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Ist Angst heilbar?

Puna stammt aus einer Rettungsstation und ist extrem ängstlich und infolgedessen schreckhaft und manchmal auch aggressiv. Was kann man tun?


Maja K. schreibt uns: „Meine Hündin Puna stammt aus einer Rettungsstation. Am Anfang war sie extrem ängstlich, sie hat fast nur unter dem Sofa gelegen und kam kaum raus. Es hat ein Jahr gebraucht, bis sie sich mehr und mehr hinaus traute. Das muss man wissen, um den Erfolg zu würdigen. Aber auch heute noch gibt es Situationen, in denen sie kaum bei sich ist. Gewitter zum Beispiel, oder der Besuch beim Tierarzt. Sie duckt sich, kriecht in sich hinein und wird aggressiv. Ich kann sie dann nicht mehr sicher halten und möchte, dass sie sich wohler fühlt. Welche Medikamente könnte ich ihr im Notfall geben? Einfach aushalten lassen finde ich einfach nicht richtig. Vielen Dank im Voraus für eure Hilfe, Maja.“

Liebe Maja,

du bist mit deiner Puna ja schon einen weiten Weg gegangen, und zwar sehr erfolgreich. Das muss man sicherlich am Anfang einmal festhalten. Ein Hund aus dem Auslandstierschutz bringt oft ein Bündel an ungelösten Problemen mit sich. Und ich gebe dir aus ganzem Herzen recht: einfach aushalten ist keine Lösung. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass der Hund die Angst generalisiert und dass er mehr und mehr ins Meideverhalten zurückfällt. Am Anfang hat er Angst vor Gewittern, dann vor plötzlichen lauten Geräuschen oder vor dem Klappern des Mülleimerdeckels. Und das wäre weder für ihn ein Leben mit ausreichender Lebensqualität, noch für dich. Es ist gut, dass du dich um eine Lösung bemühst, die ihm Erleichterung verschafft. Wir bieten keine medizinische Sprechstunde an und raten dir deshalb unbedingt, das Gespräch mit einem Tierarzt zu suchen.
Es gibt im Wesentlichen zwei Arten von Medikamenten, die bei Hunden mit hohen Angstzuständen eingesetzt werden können, wenn Verhaltensänderungstechniken allein nicht ausreichen, um sie ruhig und sicher zu halten.

Die erste ist ein Notfall-Medikament. Diese Medikamente sind ideal für Hunde, die sich die meiste Zeit emotional wohlfühlen, aber mit bestimmten Ereignissen wie Gewittern oder Tierarztbesuchen nicht zurechtkommen. Hierzu gehören Benzodiazepine wie Alprazolam (Xanax), Valium und Clonazepam. Diese Medikamente wirken auf das zentrale Nervensystem und helfen dem Gehirn, einen Neurotransmitter namens GABA freizusetzen, der beruhigend wirkt. Auch das Antidepressiva Trazodon kann hilfreich sein, da es den Hirnstoffwechsel von Serotonin reguliert und in stressigen Situationen schnell Linderung verschaffen kann. Welches Medikament für deine Puna richtig ist, solltest du mit dem Tierarzt besprechen. Es kann für euch beide hilfreich sein, wenn du ein Mittel zur Hand hast, was Puna schnell hilft.

Wenn Puna bestimmte Situationen wie ein Gewitter entspannt durchstehen kann, wird sich erfahrungsgemäß auch ihre Angst legen und ihr Zutrauen steigen. Deshalb kann man diese Medikamente erfahrungsgemäß im Laufe der Zeit wieder ausschleichen. Ist Luna allerdings grundsätzlich ängstlich, hat sie also eine Form von „Hintergrundangst“, die sich wie ein Grundrauschen durch ihr ganzes Sein zieht und die sie mühsam beherrscht, muss man anders behandeln. Dann wäre Luna nämlich in einem Zustand erhöhter Spannung. Sie wäre voller Emotionen, wie ein Fass, das randvoll mit Wasser gefüllt ist. Ein Tropfen reicht, und es läuft über. Und in Lunas Fall würde eine Reizüberflutung reichen, um sie völlig aus der Bahn zu werfen.

In einem solchen Fall bräuchte sie eine Art von Medikamenten, die rund um die Uhr wirken, also Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRIs) wie Fluoxetin (bekannt als Prozac oder Reconcile). Verträgt der Hund diese nicht, gibt es noch die Möglichkeit, ihm Buspiron zu geben. Dieses Medikament bewirkt ebenfalls, dass Serotonin besser fließen kann, hat aber eine etwas andere biochemische Wirkungsweise. Diese Medikamente erhöhen den Serotoninspiegel im Blut und das macht diese Hunde glücklich. Denn Serotonin hebt die Laune, den Appetit, verbessert den Schlaf und die Stimmung und das alles kann für Hunde mit generalisierter Angst die Pforte in ein anderes Leben ermöglichen.

Wenn ein Hund von klein auf mit Angst groß geworden ist, dann hat er keine gute Erinnerung, in die wir ihn zurückbringen können. Keine heile Welt, kein Ort des Friedens und der Freude. Das ist dann schwer, weil das Training im Grunde genommen ohne Ziel ist. In einem solchen Fall kann ein Medikament bewirken, dass er diese Erfahrung nachträglich macht. Es ist halt nie zu spät für eine glückliche Welpenzeit. In extremen Fällen kann es hilfreich sein, beide Medikamente gleichzeitig zu geben. Also ein Basismedikament, das das Wohlgefühl erhöht, sowie ein Notfall-Medikament für Ausnahmesituationen.

Ist der Hund über eine längere Zeit stabil, kann mit dem Training und dem Ausschleichen der Medikamente begonnen werden. Am besten, liebe Maja, besprichst du das alles mit deinem Tierarzt. Denn Puna muss auch untersucht werden, ob sie die Medikamente auch gut verträgt. Ihr habt schon so viel geschafft, die letzten Meter auf dem Ziel packt ihr jetzt auch noch. Euch beiden alles Gute!

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