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Einsatz auf vier Pfoten! | Teil 46

Bux klärt auf: Ein Mann, ein Hund. Eine echte Spürnase. Ein ungewöhnlicher Fall … Die Uhr am Armaturenbrett meines Dienstwagens zeigte kurz nach Mitternacht. Meine Schicht hatte um 20 Uhr begonnen und war bislang ruhig geblieben.

Es gehörte zur Routine, einige Objekte zu kontrollieren, die des besonderen Schutzes bedurften, wie Wohnsitze von Politikern, und ein paar der beliebtesten Gemäuer von Graffiti-Künstlern. Die obligatorische Fußstreife durch einen U-Bahnhof, um den Fahrgästen ein Gefühl von Sicherheit zu vermitteln und eventuellen Tätern eines der Unsicherheit, war auch ohne besondere Vorkommnisse verlaufen. Jetzt döste mein Hund in der geräumigen Box im Heck des VW-Busses und träumte vielleicht von Einbrechern oder Vermissten, die er aufspüren könnte. Oder von einer großen Schüssel, voll mit Leckerlis. Wahrscheinlich eher Letzteres.

Wer hat überlebt?

Mein Dienst dauerte noch bis sechs Uhr morgens. Der Funkverkehr nahm allmählich zu. Normal zu Uhrzeiten, an welchen die Nürnberger Gaststätten schlossen und sich die Nachtschwärmer auf den Heimweg machten, und gleichbedeutend mit mehr Einsätzen für die Streifen. Ich entschloss mich, ins Stadtgebiet zu fahren, um in der Nähe zu sein, falls Bux und ich benötigt werden.

Mein Weg führte mich über die Rangierbahnhof-Brücke in die Katzwanger Straße, die dort zunächst eine leichte Rechts- und danach eine scharfe Linkskurve machte. Ich erschrak, als ich die nachfolgende Gerade erreichte. Ein Kombi mit dampfenden Kühlergrill hing am linken Fahrbahnrand, buchstäblich um einen der Alleebäume gewickelt. Schleuderspuren auf dem Asphalt zeigten, dass sich das Fahrzeug vorher gedreht hatte und mit der Beifahrerseite gegen die Eiche geprallt war.

„Schickt den Notarzt mit!“

Zu meiner Überraschung stand in der offenen Fahrertür ein Mann, mit den Ellenbogen am Fensterrahmen abgestützt, als würde er scheinbar gelassen auf jemanden warten. Eilends informierte ich die Einsatzzentrale EZ über Funk und schaltete Warnblinker und Blaulicht ein, um die Unfallstelle abzusichern. „RTW kommt, ich schicke vorsichtshalber auch den Notarzt mit!“, hörte ich noch die Antwort der EZ, während ich stieg aus.

„Sind Sie verletzt?“, fragte ich den Fahrer, „Geht es Ihnen gut?“
„Ja“, der Mann nickte, „ich bin wahrscheinlich eingeschlafen.“
Ich warf einen Blick ins Fahrzeuginnere. Keine Mitfahrer. Gott sei Dank. Aber an der Stelle, wo einmal der Beifahrersitz gewesen war, ragte nun der dicke Stamm des Baumes. Das Dach des Autos war bis auf Höhe der Kopfstütze eingeknickt. Eigentlich war es unmöglich, dass in diesem Wrack jemand überleben, geschweige denn daraus unverletzt aussteigen konnte.

Als ich mich dem Fahrer wieder zuwandte, waren seine Augen glasig. Dazwischen suchte sich ein dickes Blutrinnsal, vom Haaransatz kommend an der Nase vorbei seinen Weg in Richtung Oberlippe. Die offenstehende Tür zwischen uns verhinderte, dass ich den Mann auffangen konnte, als er plötzlich lautlos zusammensackte. Von oben erkannte ich nun die tiefe Wunde in seiner Schädeldecke, die wahrscheinlich das geknickte Autodach geschlagen hatte.

