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Ist mein Hund hyperaktiv? | Was nun?

Tatsächlich gibt es das Problem: Der eine oder andere Hund ist oder scheint hyperaktiv, zumindest aber verhaltensauffällig zu sein. Hat man einen solchen Hund, kann das mitunter äußerst anstrengend sein. Ich selbst habe einen Rüden, der sehr schwierig ist, und gelegentlich brauche ich Nerven wie Drahtseile, insbesondere dann, wenn mein Tag auch nicht nur eitel Sonnenschein war.

Nun, bevor allerdings an Symptomen herumgestümpert und trainiert und konditioniert wird oder gar die chemische Keule bemüht wird, werfen wir doch einen Blick auf mögliche Ursachen.

Tatsächlich gibt es Verpaarungen, die schlicht nicht „funktioniert“ haben, und unser Hund hat einfach ein genetisches Problem. Damit werden wir im Wesentlichen leben müssen. Abhilfe lässt sich nur schwer schaffen, es wird immer wieder passieren, dass unser Hund vor lauter „Hibbeligkeit“ und dem daraus resultierendem Stress mit Situationen oder Lagen einfach nicht klarkommt.

Verbesserungen

treten ein bei geistiger und körperlicher Vollauslastung, die aber in der Realität eigentlich nicht zu bewältigen ist. In Bezug auf die körperliche Auslastung nutze ich, neben anderen Aktivitäten, ein Laufband. Das findet er super, er springt sofort rauf und läuft und läuft und bellt und fühlt sich sichtlich wohl. Das liegt daran, das sein Körper Hormone ausschüttet und er sich deshalb gut fühlt. So weit, so toll, allerdings habe ich jetzt einen voll austrainierten, muskelbepackten Hormonjunkie, und das macht es auch nicht unbedingt einfacher. Nach fünf Kilometer Laufen suchen wir dann noch irgendetwas, machen ein paar Unterordnungsübungen, und wenn ich dann erledigt bin, steht der Meister wieder auf dem Laufband und wartet …

Viel häufiger taucht aber eine andere Problematik auf. Der Hund passt schlicht nicht gut zu seinem Besitzer, weil dieser die Herausforderungen, die ein bestimmter Typus an ihn stellt, schlicht unterschätzt. Vielleicht bin ich auch eher der ruhige, behagliche Typ und mein Hund ist eher draufgängerisch veranlagt oder hat allein rassebedingt völlig andere Anforderungen. Hier funktioniert dann leider „Ausbildung“ nicht.

Ein Beispiel:

Ein Bekannter bekam einen Cocker-Spaniel-Welpen, einen roten. Ich empfahl, da die Familie hundetechnisch nicht wahnsinnig erfahren war, den Besuch einer Hundeschule, obwohl, ich gestehe, ich zunächst im Besuch diverser Hundeschulen nicht unbedingt eine Notwendigkeit sehe.

In der Hundeschule teilte man ihm dann mit, das ein Cocker-Spaniel-Welpe im Grunde eine tödliche Waffe sei, da rote Cocker eigentlich immer die Cockerwut bekommen. Äußerste Disziplin ist also angeraten, der Hund muss an kurzer Leine geführt werden und ist von anderen Leuten fernzuhalten.

Soll er denn doch mal zu anderen Personen gelassen werden, muss er vorher erst abliegen und darf dann kontrolliert an der Ein-Meter-Leine vorgelassen werden.
Ich schaute mir das Ergebnis nach einiger Zeit während eines zufälligen Besuchs an und war eigentlich der Meinung, dass diese Art Training weniger zielführend aber eher tierschutzrelevant sei.

Auf Nachfrage, ob denn so wirklich gearbeitet würde und ob er denn nicht etwas falsch verstanden habe, empfahl ich für den armen Vierbeiner vielleicht zumindest eine Lauf- bzw. Flexileine. Die Benutzung der Flexileine sei aber hundeschulseitig untersagt, weil der Hund dann nur das Ziehen an der Leine lernen würde. Na wunderbar, dachte ich mir.

Es kam wie es kommen musste:

Mein Bekannter rief mich eines Tages nach ca. einem Jahr an und teilte mir mit, er sei ziemlich mit den Nerven runter und der Hund machte ihn schier wahnsinnig. Er jault, schreit und bellt den ganzen Tag, kommt nicht zur Ruhe und ist schlicht ein Nervenbündel. Ich lud also beide zu mir ein, denn zu der Zeit war gerade ein sehr temperamentvoller roter Cocker in der Spürhundausbildung bei uns. Meinen Ricky führte ich dann einmal vor und man war schon einmal beruhigt, denn Ricky gebärdete sich wie die Axt im Walde, so stand man zumindest nicht allein mit dem Problem.

Im Gespräch versuchte ich dann zu vermitteln, dass der Cocker eigentlich ein Jagdhund, genauer ein Stöberhund ist. Als solcher, wenn ich denn glücklicherweise einen Hund mit den ursprünglichen Triebveranlagungen erwischt habe, möchte er natürlich durch das Unterholz, in den Graben, auf den Acker und die Wiese und natürlich möchte er rennen, schnüffeln und jagen. Der Kauf einer Flexileine und ein zweistündiger Spaziergang im Außenbereich und zusätzlich mindestens zweimal die Woche eine große Runde mit dem Fahrrad wurde empfohlen.


Was soll ich sagen?

Der Hund sackte abends müde, aber glücklich im Körbchen zusammen und schlief. Das Kreischen, Jaulen und Bellen ist verschwunden und das seit nunmehr neun Jahren. Oft frage ich mich, was aus dem Hund wohl geworden wäre …

Was ist die Schlussfolgerung aus dieser kleinen Geschichte? Immer genau hinschauen, meist ist es anders, als es zunächst scheint und die wirklich klinisch Hyperaktiven sind eher selten.

Martin Weitkamp hat in seinem Leben schon unzählige Hunde ausgebildet: und zwar zu Minensuchhunden, Sprengstoffspürhunden und Schutzhunden. Sowohl bei der Polizei als auch bei der Bundeswehr konnte er eine Vielzahl von Diensthundprüfungen erfolgreich ablegen. Exklusiv in der HundeWelt und hier lässt er uns an seinem reichen Erfahrungsschatz teilhaben. Er ist ebenfalls Autor des Buchs “Im Schatten der Gefahr“.

Titelbild: AdobeStock/belyaaa

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