Neuroathletik: Wie Hunde ihren Geruchssinn wiederfinden
Riechen ist für unseren Hund so selbstverständlich wie atmen. Wie fühlt er sich, wenn er seinen Geruchssinn verliert? Manchmal sind Medikamente daran schuld. Oder Kokosnussöl. Was nun hilft.
Ich erinnere mich noch gut an einen meiner ersten Spaziergänge mit meinem Goldie-Welpen.
Sie watschelte neben mir, schön brav an der Leine. Die Sonne schien, es war ein warmer Spätsommertag und am Rand des Feldes lag leicht angewelktes, gemähtes Gras. Sie blieb stehen, verdrehte ihre Augen und ließ sich – plumps – auf die Seite fallen. Mitten rein, ins weiche duftige Riechvergnügen. Ich stand davor, und schaute mir diesen glücklichen, kleinen Hund an. Sie schmiegte sich immer tiefer mit der Nase ins duftende Grün, die Pfötchen wirbelten die trockenen Halme auf, so dass der Geruch mich wie eine Wolke umhüllte. Riechen macht glücklich. Und wie ist es für einen Hund, wenn er das auf einmal verliert?
Wenn das Tor zur Welt sich schließt
Anosmie lautet das Wort, das die Welt eines Hundes ins Wanken bringen kann. Damit bezeichnen Mediziner den Verlust oder die Verminderung der Riechfähigkeit. Der Geruchssinn ist der erste Sinn, der in einem Hund als Welpen erwacht und der letzte, der ihn verlässt. Und was, wenn auf einmal alles gleich riecht, nämlich nach nichts? Das kommt gar nicht so selten vor. Manche Medikamente oder Erkrankungen machen den Hund nasenblind. Manchmal bleibt es für immer. Nur können Hunde es nicht sagen. Man merkt es auch als Halter kaum. „Es braucht einen sehr klugen Besitzer, um Anosmie bei Hunden zu erkennen“, weiß Dr. Sarah Moore, Tierärztin und Professorin am College of Veterinary Medicine der Ohio State University. Sie ist auf Veterinärneurologie spezialisiert. „Es ist ziemlich schwierig, vor allem, wenn es nur eine Seite der Nase betrifft.” In der Regel kommen Halter von Spürhunden zu ihr, die ihre Arbeit nicht mehr sicher ausführen. Letztens war es ein Bettwanzenspürer. „Der Hund ging in die Häuser der Leute und roch nach Bettwanzen, und die Halter bemerkten eine Veränderung in der Art und Weise, wie er seinen Job machte”, sagt sie. “Hunde sind gut darin, einen Geruchsverlust zu kompensieren.”
Sie tun dann einfach so, als ob. Hunde sind Meister der Tarnung. Für einen Laien ist das nur schwer feststellbar, der Vierbeiner senkt nach wie vor die Nase mit zuckenden Nüstern ins Gras. Man muss als Laie schon ganz genau hinschauen, ob die Nase wirklich in Gebrauch ist. Halter, die ihren Hund beruflich führen, merken es schneller, weil die Resultate nicht mehr stimmen.
Aber wie kann ein Hund seine Nase verlieren?
„Auf der Liste der Ursachen stehen Dinge wie Infektionen der Nasenschleimhaut oder chemische Reizstoffe, also Dinge, die eine Entzündung der Nasenschleimhaut hervorrufen können, sei es durch Infektionen oder andere Ursachen”, so Moore. Ein typisches Beispiel? Chlor. Mir selbst ist es zum ersten Mal aufgefallen, als meine Goldie-Hündin, die sich ohne Zögern auch im Winter noch in jeden Tümpel stürzt, den Sprung in den Pool von Freunden verweigerte. Der Geruch nach Chlor lag wie eine Wolke über dem Wasser, fällt mir im Rückblick auf. Ich fand ihn angenehm, so sauber und rein. Meine Hündin war sichtlich hin- und hergerissen. Sie lief immer wieder am Rand entlang, sah uns im Wasser planschen und wollte hinein, aber der Geruch hielt sie letzten Endes davon ab. Ihre Körperhaltung spiegelte ihren inneren Konflikt wieder, irgendwann musste die Anspannung raus und sie begann, zu bellen.
Chlorhaltige Reiniger sind so intensiv, dass sie den Geruchssinn des Hundes überwältigen. So sehr, dass er nichts mehr riechen kann. Manche von uns haben ein ähnliches Gefühl, wenn sie in eine parfümgeschwängerte Drogerie gehen. Der Duft kann so extrem sein, dass die Nase auf einmal wie taub wird. Und dann? Atmen wir durch den Mund und vermeiden es so, den Geruch zu riechen. Hunde können das nicht. Für sie ist eine Geruchsexplosion verheerend, weil sie ihr ausgeliefert sind. Sie werden nasenblind. Die Erkenntnis liefert eine neue Sicht auf den Besuch beim Tierarzt. Viele Hunde reagieren dort ungewöhnlich schreckhaft.
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