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Einsatz auf vier Pfoten! | Teil 21

Allmählich machte sich mein Magen bemerkbar. Der Nachtdienst war bisher alles andere als ruhig verlaufen, ein Einsatz war dem anderen gefolgt, vom vermeintlichen Firmeneinbruch, der sich als versehentlich offen gelassenes Fenster herausstellte, über eine Schlägerei, die mein Hund durch seine bloße Anwesenheit beendete, bis hin zu einer erfolglosen Rauschgiftsuche in einem vermüllten Fiat.

Keine Chance, die gegen Mitternacht telefonisch bestellte Pizza am Imbissstand in der Frankenstraße abzuholen. Endlich wurde es ruhiger am Funk. Mein Hunger trieb mich zu der großen Tankstelle an der Münchner Straße, die die ganze Nacht geöffnet war. Ab drei Uhr gab es dort frische Brezen. Ich kaufte noch eine kleine Flasche Cola dazu und ärgerte mich beim Bezahlen ein wenig, weil ich für das Geld auch die „Diavolo“ bei Luigi bekommen hätte. Zurück im Auto startete ich den Motor und ließ den Kombi anrollen. Im Rückspiegel sah noch ich einen matt lackierten Transporter auf das Gelände fahren, dann bog ich stadtauswärts ab.

Achtung, an alle!“

Die Stimme des Sprechers der Einsatzzentrale unterbrach die inzwischen eingetretene Funkstille. „Vor etwa zwanzig Minuten in Zirndorf weggefahren: VW-Bus, älteres Modell, wahrscheinlich Typ T 4, dunkelgrau lackiert, Näheres nicht bekannt. Der Fahrer, circa fünfzig Jahre alt, korpulent, steht im Verdacht, seine getrennt lebende Ehefrau aus der ehemals gemeinsamen Wohnung entführt zu haben. Mitteilerin ist eine Freundin der Frau, die beobachtet hat, wie diese ins Auto gezerrt wurde. Sie beschreibt den Mann als äußerst gewaltbereit, er ist eventuell mit einem Messer bewaffnet. Die Fluchtrichtung ist unbekannt, um Mitfahndung wird gebeten.

Eigensicherung beachten!“

Ich entschloss mich, quer durch Nürnberg in Richtung Zirndorf zu fahren. Während ich noch überlegte, wie viele dunkle VW-Busse wohl um diese Zeit durch die Stadt fuhren, ließ mich die Einsatzzentrale erneut aufhorchen.

„Zusatz zum soeben ausgestrahlten Rundspruch: der Lack des Fahrzeuges soll auffällig matt sein. Der Name des Tatverdächtigen lautet Wilfried Meier.“

War er es nicht?

War der Transporter an der Tanke eben nicht ein VW-Bus gewesen? Matt lackiert war er auf jeden Fall! Ich wollte mich vergewissern und wendete.

Um nicht aufzufallen, fuhr ich zunächst mit normaler Geschwindigkeit an der Shell-Station vorbei. Tatsächlich, der Kombi befand sich noch auf dem Gelände, etwas abseits der Tanksäulen. Daneben standen zwei Personen, die anscheinend miteinander stritten und mich nicht bemerkten. Ein dicker Mann und eine zierliche Frau. Nun war ich überzeugt, das konnte kein Zufall sein.

Das waren Täter und Opfer!

Etwa hundert Meter entfernt versteckte ich meinen Streifenwagen hinter einem geparkten Lastzug, holte meinen Hund aus seiner Box und versah ihn mit seinem Beiß- und Stoßkorb. Ich wollte vermeiden, dass Buxi bei einer Auseinandersetzung versehentlich die Entführte biss. Dennoch war er damit nicht wehrlos, ein Stoß mit diesem Korb wirkte wie ein heftiger Faustschlag.

Während ich im fahlen Licht der Straßenbeleuchtung durch das Wäldchen schlich, das die Tankstelle umgab, meldete ich meine Beobachtung über das Handfunkgerät an die Einsatzzentrale. Der Kollege sicherte mir zu, sofort Streifen zu schicken. Ich spürte, wie sich das Adrenalin in meinem Körper breit machte. Gleich würde ich den Tatort erreichen. Ginge dann etwas schief, gäbe es nur Verlierer, Wilfried Meier, seine Frau , mich – und meinen Bux. Gegen ein Messer hatte auch er kaum etwas auszurichten.

