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Einsatz auf vier Pfoten! | Teil 44

Willst du wissen, wie ein Polizeihund einen Besitzerwechsel verkraftet? So erging es Elmar Heer!

Nach fast einem Jahr in Bosnien-Herzegowina war ich seit einigen Tagen wieder zuhause.

Anfangs fühlte ich mich jedoch fremd. Vieles erschien mir anders als vorher, hatte sich verändert, zumindest meine Blickweise darauf. Mit dem Wissen der Probleme, die den Menschen in Bosnien das Leben erschwerten, erschienen mir die unseren geradezu banal. Meiner Frau Anna war es gelungen, Enny und ihre Welpen mit Hilfe des Tierschutzvereins in gute Hände zu vermitteln. Nur Una, das erste Hundebaby, das ich in Bihac retten konnte, hatte sie behalten. Una sah inzwischen fast wie ein richtiger Terrier aus. Wenn mich jemand nach ihrer Rasse fragte, behauptete ich, sie sei ein reinrassiger „Brostrak“. Dass dies nur die Abkürzung für „bosnischer Straßenköter“ war, was ich allerdings nicht abwertend, sondern liebevoll meinte, musste ja nicht jeder erfahren.

Wir trafen uns in Nürnberg

Das Angebot meines Kollegen Leo, seinen zwar schon fünfjährigen, dafür voll ausgebildeten Schäferhund Bux zu übernehmen, war von unserem Chef durchgewinkt worden. Zur Übergabe trafen wir uns auf einer verschneiten Wiese nahe Nürnberg. Ich hatte die Taschen voller Leckerlis und Leo einen Fotoapparat dabei. Er bat mich, von ihm und Bux ein gemeinsames Foto zu machen und ging neben dem Prachtkerl in die Hocke. Ein letztes Mal nahm er ihn in die Arme, während ich den Auslöser klicken ließ. Buxi spitzte die Ohren und beobachtete mich aufmerksam.

Lotete er aus, ob ich eventuell ein Lump war, den es zu vertreiben galt? Nein, Buxi hatte Menschenkenntnis. Oder Hunger? Wahrscheinlich beides, denn er nahm das Trockenfutter aus meiner Hand erfreut an und drückte sich sogar an mein Bein, als ich ihn streichelte. Leo nutzte die Gelegenheit, übergab mir unauffällig die Leine und lief mit hängenden Schultern zu seinem Auto. Als er die Tür zuschlug, sprang Buxi in die Leine.

Ich hatte Mühe, die Leine festzuhalten.

„Ruuuuhig, Bub, wir bleiben da. Komm’, wir gehen Gassi!“ Doch der Bub dachte nicht daran, mit einem wildfremden Menschen spazieren zu gehen. Stattdessen drehte er sich um und biss mir in die Fessel. Das dicke Leder meiner Stiefel verhinderte zwar, dass die Zähne durchdrangen, doch der Druck der kräftigen Kiefer war trotzdem schmerzhaft. Ich ließ mir nichts anmerken, griff in meine Jackentasche und hielt dem Hund eine weitere Handvoll Leckerli vor die Schnauze. Er ignorierte sie. Seine dunkelbraunen Augen fixierten die meinen. Was tun?

Würde ich jetzt Angst zeigen, hätte der Rüde zumindest vorläufig Oberwasser.

Ich wandte mich von ihm ab und ging in Richtung Wald, ohne seine Reaktion zu beachten. Als sich die Leine spannte, sagte ich nichts weiter als „Komm’!“ und zog Bux mit mir. Eine Sekunde später war er neben mir und zwickte mich zart in die Faust mit dem Futter. Ich blieb stehen.
„Na, Buxi, zweite Kontaktaufnahme?“ Ich lächelte ihn an. „Die gefällt mir besser als die erste.“
Buxi setzte sich ohne Aufforderung hin, leckte sich die schwarze Nase glänzend und wedelte einen Triangel in den Schnee. Der Appetit war wohl doch größer als das Misstrauen. Oder eben die Menschenkenntnis. Ich fütterte ihm den gesamten Inhalt meiner Jackentasche, dann gingen wir über einen Umweg zurück zu meinem Auto. Ohne zu zögern sprang Bux in den Kofferraum des Kombis.

