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Was willst du mir sagen? | Was das Verhalten unserer Hunde über unsere Persönlichkeit sagt

Laurent Amann ist Verhaltensbiologe, Tierkommunikator und schamanischer Heiler. “Tiere wollen uns Menschen helfen, glücklicher und gesünder zu leben”, sagt er. “Wir können viel von ihnen und ihren Botschaften lernen. Dazu brauchen wir viel Feinfühligkeit und das richtige Gespür.” Claudia de la Motte sprach mit Laurent Amann über das, was Hunde uns sagen.

Sie sind studierter Verhaltensbiologe, Herr Amann. Dabei handelt es sich um eine Naturwissenschaft, die sich ausschließlich auf nüchterne Forschungsergebnisse stützt. Tierkommunikation, Schamanismus ist das exakte Gegenteil – wie sind Sie dazu gekommen?

Laurent Amann: Von klein an habe ich mich für Tiere begeistert. Ich wollte sie mehr und mehr verstehen, habe studiert und in der Doktorarbeit ist etwas geschehen, da bin ich geswitcht. Ich führte eine Testreihe über das soziale Lernverhalten an Papageien durch. Es waren Intelligenztests über z.B. “Wie schnell finden sie das Futter? Wie schnell können Sie lernen und wie interagieren sie zusammen? Und ich hatte sehr gute Resultate in jedem Test, meine Papageien waren unglaublich schlau. Aber in der Wissenschaft ist es so, dass jemand anders den Test wiederholen muss. Wissenschaft muss wiederholbar sein. Nur, wenn jemand anders die Tests machte, waren die Vögel plötzlich viel schlechter. Also muss ich die Tiere beeinflusst haben.

Nur wie? Alles lief über Videoaufnahmen ab. Die Papageien sahen nicht meinen Körper und hörten auch nicht meine Stimme. Es gab nur einen Unterschied: Ich habe immer voll und ganz an meine Tiere geglaubt. Ich habe darauf vertraut, dass sie die Übung bestmöglich lösen werden. Und andere hatten dieses Vertrauen nicht. Und da habe ich erkannt, dass es mehr gibt als das, was die Wissenschaft jetzt bereit ist zu messen. Was ich fühle spielt für Tiere eine Rolle, was ich denke spielt für sie eine Rolle. Das ist jetzt 10 Jahre her. Damals war es ein Tabuthema. Also musste ich die Wissenschaft verlassen und andere Wege finden, die Verbundenheit zu erforschen und zu verstehen.

Und dann?

Laurent Amann: Der nächste Schritt war die Ausbildung zum Tiertrainer bei Hunden. Aber auch da habe ich schnell gemerkt: Die richtige Körpersprache zu haben und die Kommandos in der richtigen Stimme auszusprechen ist nicht genug. Da findet wirklich mehr in der Kommunikation und im Austausch statt zwischen Hund und Mensch. So habe ich selbst weiter geforscht und neue Wege gesucht, um Mensch und Tier zu unterstützen.

Was haben Sie dabei herausgefunden?

Laurent Amann: Es gibt verschiedene Gründe, warum ein Hund ein problematisches Verhalten hat. Zunächst kann es daran liegen, dass ich es ihm unabsichtlich beigebracht habe. Der Hund bellt, also werfe ich den Ball. Der Hund hat gelernt: wenn ich belle, gibt es Ballspiele. Aber es kann auch daran liegen, dass sie uns spiegeln. Damit machen sie uns auf etwas aufmerksam, was in uns nicht authentisch ist oder außer Balance geraten ist. Und die dritte Möglichkeit kommt dann in Betracht, wenn Hunde eine schlimme Vorgeschichte haben. Hunde, die sehr gelitten haben und die in einem Trauma hängen geblieben sind, weil sie gesehen haben, wie beispielsweise die Mutter erschossen wurde. Diese Hunde tragen wirklich Traumen mit sich, diese gehören geheilt.

Aber das Schöne ist, die Menschen sind immer bereiter, tiefer in die Gefühle ihrer Tiere hineinzutauchen. Früher hat man dann schon eher, wenn der Hund nicht perfekt war, den nächsten geholt. Früher war der Hund da, um das Haus zu verteidigen oder die Kühe zu treiben. Solche Aufgaben haben die Hunde nicht mehr. Sie sind heute viel mehr Partner und denen wollen wir emotional auch helfen. Sehr oft ist das so, dass wir eine ähnliche Geschichte haben, wie der Hund sie hatte. Wenn wir dem Hund helfen, Heilung zu finden, heilen wir uns auch selbst.

