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Immer der Nase nach …

Ihr macht niemand so leicht etwas vor. Karina Kalks ist nicht nur selbst jahrelang erfolgreich im Rettungsdienst tätig – sie ist auch Gründerin der Mantrail Academy Austria. Die routinierte Einsatzhundeführerin blickt auf eine langjährige Erfahrung als Ausbilderin von Dienst- und Rettungshundeteams zurück und ist eine weltweit gefragte Referentin, wenn es um die Ausbildung von Suchhunden geht. Als zu Beginn des Jahres das Institut für Rechtsmedizin in Leipzig verkündete, Hunde könnten DNA riechen, da horchte sie auf. Sie sprach mit Claudia de la Motte über ihren Entschluss, diesen Versuch nachzustellen.

Erstmalig hat das Institut für Rechtsmedizin an der Universität Leipzig und der Hochschule der Sächsischen Polizei im Januar 2018 eine Studie vorgestellt, bei der dem Hund statt eines „normalen“ Geruchsgegenstands DNA aus Blut gewonnen, vorgehalten wurde. Und die Hunde der Studie haben, so die Ergebnisse, die Suchstrecken (Trails) erfolgreich absolviert und die betreffenden Personen gefunden. Was war Ihr erster Gedanke, Frau Kalkar, als Sie diese Studie gelesen hatten?

Karina Kalks: NIEMALS!!! Nämlich genau so… in Großbuchstaben! Das war ein Gedankenschrei in meinem Kopf. Das Studiendesign fand ich etwas seltsam…die Länge fand ich nicht aussagekräftig, und die Hunde mussten nur eine Richtung vorgeben, nicht ankommen.

Woher rührten Ihre Zweifel?

Karina Kalks: In der Studie steht nicht dezidiert, dass sie doppelblind ist. Die Auskunft über richtige oder falsche Entscheidung kam zu schnell. Die Länge sagt nichts aus, und die Trails waren frisch. 

Bausteine der DNA sind vier verschiedene Nukleotide, die jeweils aus einem Phosphat-Rest, dem Zucker Desoxyribose und einer von vier organischen Basen (Adenin, Thymin, Guanin und Cytosin, oft abgekürzt mit A, T, G und C) bestehen. Nichts davon bindet Aromaten – das heißt, DNA kann rein wissenschaftlich nicht riechen. Also weshalb sollte es funktionieren?

Wer kam zuerst auf die Idee, die Studie nachzustellen?

Karina Kalks: Das war meine Idee. Ich wollte eigentlich für mich beweisen, dass es nicht funktioniert.

Wie sind Sie vorgegangen? Woher kam die DNA? Wie wurde die Spur gelegt?

Karina Kalks: Die Tochter eines Mitglieds meines Einsatzteams ist Molekularbiologin. Sie wurde gefragt, ob sie für uns DNA extrahieren kann und hat dem zugestimmt. Also haben sie (die Tochter) und eine Kollegin von ihr ihre eigene DNA extrahiert. Mir war wichtig, dass hier absolut steril vorgegangen wird, und auch die jeweiligen Eprouvetten nicht kontaminiert werden. Sie haben also gegenseitig ihre DNA extrahiert und alles nur mit sterilen Handschuhen angefasst.

Die DNA war in Eprouvetten mit Bufferlösung. Wir haben die DNA dann mit sterilen Pipetten aus den Eprouvetten gezogen und auf sterile Gaze aufgetraufelt. Diese Gaze kamen mit den verwendeten Pipetten in Zipp Beutel und wurden so den Hunden vorgehalten. Die beiden haben dann die Trails gelegt. Es waren 6 Hunde am Start, und es gab 3 Ausgangspunkte. Von jedem Ausgangspunkt hat jede der beiden einen Trail gelegt und wurde von der anderen mit dem Auto abgeholt.

Entweder gingen die Trails direkt in unterschiedliche Richtungen, oder sie sind zuerst ca. 50 Meter nebeneinander gelaufen, um sich dann zu trennen. Als die Hunde gestartet sind (einer nach dem anderen) sind sie mit dem Auto an den Endpunkt gefahren und erst ausgestiegen, als sie den jeweiligen Hund gesehen haben.

Hat das Ergebnis Sie überrascht? Womöglich beeindruckt?

Karina Kalks: Der erste Hund, der gestartet ist war mein eigener – Holmes, ein 6jähriger Weimaraner Rüde.

Ich bin davon ausgegangen, dass er erst gar nicht startet. Dann ist er aber gestartet, zielgerichtet um die erste Ecke, ohne darüber nachzudenken. Plötzlich hat er auch mehr gezogen. Zielgerichtet eine zweite Kreuzung gearbeitet. Da gab es kein Abchecken, sondern klare Entscheidungen. Dann noch ca. 80 Meter und plötzlich haben hinter mir (wir haben alle immer unsere Trails begleitet) alle zu Grölen begonnen wie im Fußballstadion… und Holmes stand vor seiner Verstecksperson.

