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Einsatz auf vier Pfoten! | Teil 15

Im Osten Nürnbergs soll ein junger Mann festgenommen werden, der wegen verschiedener Delikte zu eineinhalb Jahren Freiheitsstrafe verteilt worden war. Schon mehrfach war es ihm gelungen, sich der Festnahme durch Flucht zu entziehen, wie es in bestem Beamtendeutsch im Haftbefehl vermerkt war.

Kann eine erneute Flucht mit Buxis Hilfe verhindert werden?

Wir hatten einen Tipp erhalten, dass sich der Gesuchte heute Vormittag um zehn mit seiner Freundin verabredet hatte. Treffpunkt sollte die Tischtennisplatte in der Grünanlage an der Breslauer Straße sein. Deshalb war ich angefordert worden. Besser gesagt Buxi. Er konnte schneller laufen als ein Mensch, jeder Schäferhund kann das. Ich kannte den Gesuchten. Er war noch keine vierzehn und damit strafunmündig gewesen, als ich ihn das erste Mal wegen eines Fahrraddiebstahls festnahm.

Er hieß Marcel W. Seine kriminelle Karriere schien unaufhaltsam. Schon bald klaute er nicht nur Fahrräder, sondern beging Ladendiebstähle, Körperverletzungen, Einbrüche. Jedes Mal kam er mit Sozialstunden oder Bewährung davon. Bis das Maß voll war. Nach einem Raubüberfall auf eine Tankstelle ließ sein letzter Richter Recht vor Gnade ergehen und verurteilte den inzwischen Achtzehnjährigen zu der Freiheitsstrafe ohne Bewährung, die er spätestens vor vier Wochen hätte antreten sollen. Was er natürlich nicht tat.

Der Gauner kann sich doch nicht in Luft aufgelöst haben…

Gleich wird es ernst

„So, Bub“, sagte ich, „jetzt gehen wir Lumpen fangen!“ Buxi hatte im Streifenwagen auf mich gewartet, sprang jetzt auf und spitzte die Ohren. (Lumpen war sein Synonym für Gauner.) „Wann geht’s los?“, schien er mich mit seinem lang gezogenen Winseln zu fragen. „Gleich“, lachte ich, steckte ihm durch das Gitter ein Leckerli zu und schloss den Kofferraum.

Während ich den Bulli durch die dicht beparkte Nebenstraße lenkte, überlegte ich mir, wo ich ihn so nah wie möglich an dem Park abstellen könnte, ohne dass er von dort aus gesehen werden könnte. Ich bemerkte ihn im letzten Moment. Der Kerl lief plötzlich hinter einem abgestellten Wohnwagen direkt vor die Kühlerhaube meines Wagens. Erschrocken trat ich auf die Bremse, ich war nicht schnell gefahren.

Der junge Mann stand erstarrt auf der Straße, weniger als einen Meter von mir entfernt. Unsere Blicke trafen sich. Der Moment des gegenseitigen Erkennens fühlte sich an, als würde er mehrere Sekunden dauern. Dann wandte sich der Bursche ab und sprintete auf die andere Straßenseite. Es war Marcel!

Bereit für den Einsatz.

Eine wilde Verfolgung

Ich wechselte vom Brems- zum Gaspedal, trat es bis zum Bodenblech durch. Der Streifenwagen machte einen Satz, dann beschleunigte er, was sein betagter Motor hergab. Gleichzeitig informierte ich meine Kollegen knapp über Funk. Nach gut fünfzig Metern hatte ich Marcel eingeholt, er rannte die Häuserzeile entlang, zwischen uns die Reihe geparkter Autos.

„Bleib’ stehen!“ brüllte ich durch das halb geöffnete Beifahrerfenster. Ich erwartete nicht, dass er meiner Aufforderung Folge leisten würde. Tat er auch nicht, im Gegenteil, er steigerte sein Tempo noch weiter. Er war wirklich verdammt schnell.

Nicht weit entfernt entdeckte ich eine Lücke zwischen den Fahrzeugen. Eine Möglichkeit, Marcel den Weg abzuschneiden. Ich gab Gas. Doch Marcel erkannte meine Absicht, wechselte hinter mir die Straßenseite und verschwand zwischen zwei Häusern.

