Darex vom Schwannenhof | auf der Spur von Kabeldieben im Ruhrgebiet
Darex stammt aus unserer eigenen Zucht und ist einer der letzten Nachkommen von Chessy, die im stolzen Alter von 14 Jahren verstorben ist. Er ist ein, wie ich finde, bildschöner kräftiger Rüde und so wirkte er auch schon als Welpe. Leider ist es nicht möglich, alle Hunde zu behalten, daher zog Darex im Alter von fast 9 Wochen in ein neues Zuhause um. Bei seinem neuen Besitzer konnte Darex so ziemlich alles anstellen, was er nur wollte. Er hatte ein eigenes Zimmer und konnte dieses nach Herzenslust ruinieren. Wurde halt alles wieder aufgebaut, damit der Hund seinen Spaß nicht verlor. Nach einem knappen dreiviertel Jahr kam dann Darex nebst Herrchen zu Besuch und er hatte sich, wie vermutet, wirklich gut gemacht. So hatte ich mir eigentlich meinen nächsten Hund vorgestellt, aber leider … nun ja. Aber dann, ein paar Monate später, kam dann der Anruf. Darexs Besitzer hatte sich entschieden nach Kanada auszuwandern und einen Job anzunehmen, bei dem er kaum Zeit für einen Hund haben würde. Klar, keine Frage, ich kaufte Darex sehr gern zurück, hatte ich doch eigentlich immer darauf gewartet.
Darex ist wieder da
Darex kam also wieder nach Hause. Die Wiederaufnahme in das vorhandene Hunderudel klappte reibungslos. Ich testete ihn ein wenig aus – was kann er, was will er, was macht er so. Also, „können“ konnte er von jedem ein bisschen, „wollen“ wollte er schlicht alles und „machen“ … na ja, hauptsächlich alles kaputt. Auch hatte er gelernt, immer und überall seinen Willen durchzusetzen. Wir standen vor einem Eingang, Darex war an der Leine und wollte hinein. Ich sagte „Nein, Darex“… O. K., er ging einen Schritt zurück, um wenige Augenblicke später mit aller Kraft (und die hat er reichlich) gegen die Leine in diesen Eingang zu springen. Dieses Verhalten forderte …. und zwar vom Hundeführer sehr gute Nerven und ganz viel Geduld. Bewundernswert war seine Umweltsicherheit – er ging überall drüber, drunter, ob es sich bewegte, rutschig war, klapperte oder ruckelte – völlig egal, er überbrückte einfach alles durch seine enorm ausgeprägten Motivationen. Früher benutzte man den Ausdruck „Trieb“ anstelle von Motivation und ich finde, bei Darex passte der alte Begriff „Trieb“ deutlich besser. Nun, aus Darex sollte also ein Sporthund für den VPG-Bereich, ein Sprengstoffspürhund und ein Diensthund im Bereich Bewachung militärischer Liegenschaften werden. Insgesamt also ein sehr großer Aufgabenbereich und nicht viele Hunde sind dem tatsächlich gewachsen. Durch seine ausgeprägten Triebe (Motivationen) ließ Darex sich aber immer sehr gut auf die jeweilige Aufgabe einstellen, arbeitete dann sehr zielgerichtet und ließ sich nicht oder nur kaum ablenken. Auch schaffte er es meist, sich schnell auf neue Gegebenheiten einzustellen.
Kabeldiebe im Ruhrgebiet
Vor einiger Zeit sollte ich mit Darex dazu beitragen, Kabeldiebe im Ruhrgebiet von ihrem, für sich und andere teilweise sehr gefährlichen, Tun abzubringen. Darex war im Schutzbereich noch nicht wirklich ausgebildet, aber ich nahm ihn neben meinem älteren Hund Kendo mit. Ich dachte, so kann er vielleicht noch was lernen. Wir mussten in ein Kilometer langes unterirdisches Tunnelsystem, in dem armdicke Kabel für die Schwerindustrie verlegt waren. Hauptsächlich war ich mit Kendo dort unten unterwegs, gelegentlich tauschte ich Kendo gegen Darex aus. Ich hatte also gerade Darex mit unten im Gewölbe, als über Funk die Meldung kam, dass Kabeldiebe gesichtet worden seien, der Standort war bekannt und ich sollte zur Unterstützung mit dem Hund dort erscheinen. Es war keine Zeit, den Hund zu tauschen, also musste Darex ran. Wir näherten uns also der Stelle, ich öffnete eine Tür und die Jungs standen vor mir. Die beiden waren etwas erschrocken und rannten los. Ich direkt mit Darex an der Leine hinterher. Zunächst hat Darex gar nicht so wirklich verstanden, um was es jetzt geht, aber nach ein paar Metern wurde es ihm dann wohl klar. Die Jagd ging gefühlte 5 km, bis endlich einer nicht weiter konnte, da um ihn herum nur hohe Mauern waren. Er drohte mir auch gleich mit einer Spritze, da er angeblich HIV-positiv wäre, aber er rührte sich nicht, da Darex brav vor ihm saß und ihn durchaus glaubwürdig massiv verbellte. Ich bin die Strecke später nochmal abgegangen und konnte gar nicht glauben, dass ich mit dem Hund von dort kam. Schutt, Ruinen, teils tiefe Löcher von ehemaligen Kokillen oder Ähnlichem, viele tiefe Gräben. Unglaublich, was Adrenalin im Blut so bewirkt …
