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Einsatz auf vier Pfoten! | Teil 6

Gundo saß schon in der Gitterbox und hechelte die Heckscheibe des zivilen Opel Astra blind, für den ich mich in dieser Nachtschicht entschieden hatte. Da ich heute der einzige Hundeführer im Dienst war, hatte ich freie Auswahl, was den Fuhrpark betraf. Es war 23 Uhr, wir waren seit drei Stunden im Dienst. Ich stieg in den Kombi und schaltete das Funkgerät ein. Es schwieg, während ich vom Hof der Dienststelle fuhr und Richtung Innenstadt abbog. Dann auf einmal:

Auf der Flucht

„Täter flüchtet!“, schrillte aus plötzlich dem Lautsprecher. „Wir wollten ihn kontrollieren, da hat er plötzlich volle Kanne den Stempel reingehauen und das Auto stehen lassen!“  „Wo?“, wollte die Zentrale wissen. „Äh, Fürth, Schwabacher Straße! Täter ist jetzt irgendwo auf dem Gelände des Autohändlers hier. Wir brauchen Streifen zum Umstellen. Und einen Hund!“ Ziemlich weit weg, dachte ich, und brüllte „Hund kommt!“ in das Mikrofon. Ich wendete, dass die Reifen meines Wagens wimmerten und mir ein Passatfahrer den Vogel zeigte.

Die Bremsscheiben des Astras dampften, als ich fünfzehn Minuten später neben dem gestoppten Lieferwagen hielt. Ein Kollege stand an dessen offener Schiebetür und winkte ab: „Kannst deinen Hund im Auto lassen. Wir haben schon alles abgesucht, der Kerl ist weg.“  Er deutete in den Kastenwagen. „Voll bis unters Dach mit gestohlener Kleidung, nur vom Feinsten: Chanel, Dolce und Gabbana, Gucci und so weiter.“ „Warum habt ihr nicht auf mich gewartet?”, ärgerte ich mich ein wenig. „Das ist doch bestimmt der Einbrecher gewesen, den wir schon lange suchen! Steht die Absperrung noch?“ „Nee, die Kollegen sind abgezogen. Der Täter ist bestimmt hinten über den Zaun abgehauen. Sonst hätten wir ihn gefunden.“

Was findet Gundo?

Ich ließ meinen Blick über das Gelände des Autohandels schweifen. Blitzende Neuwagen, geparkt in Reih und Glied, hell ausgeleuchtet von großen Scheinwerfern an jeder Ecke des Grundstücks. „Wenn ich schon mal da bin, kann ich meinen Hund ja trotzdem stöbern lassen“, brummte ich. Der Kollege zuckte mit den Schultern. „Wie du meinst. Ich muss hier sowieso noch auf den Abschleppdienst warten. Wenn was ist, kannst du mich rufen.“ Er winkte mit seinem Funkgerät. Ich kletterte über die gut einen Meter hohe Mauer, Gundo nahm sie mit einem Satz. Mit einem geflüsterten „Pass auf!“ kniete ich mich neben ihn und stellte ihn auf die Situation ein. Mein Partner spitzte die Ohren und schnupperte in Richtung des Fuhrparks. „Wo ist der Lump?“, zischte ich. 

Gundo antwortete mit einem langgezogen Fiepen. Nach der obligatorischen Androhung, den Diensthund einzusetzen, gab ich Gundo frei. Wie von einem Bogen abgeschossen spurtete er los. Durchaus etwas stolz beobachtete ich, wie er im Galopp die Wagenreihen absuchte, selbstständig keine Reihe ausließ. Wenn auch kein Täter mehr da war, die Suche war perfekt. Urplötzlich bremste Gundo seinen Lauf. Ein geschlossener Streusandkasten an der gegenüberliegenden Mauer hatte seine Aufmerksamkeit erregt. Er presste seine Nase an den Spalt zwischen der grauen Wanne und dem grünen Deckel, sog tief die Luft ein – und begann zu bellen. Zunächst noch etwas zögerlich, dann immer lauter, immer wütender! Er hatte eindeutig jemanden entdeckt.