Die Zeit rennt

Mein Herz raste, als ich mich zu dem Schwerverletzten kniete. Ich wollte ihn zunächst in die stabile Seitenlage legen, um dann das Erste-Hilfe-Material aus dem Streifenwagen zu holen. Irgendwie musste ich die Blutung stoppen! Nur wie? Das Problem löste sich für mich im selben Moment, da zu meiner Erleichterung das Rettungsteam des Roten Kreuzes eintraf.

Wird er überleben?

Ich zog mich zurück, um nicht im Wege zu sein, setzte mich in meinen Streifenwagen und beobachtete, wie die Sanitäter den Mann versorgten, ihn auf eine Trage legten und in den Rettungswagen schoben. Unwillkürlich drückte ich meine Daumen. Ich hoffte, er würde überleben, auch wenn ich das angesichts seiner Verletzung bezweifelte.
Die Unfallaufnahme würde die Verkehrspolizei übernehmen, die Kollegen waren schon unterwegs. In der Zwischenzeit stellte ich anhand des Kennzeichens den Halter des Unfallfahrzeuges fest. Vierzig Jahre alt war der Mann, wohnte nur zwei Straßen weiter. Und er war schon mehrmals wegen Rauschgiftdelikten in Erscheinung getreten, zuletzt allerdings vor mehr als fünf Jahren.

Ein Kollege der inzwischen eingetroffenen Unfallbereitschaft klopfte an mein Fenster.
„Wir haben deine Abfrage am Funk mitgehört. Da der Fahrer ja schon mit dem Betäubungsmittelgesetz in Konflikt geraten ist, könntest du erst mal mit deinem Hund das Auto absuchen?“
„Das letzte Mal war aber schon vor über fünf Jahren,“ wandte ich ein. Ich fand, der Mann hatte aktuell ganz andere, schlimmere Probleme.
„Ja, mag sein“, erwiderte der Kollege, „aber es könnte ja etwas mit dem Unfall zu tun haben.“

Wie mein Hund den Fall löst

Er hatte Recht. Ich holte Buxi aus seiner Box und zog ihm zunächst seine Schuhe an, damit er sich an den umher liegenden Glassplittern nicht verletzte. Buxi mochte die Schuhe eigentlich nicht, aber er ließ das Prozedere dennoch Pfote für Pfote über sich ergehen. Denn er wusste auch, dass danach meistens etwas Spannendes passierte.

Ich führte ihn an das Unfallfahrzeug heran. Kurz ließ sich Bux von dem Blut auf dem Asphalt ablenken, dann stemmte er sich schon in die Leine und streckte schnaubend seinen Kopf in den Fußraum zu den Pedalen des Kombis. Ich nahm ihn behutsam zurück und leuchtete mit meiner Taschenlampe hinein. Tatsächlich, er hatte etwas gefunden. Halb verdeckt durch die zusammen geschobene Fußmatte lag ein angerauchter Joint. Er war erloschen, aber die Brandstelle, die er im Teppichboden hinterlassen hatte, bewies, dass er zum Unfallzeitpunkt sehr wahrscheinlich noch geglüht hatte.

Ob der Fahrer den Unfall überlebt hat, habe ich nie erfahren.

Hier erfährst du, wie es weitergeht.

Elmar Heer arbeitet seit 40 Jahren als Polizeibeamter. 1990 wechselte er vom Streifendienst zur Diensthundestaffel Mittelfranken. Schon früh entdeckte er seine zweite Leidenschaft: das Schreiben. Mit seinem Buch „Partner auf Leben und Tod“, erschienen bei Droemer-Knaur, gewährt der Autor dem Leser einen Einblick in Leben und Arbeit eines Polizeihundeführers. Er erzählt über seine Aufgaben als Hundeführer, die umfangreiche Ausbildung von Polizeihunden und über spannende, heitere und auch tragische Einsätze, die er mit seinen Schäferhunden Gundo, Bux, Carina und Sam erlebte.



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