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Wie ist es wohl, die Welt als Riechtier zu erleben?

Es ist schon etwas Wahres dran – wir Menschen und Hunde teilen uns zwar die gleiche Welt – aber wir erleben sie grundsätzlich verschieden. Christoph Jung hat mit Prof. Horowitz darüber gesprochen, auf welche Weise Hunde die Welt erriechen. Und was wir Menschen tun können, um unsere Hunde besser zu würdigen.

Professor Horowitz, Sie leiten das Dog Cognition Lab, eine spezielle Arbeitsgruppe für die Erforschung der Sinneswahrnehmungen bei Hunden, und haben bereits mehrere Bücher zur Welt des Riechens der Hunde geschrieben. Ihr letztes Buch ist jetzt in Deutsch erschienen: “Hund-Nase-Mensch – Wie der Geruchssinn unser Leben beeinflusst”. Was ist denn so faszinierend am dem Geruchssinn der Hunde?

Alexandra Horowitz: Ich bin daran interessiert, den Verstand, den Geist, das Denken der Hunde zu verstehen; überhaupt wie es sein muss, ein Tier zu sein. Riechen ist der schärfste Sinn der Hunde. Da ist es entscheidend, sich vorstellen zu können, wie es sein muss, die Welt als Riechtier zu erleben. Und das ist etwas ganz anderes als bei den visuell orientierten Lebewesen wie wir Menschen es sind. Das Riechen mal ganz einfach als Informationsquelle zu verstehen – statt wie bei uns üblich, einzelnen Gerüchen lediglich die Bewertung gut oder schlecht zu geben – ist eine ganz andere, faszinierende Art, die Welt zu erleben. Fast alles hat einen Geruch. Hunde kennen uns über unseren Duft; und sie riechen dabei auch noch viele weitere Informationen. Sie können über unseren Duft Informationen aus der Vergangenheit und über die visuelle Zukunft erhalten. Ältere Gerüche haften an unseren Füßen, während Hunde uns bereits riechen können, bevor wir um die Ecke kommen und zu sehen sind.

Was sind denn die wichtigsten Unterschiede im Aufbau der Nase zwischen Hunden und uns Menschen?

Alexandra Horowitz: Unsere Nasen sind im Prinzip gleich aufgebaut. Doch ist die Hundenase wesentlich komplexer aufgebaut. Hunde haben Hunderte von Millionen mehr Riechzellen als wir. Die Zellen sind am Ende der Nase, identifizieren die Gerüche aus der Luft und leiten die Informationen direkt an das Gehirn weiter. Wie gesagt Hunderte von Millionen! Die langen Schnauzen der Hunde sind voll von speziellen Knorpeln, Nasenmuscheln oder Conchen genannt, die die Gerüche zu den Riechzellen fächern. Mal zum Vergleich, wir Menschen haben gerade einmal drei – zudem schwach ausgeprägte – Nasenmuscheln. Dann haben Hunde eine Art Seitenschlitze in der Nase, worüber sie die verbrauchte Luft ausatmen können, ohne dass sie die Nase mit den neuen, gerade eingeatmeten Gerüchten leeren müssten. Wir Menschen müssen beim Ausatmen über die Nase immer die ganze Luft aus der Nase lassen. Erwähnte ich, dass sie zugleich viel schneller schnüffeln?

Was ist letztlich das Ziel, der Zweck Ihrer Forschung zum Riechen?

Alexandra Horowitz: Um überhaupt eine Vorstellung entwickeln zu können, wie es ist, sich die Welt per Riechen zu erschließen, muss ich zunächst einmal ein besseres Verständnis bekommen, was Hunde riechen. Ich bin da an allem interessiert, etwa ob unterschiedliche Mengen eines selben Objektes unterschiedlich riechen, bis hin zu der Frage, ob Hunde sich selbst allein über den Geruchssinn erkennen können – und das scheint wirklich so zu sein.

