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Brief an Bruno | Ein besonderer Abschied

Martina und Marco Wehr lernen im Sommer 2020 Schäferhund-Mix “Bruno” im Tierheim kennen und nehmen das an der Wirbelsäule erkrankte Tier bei sich zu Hause auf. Dass der gemeinsame Weg ein kurzer sein sollte, war von Anfang an klar. Denn Bruno zieht zum Sterben ein. Am 11. Dezember 2022 muss er im Alter von über 14 Jahren erlöst werden.

Martina und Marco Wehr haben Bruno in dieser kurzen Zeit so sehr ins Herz geschlossen, dass sie sich dazu entschieden haben, posthum einen “Abschiedsbrief” an Bruno zu schreiben und den Verlust auf diese Weise zu verarbeiten. Wir danken den beiden, dass sie uns daran teilhaben lassen.

Seine letzten Jahre verbrachte Bruno wohlumsorgt bei Martina und Marco Wehr.

Lieber Bruno,

wenn man den ältesten Hund eines Tierheims mit allen seinen gesundheitlichen Problemen und kleinen demenzbedingten Wunderlichkeiten zu sich nach Hause holt, also Dich, sollte man sich keine Illusionen machen: Die gemeinsame Zeit würde nicht von langer Dauer und oft mühevoll sein, bis sie mit einem Abschied endet. Und so kam es letztlich. Wir hatten versprochen, Dir einen schönen Lebensabend zu bereiten und Dich nicht leiden zu lassen, wenn alles einmal zu viel sein sollte. Unsere Geschichte fing damit an, dass wir Dich zunächst regelmäßig im Tierheim besuchten und mit Dir spazieren gingen. Dann beschlossen wir, Deine Pflegestelle zu werden. Als es keine unbeschwerten Momente mehr gab, verwandelte sie sich in ein Hospiz, bis wir Dich ziehen lassen mussten. Wie Du dabei warst zum letzten Mal einzuschlafen, waren wir bei Dir und hielten Dich sanft fest. Friedlich hast du in diesem Moment ausgesehen. Ganz anders als in Deinen letzten Stunden zuvor, als Deine Hinterläufe Deinen hager gewordenen Körper nicht mehr tragen wollten. So begruben wir Dich am nächsten Tag in unserem Garten. Ob Du weißt, wie viele Momente der Freude Du uns gegeben und wie Du unsere Herzen berührt hast?

Letzte Ruhestätte hinter dem Apfelbaum

Den Platz hinter dem Apfelbaum hatten wir schon ausgeguckt, als Du noch fröhlich unter diesem umherstolpertest, begleitet von einer Schar neugieriger Hühner. Sie fanden das große gutmütige Felltier irgendwie faszinierend und tranken mit Dir sogar aus dem selben Napf. An jener Stelle brennt nun eine Kerze. Fällt unser Blick an dunklen Abenden auf sie, dann kommen die Erinnerungen an den vergangenen Sommer zurück, vielleicht der Sommer Deines Lebens. In der Rückschau fühlt er sich wie ein einziger langer Sonnentag unter blauem Himmel mit Blumenkohlwolken an. Er brachte tolle Spaziergänge mit uns und Deiner Mitbewohnerin, Jack-Russell-Mischling Lana, lange Abende auf der Terrasse mit ewig langem Ohrenkraulen, Abkühlungen aus der Gießkanne oder durch unfreiwilliges Hineinplumpsen in den Fischteich, Pöbeleien mit den Nachbarshunden über den Gartenzaun hinweg, Pilze suchen im Wald oder Deine Apfeldiebstähle aus dem großen Korb während der Ernte. So könnte Deine Geschichte an dieser Stelle enden, als Schlusspunkt einer Zeit, die voller Lachen war. Aber auf jeden Sommer folgt immer auch ein Winter. Eine rassetypische Wirbelsäulenerkrankung schränkte Dich von Tag zu Tag mehr in Deiner Beweglichkeit ein. Das Laufen wurde immer schwieriger.

