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Mit Hund gegen PTBS | Erste Ergebnisse mit Andrea Beetz

Andrea Beetz ist promovierte Diplom-Psychologin mit einer Habilitation in Sonderpädagogik und derzeit tätig als Professorin für Heilpädagogik an der IUBH Internationale Hochschule. Seit über 20 Jahren beschäftigt sie sich mit der Mensch-Tier-Beziehung und deren positiven Effekte auf den Menschen sowie tiergestützten Interventionen. Beetz ist Präsidentin der International Society for Animal Assisted Therapy (ISAAT). In einer spannenden Pilotstudie in Zusammenarbeit mit der Bundeswehr untersuchte sie Soldaten und Soldatinnen mit einer posttraumatischen Belastungsstörung. Hierbei ging es speziell um den positiven Einfluss des Hundes für die Wiederherstellung der Gesundheit.

In einer Pilotstudie haben Sie 29 traumatisierte Soldaten der Bundeswehr untersucht. In die Behandlung wurden Hunde integriert. Was haben sie herausgefunden?

Andrea Beetz: Die Interaktionen mit den Hunden und ihren Hundeführern wurden ergänzend zur Standard-Therapie durchgeführt. Der Kontakt mit den Hunden schien sich positiv auf die Anpassung im Arbeits- und Sozialleben auszuwirken. Im Vergleich zur Kontrollgruppe, die die übliche Therapie aber keine hundegestützte Intervention erhielt. Zudem verbesserte sich über den Zeitraum der 4 Wochen, in denen der Kontakt mit den Hunden 1x pro Woche stattfand, das psychische Befinden. Vor allem die Fähigkeit, Freude zu empfinden. Auch die Beziehung zu den Hundeführern verbesserte sich signifikant.

Dies sind alles sehr positive Effekte, da Menschen mit posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS) Schwierigkeiten genau damit, Vertrauen zu unbekannten Personen, dem Empfinden von Freude und Anpassung im Sozialleben Probleme haben. Es ist schon erstaunlich, dass sich bei nur 4 Terminen doch deutliche Vorteile der zusätzlichen hundegestützten Intervention zeigten. Die Ergebnisse waren insgesamt so positiv, dass die Bundeswehr an der Anwendung hundegestützter Interventionen im Rahmen eines stationären Settings festhält und dies weiterhin wissenschaftlich begleiten wird.

Was passiert eigentlich bei einer hundegestützten Therapie. Wie können wir uns das vorstellen?

Andrea Beetz: In unserer Studie lief dies sicher etwas anders, als es sonst in einer hundegestützten Psychotherapie ablaufen würde, bei der der Hund üblicherweise dem Therapeuten gehört und direkt in der Psychotherapiesitzung anwesend ist. In unserer Studie wurden die Hunde und ihre Diensthundeführer der Bundeswehr eingesetzt, um ihre KameradInnen zu unterstützen. Obwohl medizinische Fachkräfte immer für den Notfall mit auf dem Gelände der Diensthundeschule waren, wo das Projekt durchgeführt wurde, war der einzelne Patient mit seinem Hund und seinem Hundeführer für 2-3 Stunden für sich unterwegs. Nach einer Begrüßung folgte meist ein Spaziergang, Spiele mit dem Hund, auch Körperpflege und Versorgung des Tieres und Zeit zum Streicheln etc.

Die Hundeführer wurden explizit angewiesen, nicht über die traumatischen Vorfälle oder die Therapie etc. zu sprechen. Dies sollte nur im Rahmen der psychotherapeutischen Sitzungen mit dem Psychotherapeuten erfolgen. Ziel der Intervention war Ablenkung von der Erkrankung, das Vermitteln von Erfolgserlebnissen beim Versorgen und Spielen mit dem Hund, Erfahrung von Körperkontakt, Entspannung und Freude. Und genau das wurde von den Patienten danach auch berichtet. Sie hatten seit langem einmal wieder ausgelassene Freude, Selbstwirksamkeit, Vertrauen, Ruhe oder auch Körperkontakt, den sie genießen konnten.

Die Krankenkassen weigern sich bisher, die vollen Kosten hundegestützte Therapie zu übernehmen. Sie argumentieren, dass die Wirkung nicht nachgewiesen sei. Ihre Studie zeigt aber etwas anderes?

