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Happy – junge Hündin aus Bosnien findet ein Zuhause

Es war Spätherbst in Bosnien. Durch die deutlich verspätete Ankunft unseres Vegetationsschneiders, eines umgebauten aufgepanzerten Baggers, waren wir etwas in Verzug geraten. Das neue Räumgerät war dringend erwartet worden, da wir uns in einem Terrain befanden, in dem die Hunde nicht so ohne Weiteres eingesetzt werden konnten. Hoher Bewuchs, halbhohe aufgeschlagende Bäume und Sprengfallen überall, da brauchte es eine gewisse Vorarbeit.

Vorsicht! Sprengfallen

Der „Bagger“ konnte mit seinem angebauten Mulcher Bäume bis zu einem Durchmesser von 12 cm problemlos herunter fräsen und gleichzeitig auch den Boden durchwühlen, um etwaige Sprengfallen nicht nur zu entdecken, sondern direkt auszulösen. Die Hunde konnten nicht eingesetzt werden, da sie Gefahr liefen, sich entweder mit den Leinen im Gestrüpp zu verfangen oder eben in eine Sprengfalle zu geraten. Diese Fallen bestehen aus gespannten, dünnen Drähten, die mehrere Springminen miteinander verbinden und diese gemeinsam auslösen. Im Falle der Detonation ist ein Entkommen nur schwer möglich.

Die Hunde könnten ausgebildet werden, auch diese Verbindungsdrähte aufzuspüren. Das funktioniert dann allerdings nicht über den Geruchssinn, sondern über das Gehör. Ich habe selbst gesehen, dass es möglich ist. Allerdings ist es sicher unter Laborbedingungen wunderbar, nur in einem Realeinsatz ist mir das Risiko für Mensch und Hund deutlich zu hoch, da viele Faktoren eine Rolle spielen.

Fremde Artgenossen

Unsere Räumstelle befand sich ungefähr 4 km von einem Dorf entfernt. Seit ein paar Tagen beobachteten wir zwei Hunde, die sich immer in unserer Nähe aufhielten. Morgens, wenn wir mit der Arbeit begannen, befanden sie sich immer in der Nähe des abgestellten Baggers, tagsüber versuchten die Mitarbeiter, die Hunde irgendwie fernzuhalten. Es wäre nicht gut gewesen, wenn sich die Minensuchhunde hätten ablenken lassen oder die beiden selbst eine Mine oder Sprengfalle ausgelöst hätten. Nach ein paar Tagen war ein Hund verschwunden, der zweite jedoch hatte beschlossen, unter dem Bagger zu nächtigen. Bei Arbeitsbeginn verschwand das Tier, hielt sich aber immer in Sichtweite auf, abends ging es dann wieder unter das Gerät.

Wir stellten Futter und Wasser bereit und eines Morgens überraschten wir die, wie sich dann herausstellte, junge Dame. Sie war extrem schüchtern, ließ sich aber anfassen und verschwand nach ein paar Streicheleinheiten. Einer der Mitarbeiter meinte, er hätte die Hündin schon mal in der Nähe seines Dorfes gesehen, sei sich aber nicht sicher, ob sie einen Besitzer hätte. Nach dem Krieg hatten tatsächlich viele Leute nicht mehr die Möglichkeit, sich um ihre Hunde zu kümmern. Manche waren weggezogen, geflüchtet, manche hatten kein Dach mehr über dem Kopf und andere hatten nachvollziehbarer Weise genug mit sich selbst zu tun.

Mit der Zeit spielte sich das Miteinander ein. Der Bagger wurde immer an der gleichen Stelle geparkt, wir legten einen Korb mit Decken und Futter darunter und im Gegenzug hielt sich die Hündin tagsüber von der Arbeitsstelle fern, sodass die Minenspürhunde ungestört arbeiten konnten.

Alles ging schief

Nach zwei Wochen ging dann irgendwie alles schief. Unsere Maschine hatte mittlerweile etwa 5 Sprengfallen entdeckt und dies bis auf ein paar Schrammen problemlos überstanden. Bei Nummer 6 allerdings wurde das Gerät schwer erwischt. Ein paar Hydraulikschläuche waren von Splittern durchschlagen worden und es war nicht möglich, in ganz Bosnien solche oder ähnliche Schläuche aufzutreiben.

