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Warum mag er dich mehr als mich?

Der Wettkampf tobt auch untereinander. Es kommt durchaus vor, dass sich Welpen an einen Menschen der Familie enger anschließen und zu den anderen Familienmitgliedern Abstand wahren. Vier Gründe, an denen das liegen kann.


„Ich habe mich anfangs immer schrecklich geärgert, dass meine Hunde besser auf meinen Partner hören, obwohl ich sie tagsüber gepflegt und gefüttert habe. Sobald mein Mann nach Hause kam, war ich abgeschrieben. Bei ihm hörten sie sofort, sie waren ganz heiß darauf, ihm zu gefallen. Vielleicht liegt es aber in der Natur bei uns Frauen, dass wir einfach nachgiebiger sind und nicht so konsequent. Und wir diskutieren einfach zu viel. Das Problem kennen auch viele Mütter. Anstatt klare Anweisungen zu geben, wird diskutiert. Meist hat dann der rebellische Teenager den längeren Atem oder aber, wie in meinem Fall, die Vierbeiner.“, sagt Sabine M.

Das Kindchen-Schema

„Eine Kombination von Merkmalen: kleine Nase, erhöhte Stirn, Pausbäckchen und groß-wirkende Augen wecken beim Menschen allgemein ein Fürsorge- und Schutzverhalten“, erklärt Barbara König, Verhaltensbiologin an der Universität Zürich das Phänomen des Kindchenschemas. Der Begriff wurde vom Verhaltensforscher Konrad Lorenz geprägt. Das genau geschieht im menschlichen Gehirn, wenn wir mit diesen Reizen konfrontiert werden.

Das Gehirn schickt Belohnungsreize

Man zeigte Mitgliedern einer Studie Bildern mit ausgeprägtem Kindchenschema und maß dabei ihre Hirnströme. Und in der Tat zeigte die neuronale Aktivität im Nucleus accumbens einen extrem starken Anstieg. Das ist die Hirnregion, die als „Belohnungszentrum“ bekannt ist. Aber auch andere Areale zeigten erhöhte Aktivität: die Aufmerksamkeit stieg an und der Bereich, der für Gesichterverarbeitung eine Rolle spielt. Die Forscher vermuten, die Ursache liegt daran, dass die Natur dafür sorgt, dass wir Menschen nicht anders können, als uns um das kleine, hilflos anmutende Würmchen zu kümmern und ihm damit das Überleben zu sichern. Und der kleine Welpe spricht das Kindchen-Schema auf allen Ebenen an. Und schon tappt man in die Verwöhnfalle.

Die Verwöhn-Falle

Würdest Du bitte herkommen… Ach, komm jetzt… Dann nicht – sollst ja auch Deinen Spaß haben. Erschrickt das Hündchen beim Einfahren des Zugs, wird er mitfühlend gestreichelt. Alles verständlich, aber alles falsch. Hunde brauchen Regeln zum Glücklichsein: Entweder darf der Hund nie aufs Sofa oder er darf es. Sobald er einmal darf, hat er ein Erfolgserlebnis und wird es erneut versuchen. Gleiches gilt für das abgebettelte Häppchen. Ein Hund hat schnell raus, bei wem er folgen muss: Bei dem, der Kommandos selbstbewusst durchsetzt und nicht bei dem, der nett mit ihm spricht und Flausen durchgehen lässt. Das beruhigende Streicheln am Bahnsteig verstärkt die Ängste des Hundes – am Besten steigt man einfach in die Bahn ein und lässt dem Hund keine Zeit zum Fürchten.

Schwarz ist Schwarz

Hunde sind von ihrem Verhalten her eindeutig. Schwarz ist für sie schwarz und weiß ist weiß, mit unterschiedlichen Farbtönen oder Grauschattierungen können sie nichts anfangen. Der Hund ist, obwohl ihm gern alle möglichen menschlichen Verhaltensweisen angedichtet werden, relativ einfach und schlicht gestrickt. Auch für ihn ist „Nein“ ein „Nein“ und ein „Ja“ definitiv ein „Ja“. Vielleicht, eventuell oder ein ausnahmsweise sind ihm fremd und nicht verständlich.
Kennt er sich nicht aus und kann nicht einschätzen, welches Verhalten, natürlicher Art oder erlernt, von ihm erwartet wird, flüchtet er sich in irgendeine Verhaltensweise. Er zappelt an der Leine oder vielleicht macht er sich klein und duckt sich. Diese Reaktion mag aus Hundesicht für die jeweilige Situation angemessen sein, ruft aber unter Umständen bei seinem Menschen eine Reaktion hervor, die die Unsicherheit des Hundes verstärkt. Nämlich dann, wenn der sich duckende Hund beispielsweise getröstet und bemitleidet wird.

Der Hund wird so für sein Verhalten belohnt und der Mensch hat eine Chance verpasst, dieses Verhalten durch ein anderes zu ersetzen. Hätte er ihn durch diese Situation ruhig hindurchgeführt, so hätte der Hund gelernt, wie man sich am Besten in dieser fremden Situation verhält. Und wie souverän und sicher sein Mensch ist, der ihn da so einfach durchführt. Denn jedes Lebewesen strebt Ausgewogenheit und eine gewisse Überschaubarkeit an. Insbesondere natürlich unser Hund, der es als soziales Wesen ursprünglich gewohnt ist, im Familienverband zu leben und dort eine gewisse Sicherheit erhält.

Der Hund mag Menschen, die eindeutig sind.

Aus diesem Grunde folgt der Hund natürlich gern dem Menschen, der für ihn leichter auszurechnen und dessen Reaktionen übersichtlich sind. Sollte man dies bei seinem Hund bemerken, ist man eingeladen, seine vielschichtigen Emotionen und Verhaltensweisen zu kontrollieren und für den Hund überschaubar und verlässlich zu machen. Dieser Umstand, in Verbindung mit dem höheren Einfühlungsvermögen, führt in diesem Bereich zu den Erfolgen.

Hier kommen vier Gründe, warum unser Welpe mehr auf „den Anderen“ hört:

  1. Inkonsequenz
    Mal wird etwas erlaubt, dann wieder ist es verboten. Der Hund weiß dann nicht, woran er ist.
  2. Unklare Signale
    Der Mensch redet zuviel und bettet das Kommando in komplette Sätze ein. Statt „Sitz“ sagt er „Jetzt setz dich mal schön hin und sei ganz brav“. Für einen Hund ist es leichter, kurze Sprachbefehle mit einem Verhalten zu kombinieren, als ganze Sätze zu dechiffrieren.
  3. Starke Gefühle
    Vor unserem Hund können wir nichts verbergen. Er riecht unsere Angst, spürt unsere Wut und unsere Aufgeregtheit. Rufen wir ängstlich „Hier“, wenn er sich zuweit entfernt, klingt unsere Stimme schriller, heller, und er riecht Angst. Diese Information ist aber ganz anders als das „Hier“ in der Hundeschule, das ruhig, entspannt und sicher von uns vorgetragen wird. Wer ein Problem damit hat, Gefühle aus dem Training herauszuhalten, profitiert von einer Hundepfeife. Ein Pfiff hat keine Emotion und klingt immer gleich.
  4. Die Verwöhn-Falle
    Das Kindchenschema in uns hat uns fest im Griff. Wir freuen uns, wenn wir unseren Welpen streicheln, belohnen und umhegen können. Was da hilft: Schauen Sie sich den Kleinen dabei einmal an. Welches Streicheln mag er – und was mag er nicht? Die meisten Menschen müssen lernen, sich zurückzunehmen.

Foto: AdobeStock_219769579.jpg


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