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Einsatz auf vier Pfoten! | Teil 24

Buxi kannte Situationen wie diese, dennoch übten wir sie regelmäßig. Dreimal im Monat stand „Ausbildung“ auf dem Dienstplan. So auch heute, zum letzten Mal in diesem Jahr. Weihnachten war nicht mehr weit. Ungefähr fünfzig Meter vor uns knackte etwas laut im Gebüsch, so, als wäre jemand auf einen dicken Ast gestiegen. Buxi zuckte, aber er blieb neben mir liegen.

Der Figurant, diesmal in Gestalt meines Kollegen Bastian, trat aus dem Wald heraus. Ich musste lachen. Der Jahreszeit entsprechend hatte er sich ein rote Zipfelmütze aufgesetzt und sah in seinem dicken Vollschutzanzug wirklich beinahe aus wie der Weihnachtsmann. Schwerfällig bewegte er sich über die dünne Schneedecke. Es fiel mir schwer, ernst zu bleiben.

Hier spricht die Polizei!“,

rief ich dem „Nikolaus“ zu. „Bleiben Sie stehen, oder ich setze den Hund ein!“ Diese Androhung ist rechtlich obligatorisch, um einem Verdächtigen die Chance zu wahren, noch aufgeben zu können. Gleichzeitig signalisiert sie dem Diensthund, dass sein Einsatz unmittelbar bevorsteht. Bastian drehte sich in unsere Richtung, rief etwas, was in Buxis Gebell jedoch unterging.

Dann schoss er auf uns, zweimal!

Für meinen Hund machte es keinen Unterschied, dass es sich nur im Platzpatronen handelte. Oder womöglich um den Weihnachtsmann. Auf mein Kommando „Hol’!“ preschte er los. Auch ein wirklicher Täter ohne Schutzausrüstung hätte keine Chance gehabt. Noch ehe Bastian sich versah, war Buxi hinter ihm und hob mit einem kräftigen Sprung ab. Im freien Flug schlug er in den Rücken des vermeintlich Fliehenden ein und riss ihn um.

Die Waffe flog in hohem Bogen in den Schnee. Ich verließ meine Deckung und rannte zu den beiden. Buxi hatte sich im Oberarm des Kollegen verbissen und zerrte heftig an ihm. Der dick gepolsterte Jute-Ärmel, verstärkt mit Keflarfasern, verhinderte, dass Buxis Zähne zu weit eindringen konnten. Ich brachte mich mit etwa fünf Meter Abstand in Position, rief meinen Hund zurück und ließ ihn neben mir Platz machen. Aufgabe gelöst, Übung beendet.

Wir waren für den Ernstfall gerüstet.

Dass ein solcher Ernstfall – zumindest nach Buxis Auffassung – schon im nächsten Spätdienst eintreten sollte, ahnte ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Dem Rauschgiftkommissariat war zugetragen worden, dass in einem kleinen Laden in der Fußgängerzone nicht nur alternative Lebensmittel und Kleidung aus Hanffasern angeboten, sondern auch andere, illegale Produkte der Cannabispflanze verkauft wurden: Haschisch und Marihuana. Wie die meisten Polizeihunde war Buxi nicht nur Schutzhund, sondern auch Spürhund, in seinem Fall für Drogen. Also durften wir bei der geplanten Durchsuchung des Geschäftes nicht fehlen.

Es begann leicht zu schneien,

als ich durch die mit Lichterketten und leuchtenden Sternen geschmückte Innenstadt zum Einsatzort fuhr. Ich hatte es nicht eilig, sollte warten, bis der Geschäftsinhaber festgenommen und die Situation „eingefroren“ war. Eingefroren – wie treffend für diese Jahreszeit, dachte ich. Gemeint war damit natürlich nicht die Temperatur, sondern dass im Laden niemand mehr war und Buxi ungestört suchen konnte. Ich war an diesem frühen Abend allerdings eher in weihnachtlicher Stimmung als in dienstlicher. Ob es ein weißes Fest dieses Jahr geben würde? Ich freute mich auf Heilig Abend.

