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Vorsicht Weizen?

Es ist in aller Munde und auch schon in vielen Hundemägen angekommen: Futter ohne Weizen, glutenfreies Futter, am besten gleich ganz getreidefrei. Im Gegensatz dazu enthalten manche Trockenfutter noch bis zu 50% Getreide, und davon ist ein entscheidender Anteil auch noch Weizen, der von so manchem sehr kritisch gesehen wird. Doch ist das berechtigt? Was sind die Fakten? Darüber sprach die Redaktion des Magazins HundeWelt mit Tierärztin Dr. med. vet. Katja Sauer.

Wir wissen von uns Menschen, dass Gluten als Inhaltsstoff des Weizens problematisch sein können. Woher kommt das? 

Beim Menschen ist es vor allem eine Erkrankung namens Zöliakie, die das Getreide für Betroffene zum Problem macht. Dabei handelt es sich um eine Unverträglichkeit gegen Gluten, ein Gemisch aus verschiedenen Getreideproteinen, das nicht nur in Weizen, sondern auch in Roggen, Gerste, Hafer und den ursprünglicheren Getreidearten Dinkel, Emmer und Einkorn vorkommt. Zwar ist der Gehalt in Weizen besonders hoch, jedoch müssen Zöliakie-Patienten Gluten komplett meiden.

Man kann davon ausgehen, dass bei zwei Dritteln der Futtermittelallergiker Getreide eine Rolle spielt.

Aufgrund der Reaktion gegen das Gluten werden die Zellen der Darmschleimhaut zerstört und es kommt zu weitreichenden Folgen wie allgemeiner Schwäche und einem erhöhten Risiko für Darmkrebs. Darmentzündungen mit ähnlichen Symptomen können außerdem durch eine Allergie speziell gegen Weizen, also Proteine, die mit dem Gluten nichts zu tun haben und nur im Weizen vorkommen, ausgelöst werden. Außerdem gibt es beim Menschen noch eine dritte Art der Unverträglichkeit, bei der weder Antikörper gegen Gluten noch gegen Weizen nachgewiesen werden können, deren Symptome aber bei glutenfreier Ernährung komplett verschwinden. 

Lässt das Rückschlüsse auf den Hund zu?

Gluten auch bei uns Menschen nur für eben jene problematisch, die es nicht vertragen, und das ist bei etwa einem Prozent der Bevölkerung der Fall. Alle anderen können grundsätzlich erst einmal Weizen zu sich nehmen. Bei den Hunden gibt es so gut wie keine Glutenunverträglichkeiten, nämlich ausschließlich genetisch bedingt in manchen Familienzweigen bei Irischen Settern. Bei ihnen entwickelt sich ein Bild, das der Zöliakie beim Menschen ähnelt. Bei keiner anderen Rasse wurde bisher eine Glutenintoleranz beobachtet. 

Und wie sieht es mit Allergien aus?

Die sind dagegen wesentlich häufiger. Beim Hund haben wir die Situation, dass Bluttests nicht genau genug sind, um dasjenige Lebensmittel zu identifizieren, das Verdauungsstörungen oder auch Hautprobleme auslöst. Man muss durch Weglassen bestimmter Futterbestandteile und eine eventuelle spätere Provokation – das heißt, Ausprobieren, ob ein Nahrungsmittel nach Symptomfreiheit erneut Krankheitsanzeichen auslöst – herausfinden, was der Hund nicht verträgt. Deshalb sind Zahlen schwer feststellbar. Man kann aber davon ausgehen, dass bei zwei Dritteln der Futtermittelallergiker Getreide, Kuhmilchprodukte oder Rindfleisch, und bei der Hälfte von ihnen gleich mehrere dieser Bestandteile für die Allergie sorgen.

Ist Weizen im Hundefutter nicht mehr zeitgemäß? Oder gar gefährlich?

Heißt das, dass Weizen stark allergieauslösend ist, vergleichbar den Nüssen beim Menschen?

Nein, das heißt nur, dass es sehr oft in Hundefutter verwendet wird und daher auch öfter Allergien auslösen kann als wenig verwendete Nahrungsmittel. Es heißt aber auch, dass es eine Gruppe von Hunden gibt, für die die getreidefreien Futter ein wahrer Segen sind, denn einem gegen Weizen allergischen Tier würde ich lieber gar kein Getreide mehr füttern, weil es oft auch auf andere Getreidearten reagiert. 