Was lernen Menschen bei Ihnen?

Laurent Amann: Zuerst gilt es Bewusstsein zu schaffen, dass Körpersprache und Stimme zwar eine Rolle spielen, aber nicht reichen. Der Hund nimmt vielmehr unsere Ausstrahlung wahr. Die inneren Bilder, die wir haben, die Gefühle: ich muss mit all meinen möglichen Kommunikationskanälen genau die gleiche Botschaft senden. Zum Beispiel wenn ich in der Stadt bin und warte mit meinem Hund auf die Straßenbahn. Der Hund ist vielleicht nervös und dann wird auch der Mensch nervös.

Innerlich fragt er sich vielleicht: “Was denken die anderen über mich? Die denken, ich habe den Hund nicht unter Kontrolle..” Und dann sagt er “Sitz”. Der Hund kann “Sitz” aber er wird sich nicht setzen, weil er das Gefühl eben auch wahrnimmt. Die Unruhe, die Not. Wenn er meinen Anweisungen folgen soll, sollte ich mir vorher die Frage stellen: “Stehe ich auch dazu, dass der Hund sich hinsetzen soll? Welche Ausstrahlung habe ich dazu in mir?” Zuerst empfiehlt es sich, in sich hinein zu fühlen. Der nächste Schritt ist dann zu verstehen, dass das Verhalten vom Hund größtenteils von mir anhängig ist. Will ich, dass mein Hund sich ändert, muss ich mich zuerst selbst ändern.

Und wenn ich, wie in diesem Fall, nervös bin?

Laurent Amann: Es ist nicht leicht, Nervosität abzulegen, aber man kann es lernen. Man kann lernen, wieder zu sich zu kommen. Eine Methode, die wissenschaftlich bewiesen ist: mehrmals tief ein -und ausatmen wirkt Wunder. Oder entdramatisieren. Wen interessiert es morgen, wenn der Hund sich heute nicht hinsetzt. Ein wenig zumachen, sich gedanklich in eine Glaskugel reinsetzen und mit sich sprechen: “Ich will jetzt runterkommen, damit mein Hund auch runterkommen kann.” Am Besten übt man die Ruhe erst einmal Zuhause.

Wie fühlt sich mein Körper an, wenn ich in der Ruhe bin? Und dann stelle ich mir das Erlebnis noch einmal vor und bleibe dabei ganz ruhig. Fühle bewusst die Nervosität hochkommen und teste aus, wie ich wieder runter kommen kann.

Wie geht man in Kontakt zu seinem Hund?

Laurent Amann: Man fühlt sich ein. Wir kennen das in der Mutter-Kind-Bindung. Eine Mutter weiß immer, wie es ihrem Kind geht. Genau das kann man üben, mit einem Tier schnell herzustellen. Man nimmt wahr, wie geht es dem Tier gerade. Ohne sich vorher durch seine Beobachtungen festzulegen. Denn Hunde können die Körpersprache sehr gut täuschen. Genauso wie es auch Menschen tun.

Es kann sein, dass der Hund Schmerzen hat, aber der Mensch denkt, der Hund sei ängstlich. Vielleicht zeigt er das körperlich nicht, aber man kann es fühlen. Ich kannte einen Mops, der mit seiner ganzen Mimik, seinem ganzen Körper signalisierte: “Ich sterbe, wenn du mir kein Brötchen gibst”. Das stimmte natürlich nicht.

Wenn Sie auf Ihre Tätigkeit zurückblicken: Was wollen Hunde uns am häufigsten mitteilen?

Laurent Amann: Ein sehr großes Thema ist im Hier und Jetzt zu leben. Hunde machen sich wenig Sorgen um die Zukunft und hängen auch nicht viel in der Vergangenheit. Gut, wenn es ein Trauma gibt, dann schon. Aber sie sind schnell bereit, es gehen zu lassen. Wenn der Hund seinen Besitzer auf das Leben im Moment aufmerksam macht, sind die Besitzer oft in Depressionen oder im Burn-Out. Dann haben sie einen Hund, der komplett im Hier und Jetzt lebt und der seinen Besitzer da rein ziehen will. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn ein Hund seinen Menschen immer braucht – sie nerven mit einem Spielzeug, bringen den Ball, wollen raus und wieder rein und wieder raus. Und der Mensch denkt, der Hund ist hyperaktiv. Warum habe ich genauso einen Hund bekommen? Weil er lernen soll, im Moment zu leben.