Una ordnete sich unter!

Sie begrüßte den neuen Mitbewohner überschwänglich, als wäre er nur kurz weg gewesen und signalisierte ihm gleichzeitig, dass sie sich ihm unterordnete. Sie machte sich klein, leckte ihm die Lefzen, legte sich vor ihm auf den Rücken und ließ sich ergeben von ihm abschnuppern. Buxi war damit zufrieden und zeigte sich fortan als toleranter Vorgesetzter, der der Kleinen fast alles durchgehen ließ. Sie verstanden sich prächtig. Gegenüber meiner Frau Anna verhielt er sich hingegen freundlich, aber auch etwas reserviert. Ich hatte den Eindruck, Buxi wusste sie noch nicht einzuordnen. Stand sie in der Rangfolge mit ihm auf Augenhöhe, unter ihm oder über ihm?
Die Entscheidung fiel nicht ohne die Nummer eins. Als meine Frau nach Hause kam, warf er ihr seinen angenagten Büffelhautknochen vor die Füße. Spielen?
Anna wollte auf sein Angebot eingehen, doch plötzlich änderte sich die Stimmung. Buxi schnappte sich sein Spielzeug wieder und knurrte. Dies wäre noch nicht ungewöhnlich gewesen, es gehörte manchmal zum Spiel. Doch diesmal klang sein Brummen anders, tiefer, bedrohlicher. Und er hörte auf, mit dem Schwanz zu wedeln, fixierte Anna. Bux wollte es wissen: Ich oder du?

Mit einem Satz war ich bei ihm.

“So nicht, Bux! Das ist pfui!“ Ich hoffte gleichzeitig, er würde nicht auch noch meinen Vorrang in Zweifel ziehen. Zu meiner Überraschung brach Buxi regelrecht zusammen, aber nur vorne. Den Brustkorb mit Bodenkontakt, seinen Kopf zur Seite gedreht, die Hinterbeine noch immer durchgestreckt, blieb er in dieser Stellung. Wie sensibel dieser große Bursche doch war! Um die Situation aufzulösen, griff ich mir seinen Knochen und rief ihn zu mir. Beinahe schüchtern nahm er mir sein Spielzeug aus der Hand. Dann drehte er sich um und trottete zu Anna, die, immer noch erschrocken, auf dem Boden saß. Sanft legte er ihr den Knochen in den Schoß, ging zwei Schritte rückwärts, wedelte nun wieder und spitzte die Ohren. Spielen! Anna schaute mich an: „Soll ich?“
Ich nickte. „Ich glaube, das dürfte geklärt sein.“
War es auch. Als wäre nichts passiert, tobten die beiden kurz darauf im Wohnzimmer herum. Buxi stellte niemals mehr in Frage, dass Anna ihm übergeordnet war.

Hier erfährst du, wie es weitergeht.

Elmar Heer arbeitet seit 40 Jahren als Polizeibeamter. 1990 wechselte er vom Streifendienst zur Diensthundestaffel Mittelfranken. Schon früh entdeckte er seine zweite Leidenschaft: das Schreiben. Mit seinem Buch „Partner auf Leben und Tod“, erschienen bei Droemer-Knaur, gewährt der Autor dem Leser einen Einblick in Leben und Arbeit eines Polizeihundeführers. Er erzählt über seine Aufgaben als Hundeführer, die umfangreiche Ausbildung von Polizeihunden und über spannende, heitere und auch tragische Einsätze, die er mit seinen Schäferhunden Gundo, Bux, Carina und Sam erlebte.



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