Einsatz auf vier Pfoten! | Teil 32
Die bayerische Polizei ist für Bayern zuständig. Die mittelfränkische für Mittelfranken, die Nürnberger für Nürnberg. Diese Regel lässt sich verfolgen bis zur kleinsten Inspektion. Aber es gibt Ereignisse, die Revier-, Bezirks- und Landesgrenzen aufheben. Besonders dann, wenn eine Stadt oder ein Bundesland mit einer bevorstehenden Aufgabe aus polizeilicher Sicht überfordert wäre.
Ein besonderer Einsatz
Rollt ein Castor-Transport durch Niedersachsen, braucht das Land mehr Polizisten, als es selbst zur Verfügung hat. Also wird Verstärkung aus ganz Deutschland angefordert.
Nicht nur Bahnkilometer bedürfen zuweilen aufwändigen Schutzes, auch gefährdete Persönlichkeiten, beispielsweise bei Gipfeltreffen von Politikern.
An mir waren solche auswärtigen Einsätze bislang vorüber gegangen. Schließlich musste auch jemand zu Hause bleiben, um hier für Sicherheit zu sorgen.
Die Anfrage unseres Dienstplaners in meiner Mailbox erregte mein Interesse. Anlässlich der Papstreise nach Deutschland benötige die Stadt Erfurt noch einige Sprengstoffhundeführer: Wer meldet sich freiwillig?
Unsere Arbeit begann am Vortag
Der Papst! Wahrlich ein Besuch von ganz oben. Und sehr gefährdet obendrein, wie wir seit dem Angriff auf Johannes Paul II im Jahr 1981 auf dem Petersplatz in Rom wissen. Mit Carinas Hilfe wollte ich gerne einer der Schutzengel von Papst Benedikt sein. Vielleicht würde er mir sogar die Hand drücken? Oder Carina streicheln!
Wie alle Staatsoberhäupter ist auch der Papst ein viel beschäftigter Mann. Zudem zählt er zu den bestbewachten Menschen der Welt, weshalb ihm schon aus Sicherheitsgründen nur Auserwählte nahekommen dürfen. Mein Hund und ich gehörten nicht dazu, was ich aber gut verstand. Tiere haben in Kirchen in der Regel Hausverbot. Genau dieses zu missachten, war jedoch Teil der Aufgabe, die Carina und ich mit vielen anderen Sprengstoffhundeführern bewältigen sollten. Fast siebzig aus dem gesamten Bundesgebiet waren – neben mehreren Hundertschaften von Bereitschafts- und Schutzpolizei – in Erfurt zusammengezogen worden.
Unsere Arbeit begann am Vortag des großen Ereignisses. Nicht nur Gotteshäuser, auch die gesamte Fahrtstrecke des Heiligen Vaters musste akribisch abgesucht werden, inklusive sämtlicher Schaltkästen und Laternen am Straßenrand, Kanalöffnungen und Lichtschächten. Jeder Ort, an dem der Papst sich aufhalten oder nur in seinem Papamobil vorbei kommen würde, musste nach menschlichem und eben auch hundlichem Ermessen überprüft werden. Abgesuchte Versteckmöglichkeiten wurden im Anschluss amtlich versiegelt, Gullydeckel verschweißt, um ein nachträgliches Bestücken zu verhindern oder zumindest auffällig zu machen.
Wir sollten uns in Bereitschaft halten
Die Nacht verbrachten wir bayerische Hundeführer in einem kleinen Hotel am Stadtrand von Erfurt. Ich war froh, dass es uns erlaubt war, die Hunde mit ins Zimmer zu nehmen. Hier konnte sich Carina von dem anstrengenden Tag besser erholen als im Dienstwagen, den zu bewachen sie sich berufen fühlte, was sie wahrscheinlich um ihre verdiente Nachtruhe gebracht hätte.
Am nächsten Morgen, zwei Stunden vor Eintreffen des Papstes, sammelten wir uns am Rande des Domplatzes. Wir sollten uns in Bereitschaft halten für den Fall, dass verdächtige Gegenstände entdeckt oder gar Bombendrohungen eingehen würden.
Der Thüringische Einsatzleiter trat an unsere Gruppe. „Isch benödsche noch zweje von eusch für de Gadagomb’n hier under’m Dömblatz! Freiwillsche?“
Ein Hauch kühler Luft schlug uns entgegen
Gadagomb’n? Es dauerte ein paar Sekunden, bis bei mir der Groschen fiel. Er meinte die unterirdischen Gewölbe, auf denen wir standen. Ich dachte, die wären längst abgesucht worden? Der Hauptkommissar schaute mir direkt in die Augen. Mir blieb nichts anderes übrig, als zu nicken. Warum auch nicht? Eine Suche in geschichtsträchtigen, womöglich seit Jahren nicht mehr betretenen und spinnwebenverhangenen Verliesen stellte ich mir spannend vor.
Ein weiterer Kollege aus meiner Staffel, offenbar des Thüringischen mächtig, wollte mich gern begleiten. Zwei Minuten später standen wir mit unseren Hunden vor einer schweren Holztür, in der sich schon einige Generationen von Holzwürmern die Bäuche vollgeschlagen hatten. Sie machte dennoch einen stabilen Eindruck. Ihre verrosteten Beschläge knarrten, als der Einsatzleiter sie öffnete. Ein Hauch kühler Luft schlug uns entgegen. Ausgetretene Steinstufen führten hinab ins Dunkle.
Anscheinend hatte er wie ich etwas anderes erwartet.
Das aufkommende Gruselgefühl legte sich, als ich die gestapelten Bierfässer aus neuzeitlichem Aluminium links und rechts entdeckte. Ein profaner Vorratskeller? Nicht nur das: Am Treppenabgang hing ein Zeitplan, wann Führungen durch die Räumlichkeiten stattfanden.
Ich drehte mich nach meinem Kollegen um. Grinsend hob er die Schultern. Anscheinend hatte er wie ich etwas anderes erwartet.
Wir einigten uns darauf, dass er mit seinem Hund zunächst das Getränkelager absuchen und ich den Keller in Angriff nehmen würde.
Je tiefer mich Carina die in den Fels gehauene Treppe hinabzog, desto kälter wurde die Luft. Sie roch feucht und abgestanden. Vereinzelte Wandlampen verbreiten diffuses Licht. Wir standen in einer niedrigen Halle, von der drei breite, in den Fels getriebene Gewölbegänge abgingen. Welchen sollte ich wählen?
Hier erfährst du, wie es weitergeht.
Elmar Heer arbeitet seit 40 Jahren als Polizeibeamter. 1990 wechselte er vom Streifendienst zur Diensthundestaffel Mittelfranken. Schon früh entdeckte er seine zweite Leidenschaft: das Schreiben. Mit seinem Buch „Partner auf Leben und Tod“, erschienen bei Droemer-Knaur, gewährt der Autor dem Leser einen Einblick in Leben und Arbeit eines Polizeihundeführers. Er erzählt über seine Aufgaben als Hundeführer, die umfangreiche Ausbildung von Polizeihunden und über spannende, heitere und auch tragische Einsätze, die er mit seinen Schäferhunden Gundo, Bux, Carina und Sam erlebte.
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