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Lord – im gefährlichen Einsatz in Pakistan

Wenige Wochen nach einer Vorführung mit unseren Sprengstoffspürhunden in Pakistan meldete sich ein Colonel der Pakistan Ranger bei uns. Er teilte uns mit, dass man beschlossen habe, eine Sprengstoffspürhundestaffel innerhalb der Einheit aufzubauen und bat um unsere Unterstützung.

So ging es also nach Karachi, Pakistan. Die Anlage für die Hunde sollte innerhalb eines besonders abgesicherten Bereiches der Kaserne angelegt werden. Ich brachte meine Vorstellungen für den Bau und die Ausstattung zu Papier und führte noch einige Gespräche im Hinblick auf die Auswahl eventueller Bewerber für den Posten eines Hundeführers. Hier gab es neben der persönlichen Eignung noch viele andere Dinge zu beachten. Der Hund an sich ist im Islam nicht unbedingt ein Tier, zu dem man gern Kontakt hat oder haben darf. Daher war der Einsatz der Hunde insgesamt mit den Religionsführern zu besprechen und die Erlaubnis war einzuholen. Da die Sprengstoffspürhunde aber durchaus einen Sinn erfüllen und der Umgang mit ihnen wichtig ist, gab es keinerlei Probleme. Die Hundeführer hatten während ihrer Beschäftigung einen Overall zu tragen, diesen vor religiösen Handlungen natürlich ausziehen und sich gründlich zu waschen. Nachdem alle Fragen soweit wie möglich besprochen und geklärt waren, ging es dann erst einmal wieder nachhause. Meine Aufgabe war es nun, entsprechend geeignete Hunde auszuwählen und natürlich auch auszubilden. Insgesamt sollte die Staffel zunächst aus fünf Hunden bestehen. Aus verschiedenen Gründen hatte ich mich für Deutsche Schäferhunde entschieden und das machte die „Castings“, die ich nun durchführte, nicht gerade leichter. Da ich in Pakistan zunächst nur völlig unerfahrene Hundeführer zu erwarten hatte, die zudem vermutlich auch Berührungsängste dem Hund gegenüber haben würden, brauchte ich Hunde, die motivationstechnisch passend angesiedelt waren.

Wo die passenden Hunde finden?

Zufällig bekam ich mit, dass jemand einen Schäferhundrüden verkaufen wollte, weil er aus irgendwelchen Gründen nicht mehr mit ihm zurecht kam. Ich nahm Kontakt auf und schaute mir den Hund an. Es handelte sich um einen kräftigen Burschen, nicht zu groß, aber auch nicht zu klein und mit sehr ausgeprägtem Spielverhalten. Genau da lag nämlich auch der Grund des Verkaufs. Immer, wenn der Besitzer einen Ball oder eine Beißrolle wegwarf, schnappte sich der Hund das Spielzeug, lief weg und dachte gar nicht daran, es wieder abzugeben oder überhaupt zurückzukommen. Das sollte nicht das Problem sein, dachte ich mir, und Lord wechselte den Besitzer. Zuhause angekommen, begann ich direkt mit ihm zu spielen. Ich brauchte ungefähr 15 Minuten, dann entschied sich Lord, nicht mehr wegzulaufen. Er hatte nämlich festgestellt, dass Spielen mit dem Hundeführer durchaus Spaß machen kann. Zunächst gab ich ihm eine Beißrolle und natürlich düste er direkt mit seiner Beute los. Nach 10 Metern drehte er sich um und schaute nach mir. Ich rief ihn und bot direkt die zweite Beißrolle an und wir konnten vereinbaren, dass er mir seine Rolle gab und ich ihm meine. Es dauerte dann nicht lange und ich konnte zu Zerrspielchen übergehen, wobei ich ihm dann seine Beute erst einmal überließ. Das Problem war nämlich, dass der Vorbesitzer ihm sein Spielzeug immer direkt wieder abgenommen hatte – und mal ganz ehrlich, würden Sie denn immer wieder freudestrahlend zurückkommen, wenn Sie wüssten, das Sie rein gar nichts von der Spielerei haben und Ihre „Beute“ sofort wieder abgegeben müssen?

