Einsatz auf vier Pfoten! | Teil 18
Wer sich mit Hunden auskennt, weiß auch mit anderen Tieren umzugehen. Dieser Meinung sind die meisten Funksprecher der Einsatzzentrale und beordern uns Hundeführer zu Einsätzen, bei denen Pfoten keine Rolle spielen. So durfte ich mich schon am Einfangen von entlaufenen Rindern oder Schafen und freiheitsliebenden Papageien beteiligen, also Paarhufer und Krallengeflügel.
Ich mag Abwechslung
Gerne unterstütze ich auch die Kollegen bei ihren Aufgaben, sei es, um eine Unfallstelle abzusichern oder einen Streit zu schlichten. Fällt im Zusammenhang mit einem Auftrag über Funk das Stichwort „Hund“, ist es so sicher wie das Amen in der Kirche, dass jemand von der Hundestaffel hinzugezogen wird – sofern wir uns nicht schon selbst angeboten haben.
Im Spätdienst
Wie in diesem Spätdienst: „Ein großer Hund läuft auf dem Seitenstreifen der A 73, Höhe Anschlussstelle Fürth-Poppenreuth.“
Gefährlich nicht nur für den Hund, sondern auch für die anderen Verkehrsteilnehmer. Immer wieder kommt es zu Unfällen durch Ausweichmanöver oder fürsorgliche Autofahrer, die anhalten und ein Tier retten wollen.
Circa 800 Meter vor der genannten Ausfahrt geriet ich in einen Stau. Das bedeutete nichts Gutes. War schon ein Unfall passiert? Lag der Hund tot auf der Fahrbahn? Meine Kehle wurde eng. So sehr ich den Tod von Tieren auf unseren Straßen überhaupt bedauerte, der von Hunden ging mir immer besonders nah. Als Fünfjähriger musste ich einmal mit ansehen, wie ein Cocker Spaniel überfahren wurde. Er überquerte die Fahrbahn, weil er mich begrüßen wollte. Noch heute fühle ich mich unwohl, wenn sich einem frei laufenden Hund ein Auto nähert.
Mit Blaulicht auf die Standspur
Zum Glück war die erlaubte Geschwindigkeit hier auf achtzig Stundenkilometer beschränkt. Die Fahrzeuge schlossen geordnet auf und zuckelten mit Schrittgeschwindigkeit weiter. Ich zog auf die Standspur, schaltete zum Blaulicht auch das Horn ein und fuhr an der Blechschlange entlang. Schon bald erreichte ich die Spitze der Kolonne und staunte: Zwei Sattelschlepper rollten mit eingeschalteter Warnblinkanlage nebeneinander her – Begleitfahrzeuge des in ihrem Scheinwerferlicht trabenden Vierbeiners. Irgendetwas dunkel Langhaariges. Gespenstisch. Und auch seltsam ergreifend, der Hund im Lichtkegel, in seinem gleichmäßigen Trab. Ab und zu wechselte er die Fahrspur, ich konnte nicht erkennen, warum, meistens lief er an der gestrichelten Mittellinie entlang.
Längst hatte ich den Lärm auf meinem Autodach abgeschaltet. Ich wollte das Tier nicht erschrecken. Zum Glück kümmerte es sich nicht um das neue, dritte Begleitfahrzeug, trabte unbeirrt weiter. Vorsichtig überholte ich die Lastwagen und den Hund, beschleunigte langsam. Nachdem ich etwas Vorsprung herausgefahren hatte, hielt ich an und stieg aus.
Im Scheinwerferlicht
Ein unwirkliches Szenario: vier Scheinwerfer, die sich auf mich zu bewegten, und ein Hund, der durch das Licht einen überdimensionalen Schatten warf. Der Bursche war nur noch dreißig Meter entfernt, als er mich bemerkte. Er wechselte auf die Überholspur. Ich auch. Noch zwanzig Meter. Jetzt lief er auf die Standspur. Ich ebenso. Noch zehn Meter. Ich breitete die Arme aus, sprach ihn ruhig an. „Halloooo, Groooßer, wo willst du denn hin?“ Fünf Meter. Er blieb stehen. Hoffentlich legte er jetzt nicht den Rückwärtsgang ein!
Auch die Lkws stoppten. Wie gutmütige Elefanten stärkten sie dem Hund den Rücken. Ich versuchte ihn einzuschätzen. Ein Mischling, vielleicht fünfzig Zentimeter hoch, also gar nicht so riesig, wie er gewirkt hatte. Schlappohren. Der rotgelben Zeichnung im Gesicht nach zu urteilen, könnte einer seiner weit entfernten Vorfahren ein Berner Sennenhund gewesen sein. Tendenziell also eher friedfertig. Hoffentlich!
Der erste Kontakt
Ich kramte ein paar Brocken Trockenfutter aus der Tasche meiner Lederjacke und ging in die Hocke. Lockend hielt ich dem Hund meine Hand entgegen. Er hechelte schnell, war offensichtlich erschöpft. Vorsichtig kam er auf mich zu. Ich wollte gerade aufatmen, als er Vollgas gab. Mit fliegenden Ohren versuchte er, an mir vorbei zu sprinten. Ich dachte nicht nach. Sprang einfach los. Auf den Hund. Eher ein Reflex, als eine überlegte Handlung. Ihn beschützen, sicherstellen, bevor er auf die Gegenfahrbahn rannte. So lagen wir auf dem Asphalt. Er und ich. Er zappelte wie wild. Ich hielt ihn mit aller Kraft fest, hatte ihn gut erwischt, beißen konnte er mich nicht. „Ruhig“, sagte ich zu ihm, „ruuuhig, dir passiert nichts.“ Was für ein Anblick: Ein Polizist liegt auf der Überholspur der Autobahn mit einem Hund in den Armen. Doch was nun? Ich wagte es nicht, ihn loszulassen.
Wieder einmal rettete mich Buxi.
Hier erfährst du, wie es weitergeht.
Elmar Heer arbeitet seit 40 Jahren als Polizeibeamter. 1990 wechselte er vom Streifendienst zur Diensthundestaffel Mittelfranken. Schon früh entdeckte er seine zweite Leidenschaft: das Schreiben. Mit seinem Buch „Partner auf Leben und Tod“, erschienen bei Droemer-Knaur, gewährt der Autor dem Leser einen Einblick in Leben und Arbeit eines Polizeihundeführers. Er erzählt über seine Aufgaben als Hundeführer, die umfangreiche Ausbildung von Polizeihunden und über spannende, heitere und auch tragische Einsätze, die er mit seinen Schäferhunden Gundo, Bux, Carina und Sam erlebte.
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