Wo war er hin?

Ich brachte mein Auto wieder zum Stehen, legte krachend den Rückwärtsgang ein und setzte zurück. In dem Durchgang stand einer dieser rot-weiß lackierten Absperrpfosten! Ich sprang vom Fahrersitz und rannte nach hinten. Hinter der aufschwingenden Heckklappe kratzte Bux bereits aufgeregt an der Gittertür seiner Box. Als ich sie öffnete, wollte er an mir vorbei stürzen und die Verfolgung aufnehmen. Nur wohin? Der Flüchtende war längst außer Sichtweite.

Nürnberg. Hier kann der Gesuchte Buxi nicht entkommen…

Ein unerwartetes Problem

Ich nahm meinen Hund an die lange Leine und lief in die Richtung, wo ich Marcel das letzte Mal gesehen hatte. Buxi zerrte mich ungeduldig vorwärts. Ich hätte ihn zu gerne freigelassen, aber die Gefahr, dass er einen Unbeteiligten mit dem Flüchtenden verwechselte, war mir zu groß. Im Hinterhof standen einige Autos und reflektierten die Frühlingssonne. Gut möglich, dass sich Marcel dort versteckte. Mit Buxi hätte ich die Parker schnell abgesucht, seiner Nase wären die Ausdünstungen eines vor Angst Schwitzenden nicht entgangen. Doch ein hoher Drahtzaun versperrte uns den direkten Weg.

Alleine hätte ich ihn überwinden können, doch mit einem Hund war das unmöglich. Ich drehte ab und rannte den Weg zurück, den ich gekommen war. Ich musste den gesamten Gebäudekomplex umrunden und ärgerte mich. Falls sich der Gesuchte tatsächlich bei den Autos versteckt hielt, hätte er nun genügend Zeit, sich endgültig aus dem Staub zu machen.

Aufgeben zählt nicht

Völlig außer Atem erreichte ich den Parkplatz. Mit dem ebenfalls hechelnden Buxi an der Leine suchte ich Wagen für Wagen ab, prüfte, ob einer von ihnen vielleicht nicht versperrt war. Marcel war verschwunden. Er hatte es wieder einmal geschafft. „Unfassbar“, murmelte ich enttäuscht und meinte damit sowohl die Situation als auch Marcel. Während ich zu meinem Bus zurück ging, unterrichtete ich meine Kollegen und die Dienststelle über das Handfunkgerät, was geschehen war.

Der Leiter der Einsatzzentrale ließ mich nicht ganz ausreden: „Soeben wird anonym mitgeteilt, dass sich der Gesuchte im Keller Salzbrunner Straße 91 aufhalten soll. Angeblich ist er durch ein offenstehendes Fenster dort hineingelangt. Wer fährt?“ „76/17 fährt!“, meldete ich mich, noch während ich Buxi wieder im Auto verstaute. „12/38 steht schon davor.“ Ich erkannte Johanns lässige Stimme. Er war wie immer nicht aus der Ruhe zu bringen. Ich schon! Mit eingeschaltetem Blaulicht und Martinshorn raste ich zur Salzbrunner Straße. Noch einmal sollte mir der gefährliche Gewalttäter nicht entkommen.

Hier erfährst du, wie es weitergeht.

Elmar Heer arbeitet seit 40 Jahren als Polizeibeamter. 1990 wechselte er vom Streifendienst zur Diensthundestaffel Mittelfranken. Schon früh entdeckte er seine zweite Leidenschaft: das Schreiben. Mit seinem Buch „Partner auf Leben und Tod“, erschienen bei Droemer-Knaur, gewährt der Autor dem Leser einen Einblick in Leben und Arbeit eines Polizeihundeführers. Er erzählt über seine Aufgaben als Hundeführer, die umfangreiche Ausbildung von Polizeihunden und über spannende, heitere und auch tragische Einsätze, die er mit seinen Schäferhunden Gundo, Bux, Carina und Sam erlebte.



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