Es gibt Hunde, für die die getreidefreien Futter ein wahrer Segen sind.

Oft wird argumentiert, dass Hunde von Natur aus keine Körnerfresser sind und dass bei einer Umstellung auf getreidefreies Futter Fell und Allgemeinbefinden besser werden.

Der Wolf ist kein Körnerfresser, das stimmt. Die Natur des Hundes dagegen haben wir durch das jahrelange Zusammenleben schon so verändert, dass er Stärke, den Hauptinhaltsstoff von Getreide, verdauen kann. Deshalb ist Getreide durchaus eine mögliche Energiequelle. Wenn es einen Hund nach einer Umstellung aber besser geht, dann ist vorher tatsächlich etwas nicht ideal gewesen. Möglicherweise handelt es sich um individuelle Unverträglichkeiten oder die Bestandteile des Futters sind insgesamt hochwertiger. Von einem Futter, in dem Weizenmehl nur noch als Füllstoff eingesetzt wird, würde ich auch abraten. Die Verdaulichkeit ist dann schlecht, der Hund produziert große Mengen an Kot. 

Was sagen Sie aus tierärztlicher Sicht zu Behauptungen, dass Weizen Entzündungsvorgänge fördert und deshalb Gelenkprobleme verschlimmert? Und dass es Krebserkrankungen vorantreibt?

Einen Krebspatienten sollte man mit einem sehr reduzierten Kohlenhydratanteil ernähren. Das betrifft aber alle Kohlenhydrate, nicht nur die aus Weizen oder Getreide. Wer einen solchen Hund hat, sollte sich speziell zur Ernährung beraten lassen. Woher die Gerüchte kommen, dass Weizen entzündungsfördernd ist, weiß ich nicht. Es gibt dafür überhaupt keinen sachlichen Hintergrund. Interessant ist vielleicht ein kleiner Exkurs in die Traditionelle Chinesische Medizin: Nach ihrer Theorie kühlt und befeuchtet dieses Lebensmittel und hat dadurch eine beruhigende Wirkung auf hyperaktive, übererregte Hunde. Ein ganz anderes Denkmodell also.

Wie sieht Ihr persönliches Fazit im Hinblick auf Weizen im Hundefutter aus?

Ein ernährungsphysiologisch begründetes Fazit, das gleichermaßen für alle Hunde gilt, gibt es bei diesem Thema sicherlich nicht. Lassen wir mal alle Ideologien außen vor, dann muss hier individuell unterschieden werden: Für Hunde mit Allergien gegen Getreide, erwiesenen Unverträglichkeiten oder Erkrankungen wie etwa einer seltenen genetisches Disposition ist ein getreidefreies Futter sicherlich die beste Wahl.

Von einem Futter, in dem Weizenmehl nur noch als Füllstoff eingesetzt wird, würde ich abraten.

Dennoch würde es über das Ziel hinausschießen, wenn man generell die Empfehlung aussprechen würde, dass Hunde nur noch getreidefrei ernährt werden müssen. Entscheidend ist, wie übrigens bei fast allem in der Ernährung, die Menge des Weizens im Futter. Weizen stellt in Maßen kein Problem für gesunde Hunde dar und hat entgegen anders lautender Gerüchte keine nachgewiesenen grundsätzlich schädlichen Eigenschaften für das Tier. Natürlich ist er auf der anderen Seite auch kein essentieller, also unverzichtbarer Nahrungsbestandteil in der Hundefütterung. Und die Allergiker unter den Vierbeinern sowie deren Halter werden froh sein, dass es diese Alternative für sie gibt.

Dr. med. vet. Katja Sauer studierte Tiermedizin in Gießen. Danach erfolgte eine Spezialisierung auf Kleintiere in mehreren Kliniken und Praxen mit verschiedenen Schwerpunkten, darunter Chirurgie, innere Erkrankungen und Ernährung. Sie ist Buchautorin und freie Journalistin im Bereich Tiergesundheit.

Mehr zum Thema Ernährung findest du jeden Monat im Magazin HundeWelt.

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