Ein Hundeleben in Ungarn

Deine “guten” Jahre hattest Du schwarzer Schäferhund-Mischling irgendwo in Ungarn verbracht, angebunden an einer Kette vor einem Haus. Als der Tumor an Deinem After nicht mehr zu übersehen war, schienen Deine Tage gezählt. Eine Tierschützerin fand Dich zwar zufällig und ließ Dich dann in Deutschland operieren, aber dass sie Dir mit diesem Eingriff noch gut drei weitere Lebensjahre schenken sollte, das überraschte im Nachhinein. Und dass Dein unspektakuläres Hundeleben mit 13 Jahren nochmal eine Wendung nehmen, es nochmal hinausführen sollte aus dem kleinem gefliesten Raum mit dem vergitterten Auslauf, das hatte niemand zu hoffen geglaubt. Endstation Tierheim. “So einen Alten tut sich keiner mehr an. Der wird hier sterben.” So dachten viele und so hätte es auch kommen können.

Das letzte Foto von Bruno.

An diesem frostigen dritten Advent wurde es zu offensichtlich. Wir mussten schmerzlich feststellen, dass dieser dunkle Tag, der von Anfang an immer wie ein drohender Schatten im Hintergrund lauerte, nun angebrochen war. Du konntest dich kaum noch auf den Beinen halten. Deine Hinterläufe sackten ständig zusammen. Immer wieder stellten wir Dich auf die Pfoten, doch Deine schier unerschöpfliche Kraft, die wir immer so bewundert hatten, war aufgebraucht. Unter großen Mühen brachten wir Dich in Dein Hundebett. Wir deckten Dich zu und legten eine Wärmflasche an Deinen Rücken. Wir waren sehr froh, dass Du endlich Ruhe gefunden hattest, aber Du wirktest zugleich auch abgekämpft, ausgezehrt. Dein dichtes schwarzes Fell glänzte nicht mehr schön, sondern sah stumpf und schmutzig aus. Aus Deinen tränigen Augen schaute Müdigkeit ins Leere, denn die letzten Stunden waren nicht einfach für Dich. Nun war der Moment gekommen. Das Auto der Tierärztin hielt vor der Einfahrt. Mit einer großen Tasche trat sie auf die Terrasse und bereitete alles vor …

Einige Wochen sind seitdem vergangen und wenn wir uns die vielen Fotos und kleinen Videos von Dir anschauen, müssen wir meistens lächeln und hin und wieder erfüllt uns Wehmut. „Ihr würdet euch doch nicht nochmal so einen Pflegefall aus dem Tierheim holen, oder?” Das ist die Frage, die viele uns stellen, die unsere Zeit mit Dir aus der Nähe erlebt haben. Und tatsächlich drehte sich ein großer Teil unserer Tagesplanung meistens um Dich, denn Du solltest möglichst wenig alleine sein. Auch an Schlafen war oft nicht zu denken, wenn Du mitten in der Nacht durch den Garten spaziertest und nicht mehr zurück ins Bett fandest. Trotzdem bereuen wir keine Sekunde mit Dir. Die Verantwortung und die Fürsorge für Dein Wohlergehen haben uns mehr gegeben, als sie gekostet haben. Deine Dankbarkeit, die Du uns in jedem Moment entgegenbrachtest, es mit einem schrulligen Senioren versucht zu haben, hat uns für alles mehr als entschädigt, die Verantwortung und die Fürsorge für Dein Wohlergehen uns ein kleines bisschen wachsen lassen. Danke Bruno.

Erinnerungen

Unterwegs im Garten: Lana und Bruno
Duell um den gefüllten Napf – Henne Goldi zieht den Kürzeren
Meine Kugel lasse ich nicht los
Spaß im Garten

Fotos: Martina und Marco Wehr


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