Eigentlich schade, dass es von meinem Gesichtsausdruck kein Foto gibt! Weil für mich war das einfach unbegreiflich, ist es noch immer! Dann der zweite Hund, der dritte, bis zum letzten… der Trail von meiner Hündin Salia (ich hatte 2 Hunde am Start) ging durch eine U-Bahn/Bahn Station… viele Menschen, viele Möglichkeiten wo man abbiegen oder hinausgehen konnte… und sie ist den Trail (mit kurzen Anfangsschwierigkeiten, weil ich sie nicht in die Station gehen lassen wollte) so sicher gelaufen. Also spätestens da war für mich klar, dass die Hunde tatsächlich etwas „riechen“ (?) müssen… Das Ergebnis hat mich überrascht, beeindruckt und wird mich beeinflussen. Ich muss über Vieles nachdenken. Weil nochmal: DNA kann eigentlich nicht riechen, und dennoch können Hunde mit DNA als Referenz für einen Trail arbeiten und ankommen.

Weimaraner Rüde Holmes

Hunde leben neben uns – aber wir wissen immer noch viel zu wenig über sie. Würden Sie diesem Satz zustimmen?

Karina Kalks: Ja, definitiv!

Eine Studie anzweifeln – das tun viele. Doch nur die wenigsten nehmen die Arbeit und die Mühe auf sich, die Ergebnisse zu überprüfen. Dies erfordert schon ein überdurchschnittliches Engagement und großen Wissensdurst. Wenn Sie, liebe Frau Kalks, die Mittel und die Möglichkeiten hätten – was würden Sie am liebsten weiter erforschen?

Karina Kalks: Der nächste Schritt für uns ist, dass wir eineiige Zwillinge für unsere Versuche suchen, und deren DNA extrahieren wollen. Auch die sollen für uns doppelblinde Trails laufen.

Die DNA von Zwillingen ist identisch. Der MHC Komplex (der sich aber wiederum nur in „normalen“ Geruchsgegenständen findet) ist es nicht. Hier wäre es spannend, ob die Hunde hier auch klar unterscheiden und ankommen können – dann haben wir nämlich das nächste Rätsel.

Die Nasenleistung von Hunden ist definitiv noch zu wenig erforscht! Auch die Einflüsse von Witterung auf Geruch stehen noch in den Anfangsphasen. Trotzdem ist es aber unglaublich wichtig, ehrlich zu bleiben! Hunde können so wahnsinnig viel, auch Dinge, die wir uns gar nicht vorstellen können: aber sie können nicht alles! Auch ihrer Nasenleistung sind Grenzen gesetzt. D.h. Trails, die viele Wochen alt sind, sind unrealistisch. Und trotzdem gibt es noch immer Leute, die angeben diese laufen zu können, sich dann aber weigern im Doppelblind-Versuch „anzutreten“.

Weimaraner Mädchen Salia erschnuppert die DNA

Bitte vervollständigen Sie folgenden Satz: Mantrailing ist für mich …

Karina Kalks: … eine tolle Auslastungsmöglichkeit für so gut wie jeden Hund! Ein großartiges Hilfsmittel in der Vermisstensuche, aber auch nicht das Allheilmittel!

Was hat Sie am meisten beeindruckt an Ihrer Studie?

Karina Kalks: Für mein Team und mich war vor allem überraschend, dass die Hunde so zielsicher gelaufen sind. Normalerweise brauchen die Hunde in Kreuzungen länger, checken auch mal ab, gehen vielleicht mal ein paar Meter falsch. Das war hier überhaupt nicht der Fall. Es war, als hätten wir ihnen den ultimativen Geruchsgegenstand vorgehalten. Was wir aber gesehen haben, dass die Hunde die Trails zwar super gelaufen sind, aber manche hatten am Ende der Trails Schwierigkeiten die Versteckperson zu identifizieren. Die Hunde haben das Trailende ganz klar angezeigt, aber die Person war für sie… nicht die Suchperson. Das war ganz eigenartig. Das haben wir bei 3 Hunden von den 6 gesehen.

Sehr geehrte Frau Kalks, vielen Dank für das interessante Gespräch.

Karina Kalks mit ihren beiden Weimaranern, dem 6jährigen Holmes und der 2jährigen Salia.

Kontakt: Mantrail Academy Austria,
Silberwaldstraße 72
2231 Strasshof an der Nordbahn
Österreich 


Dieses Interview stammt aus der HundeWelt.

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