Da will ich gleich einmal anknüpfen. In unserer menschlichen Welt kommunizieren wir hauptsächlich über unsere Stimme und mit Hilfe von Wörtern. Ich denke, dass Hunde viel Gerede eigentlich gar nicht mögen. So kommuniziere ich mit meinen Hunden meistens still und ohne Worte. Trotzdem oder besser, gerade deswegen, verstehen mich meine Hunde sehr gut – so jedenfalls mein Eindruck. Ich denke, Hunde sind hervorragende Beobachter, gerade was nonverbale Kommunikation betrifft.

Alexandra Horowitz: Ja! Einige der allerersten Studien zur Kognition, zur Wahrnehmungswelt der Hunde behandelten genau diese Frage: wie gut sind Hunde in der sozialen Wahrnehmung – was im Grunde nichts anderes ist als die Fähigkeit, Informationen von Sozialpartnern zur Problemlösung zu nutzen. Das funktioniert im Übrigen bei uns Menschen auch so. Ich stelle mir gerne die Hunde als Menschenbeobachter, als quasi Anthropologen, bei uns zu Hause vor. Sie beobachten uns ständig und versetzen sich in die Lage, selbst die subtilsten Verhaltensregungen von uns Menschen zu unterscheiden. Auf der anderen Seite könnten wir auch etwas mehr Zeit investieren, unsere Hunde zu beobachten und zu lernen, sie zu lesen!

2015 wurde eine Studie veröffentlicht, die zu dem Ergebnis gekommen war, dass ein Mops bessere Leistungen beim Unterscheiden von Gerüchen zeige als der Deutsche Schäferhund oder ein Greyhound. Das fand ich schon sehr überraschend. Gibt es zwischen Hunderassen wesentliche Unterschiede in den Leistungen des Geruchssinns?

Alexandra Horowitz: Das war ein faszinierendes Ergebnis! Allerdings muss man es genauer anschauen. Es waren nur wenige Hunde, nur neun Möpse beteiligt. Einige Forscher argumentierten zudem, dass die Aufgabenstellung nicht sehr natürlich war: Die Hunde waren darauf trainiert worden, Anis-Geruch von neutralem Geruch zu unterscheiden. Andere Studien haben bestätigt, dass Spürhunde, Hunde die auf Nasenarbeit trainiert waren, bessere Leistungen bei Riechaufgaben zeigen. Sie arbeiten zuverlässiger und identifizieren bereits geringere Konzentrationen.

Was können wir aus Ihren Erkenntnissen für das tägliche Leben mit unseren Hunden lernen?

Alexandra Horowitz: Der Geruch ist die Welt des Hundes. Sie kennen uns über unseren Geruch. Sie grüßen sich untereinander per Riechen. Wir sollten sie riechen lassen. Ich ermutige die Menschen, die mit ihren Hunden an der Leine spazieren gehen, immer wieder, mindestens einen Tag pro Woche zu einem „Riech-Spaziergang“ zu erklären. Da sollte es dem Hund erlaubt sein, an allem zu riechen und das so lange er will. Du wirst da zwar nicht sehr weit kommen. Aber für einen Hund ist es genau das, was einen Spaziergang ausmacht.

Welche Fähigkeit fasziniert Sie als echte Expertin an den Sinnen der Hunde am meisten?

Alexandra Horowitz: Ich bin immer wieder erstaunt, wie unverstanden dieses so vertraut erscheinende Tier in Wirklichkeit ist. Hunde sind ein gutes Vorbild, sich zu vergegenwärtigen, oder wenigstens zu erinnern, dass es nicht nur einen einzigen Weg gibt, die Welt zu sehen. Die meisten Tiere können riechen, hören, elektrische oder magnetische Felder erkennen und selbst spezielle visuelle Reize wahrnehmen – was wir alles nicht können. Hunde haben sich an unsere Welt angepasst. Aber wir haben ihrer Welt nicht annähernd genug Aufmerksamkeit geschenkt.

… Herzlichen Dank für das Gespräch, Prof. Dr. Horowitz.


Prof. Dr. Alexandra Horowitz ist Psychologin und lehrt seit 2004 als Adjunct Associate Professor am renommierten Barnard College der Columbia Universität in New York. Dort leitet sie das Dog Cognition Lab, das sich mit der Kognition von Hunden und speziell der Bedeutung des Riechens befasst.

Dieses Interview stammt aus dem Magazin HundeWelt.

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