Ein paar Hydraulikschläuche waren von Splittern durchschlagen worden …

Das Wetter wurde immer schlechter, der Regen und der Schlamm machten einen Einsatz der Hunde fast unmöglich. Zu allem Überfluss begann es auch noch zu schneien. Wir beschlossen also, die Arbeiten für das Jahr komplett einzustellen und uns auf den Heimweg zu machen. Die Hündin hatten wir natürlich nicht vergessen. Wir waren jeden Tag mit Reparaturarbeiten beschäftigt und das Mädel bekam natürlich immer eine trockene Decke und Futter.

Ein paar Tage vor der Heimfahrt lag unser „Fundhund“ morgens unter dem Bagger und wartete auf uns. Nachdem die Minensuchhunde nicht mehr im Einsatz waren, blieb die Hündin den ganzen Tag in unmittelbarer Nähe und war lange nicht mehr so schüchtern wie zu Beginn.

Sie lag also unter dem Gerät und bot einen Anblick zum Steinerweichen … Eingehüllt in ihre Decke, unter dem Bagger, Hydrauliköl tropfte ihr auf den Kopf … Ich dachte, na ja, so geht es nicht. Was soll aus der Hündin werden, wenn wir nicht mehr vor Ort sind?

Großes Glück für „Happy“

Also nahmen wir sie mit in unser Camp. Dort wurde sie erst einmal gebadet, ordentlich getrocknet und war dann plötzlich verschwunden. Nach langem Suchen konnten wir sie schließlich entdecken. Sie lag in einer Zimmerecke hinter einer Materialkiste und verhielt sich ganz still. Sie wirkte keinesfalls verunsichert oder ängstlich, sie wollte lediglich nicht auffallen. Morgens sollte es dann mal rausgehen, schließlich „muss“ sie ja mal. Das Mädel war schier verzweifelt, vermutlich vermutete sie einen Rauswurf. Also schnell raus und noch schneller wieder rein. Ab hinter die Kiste, Kopf runter und bloß still sein.

Es war längst beschlossene Sache, „Happy“ – wie wir sie nannten – kommt mit nach Deutschland. Unser Tierarzt sorgte für die notwendigen Impfungen und dann ging es nach Hause. Die Dame war richtig froh, im Auto zu sitzen und verhielt sich auch in ihrer Box mucksmäuschenstill.

Probleme auf dem Heimweg gab es keine und so kamen wir nach knapp 20 Stunden daheim an. „Happy“ sollte ein neues Zuhause bei einer Nachbarsfamilie bei uns auf dem Land finden und sie kam dort auf Anhieb prima zurecht. Nachdem sie gelernt hatte, sich wirklich auf Menschen einzulassen und Vertrauen hatte, gab es bis auf gelegentliche jagdliche Exkursionen, die sie unternahm, keine Zwischenfälle.

„Happy“ war Zuhause angekommen …



Martin Weitkamp beschäftigt sich seit 40 Jahren mit der Ausbildung von Hunden.
Damals startete er mit der Ausbildung von zivilen Sprengstoffspürhunden, die zu dem Zeitpunkt in Deutschland noch extrem selten war. Im Rahmen dieser Tätigkeiten war er in vielen Ländern für die Ausbildung, das Training und den Einsatz der Hundeteams vor Ort verantwortlich. Durch die Arbeit für die US-Army, die British Forces, sowie für die Bundespolizei konnte Martin Weitkamp ein breites Spektrum an Erfahrung für die Anforderungen und Einsatzbedingungen in vielen verschiedenen Bereichen gewinnen.

Martin Weitkamp ist ebenfalls seit Jahren Autor für das Magazin HundeWelt.

Diese Story ist eine von vielen spannenden wahren Geschichten.
Wer gerne mehr lesen möchte, sollte sich unbedingt Martin Weitkamps Buch ansehen.


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