Andrea Beetz: Eine Studie wie die unsere langt für die Krankenkassen bei Weitem nicht als Nachweis für die Wirksamkeit in der Art und Weise, wie sie für die Kostenübernahmen verlangt wird. Aber es ist ein Hinweis, dass es eine sinnvolle Ergänzung sein kann – die Bundeswehr selbst möchte weiter mit hundegestützten Interventionen für die psychisch erkrankten Soldatinnen arbeiten und diese dabei aber auch gleichzeitig weiter hinsichtlich ihrer Effektivität erforschen.

Und wie sehen Sie die Wirksamkeit einer fachgerecht durchgeführten hundegestützten Intervention ganz allgemein, außerhalb dieser Studie?

Andrea Beetz: Also insgesamt ist die Datenlage aus Experimenten und Begleitung von Interventionen in der Praxis zur Effektivität tiergestützter Interventionen und insbesondere der Arbeit mit Hund, recht gut. Die Fallzahlen sind dennoch im Vergleich zu großen Studien in der Medizin mit Tausenden von Teilnehmern klein. Dennoch weisen Meta-Analysen auf eine gute Wirksamkeit tiergestützter Interventionen für verschiedene Krankheitsbilder hin, auch im Vergleich zu bisherigen Standard-Therapien. Auch verschiedene Wirkmechanismen, die die Effekte erklären, sind teilweise bereits belegt. Problematisch ist allerdings die fehlende Standardisierung. Eine hundegestützte Intervention bei einem Anbieter kann sich stark von der eines anderen qualitativ unterscheiden.

Was würden Sie sich wünschen, damit hundegestützte Therapie als Teil einer Behandlung von psychischen Problemen größere Verbreitung und Anerkennung findet?

Andrea Beetz: Natürlich würde ich begrüßen, wenn diese effektive und schöne Methode noch mehr eingesetzt werden würde. Aber nur, wenn die durchführenden Personen dafür entsprechend ausgebildet sind. Und hier haben wir leider einen Wildwuchs. Dieser führt zu negativen Auswirkungen und Gefährdungen für den Patienten und des Hundes, durch Stress und Überforderung.

Leider gibt es zu viele Beispiele selbst ernannter Experten, die einfach mit Hund loslegen. Ganz ohne dass ein Verhaltensexperte den Hund auf Eignung geprüft hat. Oder dieser für die Aufgabe im Team mit dem nach anerkannten Standards ausgebildeten Psychotherapeuten ausgebildet worden ist. Man sieht online oder bei Fortbildungen, die solche „Experten“ anbieten, erschreckende Videos von gestressten Hunden. Die reagieren auch aggressiv, wenn sie unnötig Übergriffen z.B. von verhaltensauffälligen Klienten ausgesetzt werden. Hier muss noch viel stärker auf den Tierschutz geachtet werden.

Bräuchte man nicht Qualitätsstandards für die Ausbildung zum hundegestützten Therapeuten?

Andrea Beetz: Als Präsidentin der ISAAT (International Society for Animal Assisted Therapy) ist es mir ein Anliegen, dass Fortbildungen für Therapeuten, die tiergestützt arbeiten, einige Mindeststandards erfüllen. Zum Beispiel, dass Hundeverhalten von Verhaltensbiologen oder Veterinären mit Zusatz in Verhaltenskunde gelehrt wird, therapeutische Interventionen von entsprechend ausgebildeten Therapeuten, die über langjährige praktische Erfahrungen in diesem Feld zurückblicken und sich auch wissenschaftlich auf dem neuesten Stand halten.

Vielen Dank, Frau Beetz, für das interessante Gespräch.

Fotos: Andrea Beetz/AdobeStock: Halfpoint, pololia, Eva


Andrea Beetz ist promovierte Diplom-Psychologin mit einer Habilitation in Sonderpädagogik und derzeit tätig als Professorin für Heilpädagogik an der IUBH Internationale Hochschule. Seit über 20 Jahren beschäftigt sie sich mit der Mensch-Tier-Beziehung und deren positiven Effekte auf den Menschen sowie tiergestützten Interventionen. Beetz ist Präsidentin der International Society for Animal Assisted Therapy (ISAAT).

Dieses Interview stammt aus der HundeWelt.

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