Der Tag der Abreise

Lord‘s Kollegen waren dann auch im passenden Zeitrahmen gefunden und die Ausbildung nahm die gewünschten Formen an. Der eine oder andere Lehrling hatte zwar zwischendurch ein kleines Formtief, aber das ist nur natürlich. Gerade dann, wenn der Hund nie wirklich gelernt hat zu lernen, strengt ihn eine zielgerichtete Ausbildung natürlich sehr an. Kam es also mal zu einem Tief, ließ ich die Hunde einfach ein paar Tage in Ruhe und dann ging es immer wie von selbst weiter. Der Tag der Abreise rückte näher, die Hunde hatten ihre Aufgaben gelernt und ich war sehr gespannt auf die Hundeanlage und darauf, ob sie denn wohl alle Erwartungen erfüllen würde. In Pakistan angekommen, gab es zunächst einmal Probleme am Zoll, da man irgendwie mit den Impfausweisen nicht klar kam, aber nach ca. zwei Stunden Debatte konnten wir dann mithilfe der Pakistan Ranger endlich ins Land. Zunächst mussten natürlich die Hunde versorgt werden und ich muss sagen, die neu gebaute Anlage war wirklich gut gelungen. Jeder Hund hatte ca. 20 qm Innenzwinger mit Ventilatoren und Klimaanlage sowie einen Freiauslauf von ähnlicher Größe. Die komplette Anlage war in Marmor gehalten und absolut funktionell und sauber. Natürlich gab es auch eine Futterküche und ein Krankenabteil. Ein Tierarzt stand rund um die Uhr zur Verfügung. Futter für die Hunde wurde jeden Tag frisch beschafft, es gab wahlweise Lamm oder Rind mit Reis und diversen anderen Zutaten. So ausgerüstet und versorgt, konnte und sollte eigentlich nichts schiefgehen.

Der erste Kontakt mit den Hundeführern

Auch die Hundeführer standen bereit, um ihren Hunden zugeteilt zu werden. Es gab insgesamt zehn Soldaten, die sich mit den Hunden beschäftigen sollten: fünf Hundeführer und fünf Beobachter. Der Beobachter hatte die Aufgabe, den Hund während des Absuchens genau im Blick zu haben, um eventuelle Verhaltensänderungen – und sei es nur ein Zucken der Rute – genau zu dokumentieren und dem Hundeführer mitzuteilen. Auch hatte der Beobachter den Diensthundführer genau im Auge zu behalten, um dafür zu sorgen, dass dieser in einer Suchanlage nichts übersah oder ausließ. Nachdem alle Paarungen gefunden waren – wir hatten versucht, die Teams nach den charakterlichen Eigenschaften zu beurteilen und zusammenzustellen –, konnte das Training starten. Die Hunde wussten, was sie tun hatten, die Hundeführer waren diejenigen, die komplett neu lernen mussten. Hierzu hatte sich mein Kollege etwas Nettes einfallen lassen … es gab einen so genannten Punishmentstone. Das war ein relativ großer und durchaus schwerer Felsblock, der einmal um die Hundeanlage im Laufschritt von einem Hundeführer getragen werden musste, wenn er Anweisungen nicht Folge leisten wollte oder konnte. Dieses System erwies sich als sehr effizient, zum einen gab es doch jedes Mal einen Gedankenanstoß, zum anderen konnte die körperliche Fitness der Hundeführer weiter ausgebaut werden. Sicherlich hätte diese Methode hier in Deutschland nur schwer Anklang gefunden, in Pakistan wurde sie gut und ohne Probleme angenommen. Machte ein Hundeführer wiederholt Fehler, reichte ein Wink in Richtung Stein und der Gute lief direkt los. Nach einiger Zeit liefen die Jungs schon selbst mit dem Felsblock um die Anlage, wenn sie mit ihren Leistungen nicht zufrieden waren. Die Hunde hatten alle überhaupt gar keine Probleme, weder mit ihren Hundeführern noch mit dem gesamten Umfeld. Wer einmal in Karachi gewesen ist, weiß, welchen Trubel und welche Geräuschkulissen es dort geben kann.

Training im Flugzeug

Für das Training bekamen wir alle möglichen Kulissen, die man sich nur wünschen kann. Wir waren in Flugzeugen, Zügen, im Cricketstadion, in diversen Kasernen und auf Parkplätzen. Aus der Ausbildung und dem Training an sich habe ich mich weitestgehend herausgehalten, denn ich sollte zusammen mit einem Kollegen den Abschlusstest abnehmen und versuchte daher, so neutral wie möglich zu sein. Nach drei Wochen intensiven Trainings war es dann so weit… die Prüfung stand an.
Es waren zwei Tage angesetzt, in diesen zwei Tagen galt es, 15 Anlagen mit jeweils unterschiedlichen Zielstoffen zu durchzusuchen. Jedes Team musste, um zu bestehen, 13 Anlagen fehlerfrei ausarbeiten und natürlich den Stoff anzeigen. Die ersten Anlagen befanden sich in einer Kaserne und bestanden aus einer Maschinenhalle und einer Werkstatt sowie diversen Unterkünften. Alle Teams waren am Abend erfolgreich gewesen, jedoch ist es immer wieder interessant, wie Menschen und dann natürlich auch die Hunde auf Prüfungssituationen reagieren. Hundeführer, die während des Trainings einen absolut souveränen Eindruck machten, wussten auf einmal nicht mehr geradeaus zu gehen und verloren, trotz des Beobachters komplett die Orientierung. Gott sei Dank konnte der Hund die Richtung angeben, wenn er den Zielstoff in der Nase hatte und so seinem Team den Erfolg sichern. Der zweite Tag brachte uns dann unter anderem zu einer Basis der Airforce, dort stand eine Linienmaschine für die Prüfung bereit.