Der allergrößte Punkt ist jedoch, authentisch zu sein. Wir haben uns eine Fassade aufgebaut und verlernt mit Gefühlen umzugehen. Es gehört sich nicht. Wut und Aggression sind nicht auslebbar und müssen runtergeschluckt werden. Das tun die Hunde nicht. Wenn ich also einen aggressiven Hund habe, sollte ich mich fragen, ob ich auch Aggressionen in mir trage, die ich so sehr unterdrücke, dass es mir schadet. Wie kann ich mir dafür ein Ventil suchen? Kampfsportarten sind dann immer eine hervorragende Methode, wo auch jedes Gefühl raus kommen kann. Der Hund spiegelt das, was in uns vorgeht. Zum Beispiel Aggression, die ich nicht auslebe. Schwieriger ist es, wenn die Hunde das gegensätzliche Verhalten spiegeln.

Wenn dann zum Beispiel ein bescheidener Mensch mit einem kraftvollen, stolzen Hund zusammenlebt. Der Hund lebt aus, was dem Menschen fehlt. Dann kann die Situation kippen, dass der Hund immer mehr Stolz und Macht übernimmt und der Mensch in die Ohnmacht geht. Anstatt von dem Hund zu lernen, geht jeder in sein Extrem. Oder ich höre oft: “Wir sind alle so friedlich und harmonisch und der Hund hasst jeden Menschen.” Der Hund will sie darauf aufmerksam machen, dass diese Harmonie nicht authentisch ist, es ist eine Scheinharmonie und der Hund will diese Spannung ausbalancieren. Mit dem Ziel, dass die Menschen ihre echte Mitte finden.

Wenn die Menschen sich eingestehen, dass sie nicht nur harmonisch sind, beruhigt sich der Hund auch sehr schnell. Im Grunde genommen geht es um Verantwortung. Nicht sofort ist der Hund schuld.

Wenn Sie einen Wunsch frei hätten…?

Laurent Amann: Wertschätzung. Ich bin in vielen Ländern unterwegs. In Frankreich werden die Hunde mitgetragen wie eine Handtasche. Sie werden an der kurzen Leine hinterhergeschleppt und der Hund hat zu gehen. In Luxemburg war der Hunde lange ein Prestigeobjekt. Rassehunde werden stolz im Garten hergezeigt, sehen perfekt aus, doch das war’s auch. Aber, es ändert sich gerade stark. Hin in eine enge Bindung. In Deutschland und Österreich, ist Vermenschlichung ein häufiges Thema. Dass man die Bedürfnisse des Hundes nicht mehr sieht.

Dann ist er ein Kindersatz oder ein Partnerersatz und dann muss der Hund mehr geben, als er kann, weil der Hund dafür eben nicht gemacht ist. Wertschätzung fehlt überall. Der Hund hat ein Leben, er will glücklich sein, Erfahrungen machen, sich austauschen. Es ist ein Lebewesen, mehr als “Nur ein Hund”. Er ist ein Lehrer, ein Coach und er kann uns sehr viel lehren.

Sehr geehrter Herr Amann, vielen Dank für das Gespräch.

Gemeinsam mit Co-Autor Asim Aliloski hat Laurent Amman ein tolles Buch zu diesem Thema geschrieben – von uns eine klare Leseempfehlung.

Die geheime Seele meines Hundes – Und was das Verhalten meines Hundes über meine Persönlichkeit aussagt

ISBN: 978-3-86882-780-4 / €16,99 DE / €17,50 AT


Laurent Amann (35 Jahre) ist Bestseller-Autor, Verhaltensbiologe, Tierkommunikator und schamanischer Heiler. In der Öffentlichkeit ist er unter dem Namen „Tierflüsterer“ bekannt. Er trainiert Tierbesitzer, ihr Haustier mit mehr Intuition zu erziehen und schafft neues Bewusstsein für die Gefühle und Seele der Tiere.

Darüber hinaus berät er Halter von Nutztieren und Betreibern von Landestierheimen, Naturreservaten, Zoos und anderen großen Tiereinrichtungen darin, gesündere Lebensbedingungen für ihre Tiere zu schaffen und ihre Bedürfnisse von Körper, Geist & Seele ganzheitlich zu erfüllen. Der gebürtige Luxemburger mit französischen Wurzeln studierte Verhaltensbiologie in Luxemburg sowie Frankreich und arbeitete mehrere Jahre als Tierverhaltensforscher an der Universität Wien.

Dieses Interview stammt aus der HundeWelt.

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