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Einsatz auf vier Pfoten! | Teil 39

Mein Plan, nach dem schmerzlichen Abschied von Gundo, meinem ersten Diensthund, bei der UN-Mission in Bosnien-Herzegowina eine Hundeauszeit zu nehmen, war nicht aufgegangen. Nur ein kurzer Besuch bei der Hundestaffel und ein einziges Hundehaar, das danach an meiner Hose klebte, hatten meine Vorsätze über den Haufen geworfen. Also war ich schon wenige Tage nach meiner Ankunft in Bihac Mitarbeiter der Training Unit, zusammen mit meinem schwedischen Kollegen Jan zuständig für die Ausbildung der Hundeführer und ihrer Hunde.

Die K9-Unit

Je besser ich die Hunde der K9-Unit kennenlernte, umso mehr erkannte ich, wie viel Arbeit vor uns lag. Ivan, ein kurzhaariger, dunkel gestromter Schäferhund ging auf alles los, was Räder hatte. Vom Fahrrad über die Schubkarre bis zum Kinderwagen, nichts wäre vor ihm sicher gewesen, hätte ihn sein Führer Josip von der Leine gelassen. Oder Karlo, ein in seiner Abstammung schwer bestimmbarer Mischling von mindestens 40 Kilo.

Er war nicht nur ziemlich schwer, sondern auch der Schwerenöter der Staffel, zudem ein Ausbrecherkönig. Jan erzählte mir, dass sein Besitzer schon einige Male ohne Hund zum Dienst gekommen war, weil Karlo wieder einmal ausgebüchst war, um die läufigen Streunerhündinnen im Umkreis von fünf Kilometern zu beglücken.

Und dann war da noch Labrador Medo, zu deutsch Bär. Er machte seinem Namen keine Ehre. Im Gegenteil, Medo war ein quirliges, lustiges Kerlchen von knapp zwei Jahren, der in der Staffel offiziell als Rauschgifthund geführt wurde. Ausnahmsweise nur als solcher, denn als Schutzhund wäre er wegen seiner typischen Labrador-Gutmütigkeit nicht geeignet gewesen. Allerdings hatte Medo bislang noch keine Bekanntschaft mit Drogen gemacht, da für die Ausbildung schlichtweg keine vorhanden waren.

Jan hob resigniert die Schultern, als ich ihn darauf ansprach.

„Ich versuche seit Monaten, ein paar Gramm wenigstens der gängigsten Betäubungsmittel über das Forensik-Institut in Sarajevo zu bekommen. Die sitzen auf Tonnen von dem Zeug. Doch sie rücken nichts raus. Wahrscheinlich befürchten sie, wir wollen damit handeln.“

Fassungslos starrte ich Jan an.

Der lachte. „Sei froh, dass die Staffel überhaupt Hunde hat! Wenn du eine Weile hier bist, wirst du erkennen, dass nicht einmal das selbstverständlich ist.“

Tatsächlich hatte die Einheit nach ihrer Gründung Ende der 1990er-Jahre monatelang keinen einzigen Hund besessen, weil es in Bosnien keine Züchter gab. Schließlich erhielten die damaligen UN-Ausbilder aus Dänemark die Genehmigung, in Österreich und Ungarn Hunde zu kaufen. Auf Streuner wollte man nicht setzen. Die wenigsten von ihnen waren gesund und im Wesen kaum als Diensthund geeignet – Menschen gegenüber entweder zu scheu oder zu unterwürfig.

Einen Hundeplatz gab es in Bihac nicht. Wir trainierten irgendwo im Gelände. Mir wurde flau, als Jan bei unserer ersten Fahrt zum Training den Landcruiser über Feldwege zu einer bis zum Horizont reichenden Wiese steuerte. Die beiden Dienstfahrzeuge der Staffel folgten uns mit gehörigem Abstand.

„Bist du dir sicher, dass es hier keine Minen gibt?“, fragte ich Jan.

„Keine Sorge.“

Das beruhigte mich kaum. „Was macht dich da so sicher?“

„Weil hier im Sommer regelmäßig Schaf- und Kuhherden drüber getrieben werden. Meines Wissens haben alle Tiere die Gegend auf ihren eigenen Hufen verlassen.“

Auch eine Möglichkeit, Minen zu räumen, dachte ich mir. Nach Schätzungen der UN lauerten noch rund eine halbe Million im bosnischen Boden. Pläne, wo genau, fehlten. Aus diesem Grund verstand ich nicht, warum keine Sprengstoffsuchhunde ausgebildet werden sollten. Bis zum Ende der Mission erhielt ich dafür keine schlüssige Erklärung. Ich jedenfalls konnte gut damit leben, keine hinterhältigen Kriegswaffen aufspüren zu müssen. Die Aufgaben der UN waren ohnehin ziviler Natur: das Land weg vom Krieg in die Normalität führen. Einer der vielen Wege in diese Normalität war der Aufbau der Polizei. Sie hatte sich um die Folgen und Aufklärung der alltäglichen Kriminalität und deren Abwehr zu kümmern. Polizeihunde konnten dafür sehr hilfreich sein.

An meine Rolle des Ausbilders gewöhnte ich mich allmählich.

Ich dachte oft an meinen ersten Trainer Kurt, von dem ich viel gelernt hatte, entwickelte jedoch meinen eigenen Führungsstil. Kurt hatte Fehler gern groß thematisiert, sich viel Zeit für negative Kommentare und wenig für Lob und Motivation genommen. Bei mir wurden Erfolge gelobt, und mit großer Freude sah ich, dass die Staffel hoch motiviert trainierte. Mit Jan verstand ich mich genauso gut, wie ich es erwartet hatte. Der Schwede teilte meine Einstellung. Das färbte auf unsere Truppe ab. Die Stimmung war fröhlich, morgens begrüßten uns die Männer mit einem herzlichen Handschlag. Sie freuten sich auf das Training. Wie ich.

Zwei Monate, nachdem ich zur Hundestaffel gewechselt hatte, geschah ein kleines Wunder. Bradley überreichte mir nach der Mittagspause beinahe feierlich ein Päckchen aus Sarajevo. Der Absender war das Forensische Institut.

„Ist nicht wahr!“, staunte ich. Bradley grinste.

Und tatsächlich: Ich packte diverse Tüten unterschiedlicher Größe mit Rauschgift aller Art aus. Ich war den zuständigen Mitarbeitern aber auch ziemlich lästig geworden mit meinen meterlangen Mails. Wie eine Beute hielt ich das Päckchen in die Luft. In dieser Sekunde machten mich Drogen glücklich. Endlich hatten wir, was wir zur Ausbildung eines Drogenspürhundes brauchten.

Hier erfährst du, wie es weitergeht.

Elmar Heer arbeitet seit 40 Jahren als Polizeibeamter. 1990 wechselte er vom Streifendienst zur Diensthundestaffel Mittelfranken. Schon früh entdeckte er seine zweite Leidenschaft: das Schreiben. Mit seinem Buch „Partner auf Leben und Tod“, erschienen bei Droemer-Knaur, gewährt der Autor dem Leser einen Einblick in Leben und Arbeit eines Polizeihundeführers. Er erzählt über seine Aufgaben als Hundeführer, die umfangreiche Ausbildung von Polizeihunden und über spannende, heitere und auch tragische Einsätze, die er mit seinen Schäferhunden Gundo, Bux, Carina und Sam erlebte.



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