Im Flugzeug zu suchen, ist nicht ganz einfach. Es gibt sehr viele Nischen und Klappen, der Hund muss wirklich überall hin und sich oft auf engstem Raum drehen und wenden, um wirklich jede Öffnung und jeden Spalt untersuchen zu können. Hier gab es dann auch die ersten Ausfälle, alles noch im Rahmen, aber natürlich wurden die Hundeführer nicht gerade entspannter. Die letzte Anlage schließlich befand sich auf einem großen Parkplatz, hier galt es, Autos abzuspüren. Für zwei Teams ging es um alles, nichts durfte mehr schiefgehen. Insgesamt hatten wir zwei Fahrzeuge präpariert, eines wurde recht zügig von allen Hunden angezeigt. In der letzten Suchanlage trat dann bei gerade den Hundeführern, die sich keinen Fehler mehr leisten konnten, ein in solchen Situationen weit verbreitetes Phänomen auf … der komplette Verlust der Orientierung.

Ein Hundeführer suchte mit seinem Hund zwei nebeneinander stehende Autos wohl 10 Mal ab. Dem Hund konnte man deutlich ansehen, dass er sich wirklich fragte, was denn mit seinem Teampartner los ist. Artig folgte er mit seiner Nase den Zeichen seines Hundeführers, aber ganz allmählich ließ dann auch die Kondition etwas nach. Immerhin hatten wir ca. 34 Grad und zu allem Überfluss hatte der Colonel eine Militärkapelle organisiert, die schon die ganze Zeit auf diesem Parkplatz lustige Weisen zur Ablenkung der Hundeteams spielte und uns gehörig auf die Nerven ging. Interessanterweise stand das präparierte Fahrzeug genau neben den beiden nun zigmal abgesuchten Autos.

Wir waren nahe am Nervenzusammenbruch, denn einen Fehler konnte das Team sich nicht mehr leisten. Irgendwann unterbrach der Hundeführer dann seine nutzlose Suche und lehnte sich erschöpft an ein Auto. Der Hund setze sich vor ihn und wir dachten alle, das war´s … plötzlich steht der Hund auf , dreht die Nase in den Wind, zieht gegen die Leine und damit seinen Partner mit, geht auf das präparierte Fahrzeug zu, nimmt Witterung am Rücklicht und setzt sich, obwohl die Leine ihm kaum noch Raum dazu gab. Gerettet, durchatmen, bestanden. Hätten wir den bewussten Punishmentstone dabei gehabt, der Hundeführer hätte diesen einige Male um den Parkplatz tragen dürfen. Aber so etwas passiert jedem. Insgesamt war dies ein gutes Beispiel für den Satz, den wir versucht haben den Teams immer wieder einzuhämmern: Vertrau immer deinem Hund, der weiß es besser, denn der hat die Nase.

Der feierliche Abschluss

Nach der bestandenen Prüfung gab es wenige Tage später eine feierliche Übergabe der Teams in den Dienst der Einheit im Beisein des Generals und des Deutschen Konsulats. Nur kurze Zeit später kam dann auch die Feuertaufe. Ein Cricket-Endspiel stand an und die Teams suchten im Vorfeld Bahnhöfe und Teile des Stadions ab. In einem Zug konnte dann Lord mit seinen Teambegleitern dann tatsächlich einen Sprengsatz finden und anzeigen. Über diesen Vorfall und die Arbeit der Hunde wurde dann ausführlich im pakistanischen Fernsehen berichtet. Dieser Fund allein war, denke ich, die ganze Mühe und Arbeit wert.

Ein MUSS für jeden, der sich auch nur ansatzweise mit Hundeausbildung beschäftigt.

Martin Weitkamp

Im Schatten der Gefahr

Hardcover, 128 Seiten, s/w

ISBN: 978-3-9815634-2-9

www.minervastore.de

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