Nerven wie Stahlseile
Auch die Ausbildung im Sprengstoffbereich ging sehr gut voran. Einmal auf die Suche eingestellt, vergaß er alles um sich herum. In einem Einfahrtsbereich spürten wir Fahrzeuge, Lkws etc. ab. Nachdem Darex den LKW außen herum abgesucht und auch den Unterbodenschutz kontrolliert hatte, nahm er sich die Ladung und den Aufbau vor. Plötzlich rutsche er zwischen Zugmaschine und Auflieger von oben ab und glitt mit dem Kopf voran hinunter. Das hat ihn nicht wirklich beeindruckt, denn während des Absturzvorganges suchte er munter weiter. Unten angekommen, startete er direkt wieder durch. Er wollte einfach sein Ziel erreichen. Ich musste immer ein klein wenig aufpassen, wenn ich ihn während der Arbeit, egal welcher er gerade nachging, lobte. Lobte ich ihn zu viel, gab es bei ihm im Kopf ein „Gewitter“…, dann wurde er nur noch schnell und hektisch und kriegte nicht mehr viel mit. Bei allem galt: Ich musste immer versuchen, ihm ganz klare deutliche Bilder, von dem, was ich von ihm erwarte, zu vermitteln und diese dann auch schnörkellos zu bestätigen. Dies gilt aber nicht nur für Darex, sondern für eigentlich fast alle Hunde. Zur Bestätigung in allen Bereichen bei ihm benutze ich den Klicker. Dieser ist emotionslos und punktgenau, glasklar in seiner Aussage „gut gemacht“. Richtige Anwendung natürlich vorausgesetzt. Bei aller Triebstärke ist Darex nämlich, wie viele seiner Rasse, nach außen glashart, aber seinem Hundeführer gegenüber butterweich. Auch wenn er sich mal vergisst und mich auf der Jagd nach seinem Ball, seiner Beißrolle oder was immer gerade sein favorisiertes Spielzeug ist (das wechselt nämlich) massiv anrempelt, muss ich bei einer nötigen Einwirkung sehr feinfühlig sein. Sonst ist der Bursche nämlich am Boden zerstört … um bei erneutem Auftauchen seines Triebzieles das gleiche rüpelhafte Verhalten nochmal zu zeigen.
Zu viel Motivation ist auch nicht gut
Es ist leider so, dass zu viel „Trieb“ oder zu hohe Motivationen das Lernen meist völlig blockieren. So muss ich mir bei Darex auch immer einen niedrigeren Level suchen, damit bei ihm überhaupt Lernen stattfindet. Erst wenn tatsächlich eine Handlung verknüpft oder konditioniert wurde, kann ich diese auf einer höheren Triebstufe abrufen. Wobei auch hier darauf geachtet werden sollte, dass der Hund nicht „abdriftet“. Bei Darex ist das sehr schön bei der Sprengstoffsuche zu beobachten … lasse ich ihn in der Freisuche arbeiten, also ohne Leine und Anleitung durch mich, fängt er irgendwann an, mental immer höher zu schrauben. Er beginnt dann immer hektischer zu suchen, das steigert sich bis zu einer sehr hohen „Schnüffelfrequenz“. Dies wiederum führt zu einer enormen Anspannung im Hund, da gleichermaßen die Erwartungshaltung auf den Fund und damit die Bestätigung übertragen wird. Diese Anspannung versucht er, durch hektisches Laufen abzubauen. Irgendwann ist dann im Kopf nur noch „Gewitter“. Natürlich lässt sich so überhaupt kein vernünftiges Suchergebnis erzielen. Ich muss also aufpassen, dass ich ihn „trieblich“ auf vernünftiger Ebene halte. Das erreiche ich bei Darex, indem ich ihn immer mal wieder ausbremse, ihn an der Leine spüren lasse und ihn speziell nicht mit der Stimme lobe oder motiviere. Halte ich ihn auf diesem Level, erzielt er erstklassige Ergebnisse. Immerhin hat er bei der letzten Überprüfung als Bester abgeschnitten und ich kann mich zu 100 % auf ihn verlassen.
Prominente Gäste
Vor einiger Zeit fand ein Einsatz zur Präventivabsuche einer Großveranstaltung statt. Es wurden viele Gäste aus Fernsehen und Politik erwartet und einige bekannte Künstler traten auf. Da die Vorbereitungen meist in einem sehr engen zeitlichen Rahmen stattfinden, wurden während unserer Absuche des Bühnenbereichs ein Soundcheck und die Überprüfung des Equipments vorgenommen. Man kann sich vorstellen, dass ein unbeschreiblicher Lärm herrschte und gerade als Darex auf der Bühne diverse Gegenstände absuchte, ging die Nebelanlage vor ihm mit lautem Zischen los. Darex hat darauf überhaupt keine Reaktion gezeigt und sich nicht in der Suche unterbrechen lassen. Da setzt er schon Prioritäten. Ich wünsche mir, dass Darex nach hoffentlich bestandener Körung seine Fähigkeiten an Welpen weitergeben darf. Das Wichtigste aber ist, dass er weiterhin gesund bleibt und sich diese außergewöhnliche Arbeitsfreude erhält.

Ein MUSS für jeden, der sich auch nur ansatzweise mit Hundeausbildung beschäftigt.
Martin Weitkamp
Im Schatten der Gefahr
Hardcover, 128 Seiten, s/w
ISBN: 978-3-9815634-2-9
www.minervastore.de