Am Übergang vom Waldboden zum geteerten Parkplatz der Tankstelle kniete ich mich im Schutze eines Busches hin und nahm Buxi nah an meine Seite. Auch er war spürbar angespannt und beobachtete die Szene vor uns aufmerksam. Er hatte gelernt, in Situationen wie diese still zu sein.

Der gesuchte VW-Bus

parkte nur gut dreißig Meter von uns entfernt. Die Beifahrertür stand offen, daneben Meier, der aufgebracht mit seiner Geisel diskutierte, die offenbar im Fahrzeug saß. Ich hielt die Luft an, um etwas zu verstehen. Jetzt sprang die Entführte aus dem Wagen, der Täter versuchte, sie zurück zu stoßen, was ihm nicht gelang. Er baute sich bedrohlich vor ihr auf. „Bitte lass’ mich gehen, Wilfried!“, rief sie weinerlich, seine Antwort bedeutete nichts Gutes:

Du gehst nirgends mehr wohin!“

Meine Hand glitt zu meiner Pistole im Halfter. Sollte ich doch besser eingreifen? Bis jetzt hatte zwar ich kein Messer in der Hand des Täters gesehen, er konnte es aber durchaus bei sich haben. Wo blieben nur die anderen Streifen?

Ich öffnete den Karabiner an Buxis Leine, hielt meinen Hund aber weiter am Halsband fest. In diesem Moment passierte das, was ich unbedingt vermeiden wollte, bevor die Verstärkung eintraf. Die Frau entdeckte mich und lief schreiend auf mich zu!

Hilfe! Bitte helfen Sie mir!“

Ich wusste nicht, ob sie mich als Polizisten erkannte, aber in dieser Lage hätte sie wohl jeden um Hilfe gebeten. Das Überraschungsmoment war auf ihrer Seite. Meier reagiert erst, als seine Frau schon etliche Meter zurück gelegt hatte. „Bleib’ stehen!“, brüllte er und nahm die Verfolgung auf.

Bux versuchte, sich aus meinem Griff zu winden. Ein kurzer Blick genügte, um mich zu versichern, dass er den Mann und nicht die Frau fixierte. Dann ließ ich das Halsband los.

Ich erschrak,

als ich sah, wie der Täter mit der Rechten in Richtung seines Hosenbundes am Rücken griff. Hatte er dort sein Messer versteckt? Wenn ja, kam er nicht mehr dazu, es zu ziehen. In vollem Lauf schlug Buxi in ihn ein, seine mit dem harten Stoßkorb bewehrte Schnauze traf genau den Solarplexus des Entführers. Der klappte zusammen wie ein Gartenstuhl und überschlug sich. Er rollte über den Boden, während ihn Buxi weiter attackierte. Auch ich sprintete los, warf mich auf Meier, drehte ihn auf den Bauch und legte ihm Handschellen an. Erst dann befahl ich meinen Hund ins Platz.

Tatsächlich,

im Hosenbund des Mannes steckte ein Jagdmesser in einer ledernen Scheide. Ich zog es heraus und schleuderte es weit von uns.

Hinter mir heulte ein Motor auf, Reifen quietschten. In diesem Augenblick beruhigende Geräusche für mich, denn ich wusste, endlich waren meine Kollegen eingetroffen. Sie packten Meier, halfen ihm auf die Beine und führten ihn zum Streifenwagen.

Ich schaute mich um.

Frau Meier stand am Waldrand und zitterte. Unsere Blicke trafen sich. In ihren Augen las ich noch Angst, aber auch so etwas wie Dankbarkeit. Ich nickte ihr zu, streichelte Buxi über den Rücken und leinte ihn an, um ihn zurück zum Auto zu bringen. Und ich war ein weiteres Mal sehr stolz auf meinen tollen Streifenpartner.

Hier erfährst du, wie es weitergeht.

Elmar Heer arbeitet seit 40 Jahren als Polizeibeamter. 1990 wechselte er vom Streifendienst zur Diensthundestaffel Mittelfranken. Schon früh entdeckte er seine zweite Leidenschaft: das Schreiben. Mit seinem Buch „Partner auf Leben und Tod“, erschienen bei Droemer-Knaur, gewährt der Autor dem Leser einen Einblick in Leben und Arbeit eines Polizeihundeführers. Er erzählt über seine Aufgaben als Hundeführer, die umfangreiche Ausbildung von Polizeihunden und über spannende, heitere und auch tragische Einsätze, die er mit seinen Schäferhunden Gundo, Bux, Carina und Sam erlebte.



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