
Theis und Johann – zwei Holländer in der Ausbildung
Ende letzten Jahres bekam ich zwei Malinois-Rüden aus Holland zur Ausbildung. Der Besitzer wusste nicht recht, was er mit den beiden anfangen sollte. Also hatte er die Idee, ich könnte aus den Burschen Sprengstoffhunde machen. Theis, ein etwas kleinerer, aber sehr agiler Hund, war gerade etwas über ein Jahr. Er war ausnehmend clever, blitzschnell und wendig. Natürlich versuchte er zunächst mal auszuprobieren, wie weit er bei mir so gehen kann. Man biss also schon mal in die Hand, weil man versuchte, an den Ball zu kommen oder schnappte nach dem Arm, wenn der Ball geworfen werden sollte.
Am ersten Tag ließ ich ihn ein wenig gewähren, um ihn und seine Verhaltensweisen etwas näher kennen zu lernen, am zweiten Tag diskutierten wir die Angelegenheit. Die besseren Argumente lagen bei mir und wir wurden uns einig.
Johann (2) war ebenfalls sehr lebhaft, aber bei Weitem nicht so clever wie sein Kollege. Er hatte offenbar nicht so viel oder guten Kontakt zu Menschen, denn ihm fiel es sehr schwer, sich zu konzentrieren oder mich anzuschauen. Er lebte hauptsächlich in und von seiner Spielmotivation.
Nachholbedarf im bloßen Umgang
Hörzeichen waren den beiden nicht so geläufig, es sei denn, man brüllte „AFF“ oder „LOSS“, dann legten sie sich oder nicht und ließen los oder eben nicht. Also bei beiden war da wohl etwas Nachholbedarf im bloßen Umgang miteinander vorhanden. Daher entschied ich mich, beide Hunde zunächst einmal nur zu „clickern“, um überhaupt eine Grundlage der Kommunikation zu schaffen. Das klappte bei Theis exzellent und sehr schnell, auch bei Johann fand ich auf diesem Weg einen Zugang. Zeitgleich startete ich die Suchübungen mit einem Stoff. Alle anderen Stoffe wollte ich über die Gläserreihe mithilfe des Clickers konditionieren.
Die ersten Versuche
Nachdem beide den ersten Geruch verstanden hatten und ich das Anzeigeverhalten schon grob mit antrainiert hatte, konnte ich den nächsten Schritt beginnen. Theis war in allem überdurchschnittlich schnell – einmal gezeigt, und schon hatte er es begriffen. Johann tat sich etwas schwerer, aber kein Problem, er holte auf. Nach ungefähr vier Wochen waren beide dann insgesamt etwas besser zu führen und auch gut für die Spürarbeit eingestellt. Die Zeit war reif für die Arbeit an der Gläserreihe. Zunächst war es natürlich für beide schwierig, da ich von Anfang an darauf bestand, dass jedes Glas für sich abgeschnuppert werden musste und ich direktes „Nachvorn“ einfach nicht zuließ. Natürlich geht die Ausbildung dann nicht immer geradeaus und stetig vorwärts, insbesondere dann, wenn neue Inhalte eingebaut werden. Rückschritte und Misserfolge gehören dazu, man darf sich nur nicht entmutigen lassen oder gar dem Hund die Schuld geben. Weder bei Theis noch Johann klappte der Übergang reibungslos. Wenn es gar nicht ging, brachte ich die beiden in eine Box und ließ sie erst einmal in Ruhe. Meist klappte es danach deutlich besser. Nachdem der Ablauf an der Reihe verstanden war, erzielte gerade Theis bemerkenswerte Ergebnisse. Innerhalb einer Trainingsrunde konnte ich ihm sechs unterschiedliche Gerüche mithilfe des Clickers vermitteln. Alle zeigte er in der zweiten Runde problemlos an. Auch Johann kam sehr gut voran. Ich denke, ohne den Clicker wäre es sehr schwierig geworden. Nachdem alle, zumindest die meisten Stoffe, „abgespeichert“ waren, verlegten wir uns auf die einsatzgemäße Suche in wechselnden Örtlichkeiten wie Werkstätten, Lagerhallen, Fahrzeugen etc.
Einsatz im Hafen
Es passte wunderbar in das Trainingskonzept, dass ich über drei Wochen einen Spürhundauftrag zur Absuche von Seefracht hatte. Ich nahm die beiden also mit, da ich dort natürlich perfekte und realistische Trainingsmöglichkeiten hatte. Natürlich wurde die Fracht zunächst mit meinen zugelassenen Hunden, Darex und Banja abgesucht. Danach durften sich dann Theis und Johan austoben. Abends waren wir alle fünf todmüde und hatten kein Interesse mehr an irgendwelchen anderen Aktivitäten. Die Erfahrung tat den beiden wirklich gut, das Problem war nur: direkt nach dem Einsatz stand die alljährliche Prüfung an. Selbstverständlich sollten Johann und Theis teilnehmen. Mittlerweile wurde es schwer, die Hunde nach dem langen Einsatz und der täglichen Sucharbeit bei Laune zu halten. Kreativität war gefragt, die Anlagen wurden sehr kurz und sehr leicht, das Bestätigen intensiver und die Hunde richtig „hochgejubelt“. Den ersten Prüfungstag bewältigten alle noch ganz gut, nur ich hatte so meine Probleme. So versagte ich bei ersten Anlage gerade bei meinem „Darex“ fast völlig. Gott sei Dank ist er deutlich erfahrener und führte mich sicher ans Ziel. Bei Theis und Johann war allerdings dann meine Führung wieder gefragt und wir konnten die Aufgaben des ersten Tages bewältigen. Theis machte es mir ziemlich leicht, denn er fand sehr schnell und sicher. Auch über Johann konnte ich mich nicht beklagen. Der zweite Tag wurde nicht leichter, die Luft war ziemlich raus. Aber mit viel Motivationsarbeit vor Betreten der Anlage kamen wir über die Runden und die beiden hatten bestanden. Theis hat einen sehr guten Job bei einem sehr netten Hundeführer in München gefunden und Johann blieb bei mir.

Ein MUSS für jeden, der sich auch nur ansatzweise mit Hundeausbildung beschäftigt.
Martin Weitkamp
Im Schatten der Gefahr
Hardcover, 128 Seiten, s/w
ISBN: 978-3-9815634-2-9
www.minervastore.de