Du kannst kommen, Elmar“,

riss mich der Einsatzleiter über Funk aus meinen Gedanken. Kurz darauf parkte ich am Hintereingang des Geschäftshauses. Ein Kollege zeigte mir den Weg in den Laden. „Garantiert niemand mehr drin?“, fragte ich ihn. „Nein, niemand,“ antwortete er. Mit dem ihm vertrauten Kommando „Such’s Gifti!“ ließ ich Bux von der Leine. Hörbar schnüffelnd nahm er seine Arbeit auf. Der Nebenraum war nur schwach beleuchtet, weshalb ich meine Taschenlampe zu Hilfe nahm, um meinen Hund zu beobachten. Routiniert suchte er ein Regal ab, in dem Textilien wie Jacken, T-Shirts und Jeans gelagert waren. „100 % Hanf“ las ich auf den jeweiligen Etiketten und fragte mich, warum Buxi die Kleidungsstücke nicht auch als Rauschgift anzeigte. Weil darin der Cannabiswirkstoff THC fehlte?

Plötzlich ging es los

Wahrscheinlich war es genau dessen Geruch, der Buxis Aufmerksamkeit erregte. Er stellte sich plötzlich auf die Hinterbeine und riss mit den Zähnen einen Stapel Hosen aus dem obersten Fach! Ich beeilte mich, dazwischen zu gehen, und entdeckte eine transparente Plastiktüte, offensichtlich gefüllt mit Cannabisblüten. Ich holte sie aus dem Versteck und legte sie auf den Schreibtisch. Keine all zu große Menge, aber weit mehr, als dass man dies noch als „Eigenbedarfsmenge“ hätte bezeichnen können. „Guuut gemacht!“, lobte ich Buxi, „priiima, feiner Hund!“, und spielte ihm zur Belohnung seine Beißwurst zu, die er freudig schüttelte und durch das Lager trug. Zufällig stieß er dabei die nur angelehnte Tür zum Verkaufsraum auf – und erstarrte. Noch ehe ich reagieren konnte, spuckte er sein Spielzeug aus und startete durch.

Bux startete durch

Ich hatte nun freien Blick zum Schaufenster des Ladens und vermutlich das selbe Déjà-vu wie mein Hund. In der Auslage stand, angestrahlt von einem Scheinwerfer, der Weihnachtsmann! Besser gesagt eine dicke, rot bemützte Schaufensterpuppe, die meinem Kollegen Bastian von heute früh sehr ähnlich sah. Und wie bei der Übung am Morgen sprang Buxi der Puppe in den Rücken und riss sie um. „Neiiin!“, prustete ich und „Auuus!“, konnte mein Lachen aber kaum mehr zurück halten, „Das ist kein Lump!“ Doch Buxi hatte das inzwischen selbst bemerkt und betrachtete verduzt den am Boden liegenden Nikolaus, dessen Kopf sich beim Sturz vom Hals gelöst hatte. „Was war denn los?“, frage mich mein Kollege, als ich mit meinem Hund an der Leine das Geschäft verließ.

„Weihnachten fällt aus“, antwortete ich grinsend. „Aber im Lager findet ihr trotzdem ein schönes Geschenk.“

Hier erfährst du, wie es weitergeht.

Elmar Heer arbeitet seit 40 Jahren als Polizeibeamter. 1990 wechselte er vom Streifendienst zur Diensthundestaffel Mittelfranken. Schon früh entdeckte er seine zweite Leidenschaft: das Schreiben. Mit seinem Buch „Partner auf Leben und Tod“, erschienen bei Droemer-Knaur, gewährt der Autor dem Leser einen Einblick in Leben und Arbeit eines Polizeihundeführers. Er erzählt über seine Aufgaben als Hundeführer, die umfangreiche Ausbildung von Polizeihunden und über spannende, heitere und auch tragische Einsätze, die er mit seinen Schäferhunden Gundo, Bux, Carina und Sam erlebte.



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