das Einfrieren des Fettes verhindern sollte. Glykol! Spätestens seit dem österreichischen Weinskandal war bekannt, dass es zum einen süß schmeckt und zum anderen massiv die Nieren schädigt. Eine Stunde später hing Gundo in der Tierklinik am Tropf. Drei Tage musste er bleiben, dann durfte ich ihn „wie neu“ wieder abholen.

Immer wieder gab es Probleme

Ein Jahr später überlebte er auch seine nächste schwere Krankheit. Ich hatte ihn gerade gefüttert, als er plötzlich versuchte, sich zu übergeben. Für einen Hund normalerweise kein Problem, kommt schon mal vor. Doch er quälte sich damit, erfolglos, als wäre seine Speiseröhre verstopft. Abgeschnürt! Wie nahe ich mit diesem Eindruck der Wirklichkeit kam, stellte ich fest, als sich Gundo bald vor Schmerzen wand und seine Taille binnen Minuten anschwoll. Das alles waren Anzeichen einer Magendrehung!

Der Magen eines Hundes hängt frei im Bauchraum zwischen Speiseröhre und Darm. Insbesondere große Hunde und solche mit tiefem Brustkorb laufen deshalb Gefahr, dass sich der Magen bei einer ungünstigen Bewegung um die eigene Achse dreht – und damit Ein- und Ausgang verschlossen werden. Die Eingeweide gasen nun auf und drücken auf alle sie umgebenden Organe. Ein Vorgang, der innerhalb von zwei bis drei Stunden zu einem qualvollen Tod des Tieres führt.

Unter Missachtung sämtlicher Verkehrsvorschriften war ich zur Tierklinik gerast.

Unter Missachtung sämtlicher Verkehrsvorschriften war ich zur Tierklinik gerast. Dort angekommen hatte Gundo schon nicht mehr aus eigener Kraft aufstehen, geschweige denn aus dem Auto springen können. Im Laufschritt hatte ich ihn hineingetragen, ihn auf den Edelstahltisch im Röntgenraum gelegt. Eine Aufnahme hatte genügt, um die Diagnose zu bestätigen. Gut eine Stunde später, die ich mit Bauchgrimmen und nervös im Kreis laufend im Wartezimmer verbracht hatte, durfte ich in das erleichterte Gesicht des Tierarztes schauen. Die Operation war ohne Komplikationen verlaufen. Folgeschäden waren dank der Früherkennung nicht zu erwarten. Es war alles gut gegangen. Wieder einmal. So würde es auch diesmal sein. Vielleicht war es Zweckoptimismus, jedenfalls wollte ich nicht wahrhaben, dieses unerträgliche Gefühl nicht zulassen, dass sich mein bester Freund und ständiger Begleiter womöglich anschickte, mich für immer zu verlassen. Eine erneute Drehung des Magens war ausgeschlossen, schließlich war der bei der Operation seitlich angenäht worden. Nein, alles würde gut werden. Auch diesmal.

Ein trauriger Tag

Leises Winseln weckte mich bei Sonnenaufgang. Gundo, der die ganze Nacht auf seinem Lammfell neben dem Bett scheinbar ruhig verbracht hatte, versuchte aufzustehen. Es gelang ihm nicht. Behutsam nahm ich ihn in meine Arme, hob ihn hoch, trug in vorsichtig in den Garten und legte ihn ins Gras. Mühsam hob er den Kopf, seine angstvoll geweiteten Augen suchten meinen Blick.

Die Seele zum Bersten gespannt, erschüttert bis in die letzte Faser meines Körpers, setzte ich mich zum ihm. Hilflos. Ich bettete seinen Kopf in meinen Schoss, redete flüsternd auf ihn ein, graulte ihn. Wenige Augenblicke später holte er noch einmal tief Luft, ehe er mit einem leisen Stöhnen zum letzten Mal ausatmete. Eine Stunde lang blieb ich so sitzen. Ich, der schon leicht ergraute Polizeihauptmeister, saß da, streichelte meinen toten Hund und weinte wie ein Kind. Und ich schämte mich nicht dafür.

Hier erfährst du, wie es weitergeht.

Elmar Heer arbeitet seit 40 Jahren als Polizeibeamter. 1990 wechselte er vom Streifendienst zur Diensthundestaffel Mittelfranken. Schon früh entdeckte er seine zweite Leidenschaft: das Schreiben. Mit seinem Buch „Partner auf Leben und Tod“, erschienen bei Droemer-Knaur, gewährt der Autor dem Leser einen Einblick in Leben und Arbeit eines Polizeihundeführers. Er erzählt über seine Aufgaben als Hundeführer, die umfangreiche Ausbildung von Polizeihunden und über spannende, heitere und auch tragische Einsätze, die er mit seinen Schäferhunden Gundo, Bux, Carina und Sam erlebte.



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