Die Täter sind gefunden

Mit einem scharfen „Hier!“ rief ich ihn zu mir. Zu meiner Erleichterung folgte er meinem Befehl sofort, obwohl er nur zu gern den Lumpen aus der Kiste gezogen hätte. Im Schutz einer Mercedes S-Klasse brüllte ich meinen Standardsatz: „Hier spricht die Polizei! Kommen Sie raus da!“ Nichts rührte sich. Der Kasten stand weiterhin da, als würde er nur Streusand enthalten. Ich musste deutlicher werden: „Polizei! Kommen Sie raus aus der Kiste! Oder der Hund kommt rein!“ Gundo schickte ein bestätigendes „Wau!“ hinterher. Langsam hob sich der Deckel um wenige Zentimeter. Ich schaltete die Taschenlampe ein. Zwei ängstlich geweitete Augen musterten die Umgebung. Vorsichtig richtete ich mich auf und gab mich zu erkennen. Der Deckel fiel wieder zu. Rums.  

„Sie kommen jetzt raus da! Es wird Ihnen nichts passieren, solange Sie sich friedlich verhalten. Haben Sie das verstanden?“

Der Einbrecher hob die Klappe wieder an, diesmal so weit, bis sie senkrecht stand. Ein Hüne, schwarz gekleidet, stieg aus dem Sandkasten, so groß, dass ich mich wunderte, wie er da überhaupt hineingepasst hatte. Gundo wollte wieder durchstarten, aber ich hielt ihn fest. Ich forderte den Mann auf, sich auf den Boden zu legen. Für mich eine Grundregel der Eigensicherung. Ein liegender Täter kann nicht so leicht angreifen. Er tat, wie ihm geheißen, hob automatisch die Hände in seinen Nacken. Ein Profi! Das war wohl nicht seine erste Festnahme.

Freund und Helfer

Gundo hatte das Geschehen aufmerksam beobachtet, bereit, nötigenfalls einzugreifen. Aber nun fuhr er plötzlich herum. Dabei verdrehte er mir den Arm, da ich ihn noch immer am Halsband hielt. „Hoppla, immer schön langsam!“, tönte es hinter einem einige Meter entfernt geparkten Range Rover hervor. Es war der Beamte von vorhin, der sich wohl schon eine Weile dort versteckt gehalten hatte. „Ich hoffe, du hast deinen Kollegen im Griff.“  Hatte ich, wenn auch mit schmerzendem Handgelenk. 

Er machte einen großen Bogen um uns herum, kniete sich neben den Liegenden und legte ihm Handschellen an. Dann half er ihm auf die Beine und führte ihn zum Ausgang des Abstellplatzes. Nachdem er den Festgenommenen auf die Rückbank seines Streifenwagens gesetzt hatte, drehte er sich zu mir und grinste verlegen: „Respekt, Kollege. Hätte wirklich nicht gedacht, dass der Typ noch da ist. Einen super Hund hast du da. Echt volle Kanne gut!“ Da konnte ich ihm nur volle Kanne beipflichten.

Hier erfährst du, wie es weitergeht.

Elmar Heer arbeitet seit 40 Jahren als Polizeibeamter. 1990 wechselte er vom Streifendienst zur Diensthundestaffel Mittelfranken. Schon früh entdeckte er seine zweite Leidenschaft: das Schreiben. Mit seinem Buch „Partner auf Leben und Tod“, erschienen bei Droemer-Knaur, gewährt der Autor dem Leser einen Einblick in Leben und Arbeit eines Polizeihundeführers. Er erzählt über seine Aufgaben als Hundeführer, die umfangreiche Ausbildung von Polizeihunden und über spannende, heitere und auch tragische Einsätze, die er mit seinen Schäferhunden Gundo, Bux, Carina und Sam erlebte.



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