Bronco von der stürmischen Ostseeküste | Sprengstoffspürhund auf Sucheinsätzen in Sri Lanka und Kenia
Am 18. November 2001 wurde „Bronco de mare baltico vehemente“ – ins Deutsche frei übersetzt mit „Bronco von der stürmischen Ostseeküste“ an eben jener Ostseeküste geboren. Seinem späteren Hundeführer stach er direkt ins Auge, da nicht nur sein Name etwas ungewöhnlich klang, sondern er auch optisch irgendwie „anders“ war. Bronco war ein „blauer“ Malinois und dieser Farbschlag ist nicht ganz so häufig. Bronco zog also um, weg von der Küste, mehr ins Landesinnere, aber zumindest noch an die Weser. Zunächst nahm alles seinen normalen Verlauf. Bronco war bzw. ist außergewöhnlich lebhaft und startete seine Karriere im Hundesport. Er legte die Prüfungen IPO I-III ab und zusätzlich die Stöberprüfung I. Zusammen mit seinem Hundeführer Andreas begannen wir mit der Ausbildung zum Sprengstoffspürhund. Bronco war zeitweise etwas schwierig, da außergewöhnlich temperamentvoll und oft etwas sehr zügig unterwegs. Nachdem er seine Ausbildung erfolgreich absolviert hatte, ging es dann zunächst in mehrere Spüreinsätze hier in Deutschland, mit teils beachtlichen Ergebnissen. Trotz seiner Geschwindigkeit fand Bronco mehr oder weniger im „Vorbeilaufen“ Munition und Munitionsteile in einem geparkten und verschlossenen Fahrzeug während eines Suchauftrages.
Ein Auftrag in Sri Lanka
Im Rahmen dieses Suchauftrages wurden von Bronco und seinen Kollegen im Laufe einer Woche ca. 500 Transportfahrzeuge, Container, Anhänger und diverse andere Gerätschaften untersucht. Nachdem er also hier in Deutschland ausreichend Erfahrung sammeln konnte, ging es mit seinem Hundeführer zunächst nach Sri Lanka. Umstellungsprobleme, bedingt durch das Wetter, hatte Bronco nicht, obwohl natürlich ein gewaltiger Unterschied bestand. Die Abreise hier fand bei ca. 18 Grad statt, in Colombo (Sri Lanka) traf er beim Aussteigen auf 32 Grad, verbunden mit erheblicher Luftfeuchtigkeit. Viel Zeit zur Eingewöhnung blieb eh nicht, das Team wurde direkt von der K9-Division der Polizei in Beschlag genommen und legte direkt los. Es ging um diverse Sucheinsätze. Im Anschluss daran führte Bronco jeden Abend seine Fähigkeiten im Schutzbereich vor. Hier ging es darum, verborgene Täter bzw. Angreifer in den Bäumen aufzuspüren und diese durch Verbellen dem Hundeführer anzuzeigen. Nach etwa zwei Wochen in Colombo ging die Reise weiter in das Innere der Insel. In Sigirija wurde ein Hundezentrum aufgebaut, in dem Minenspürhunde und Sprengstoffspürhunde ausgebildet werden sollten. Für Bronco rückte die Stöberarbeit in den Vordergrund. Er sollte Blindgänger wie Gewehrgranaten, Handgranaten etc. in der freien Stöberarbeit finden und sicher anzeigen können.
Bronco und der Fußball
Das komplette Hundezentrum war mit einer sehr hohen Mauer ringsum eingefriedet. Diese Mauer hatte eine Höhe von ca. 2,50m und sollte Elefanten abhalten. Direkt hinter der Mauer befand sich eine Straße, eigentlich mehr eine Sandpiste, dahinter standen ein paar Hütten der Dorfbewohner. Während eines abendlichen Fußballspieles der Hundeführer flog der Ball über die Mauer. Bronco sah den Ball fliegen, nahm nur wenige Meter Anlauf und sprang über diese 2,50m hohe Mauer – und zwar ohne große Mühen. Er erreichte mit den Vorderläufen direkt die Oberkante und zog sich hinüber. Niemand hatte ihm das gezeigt oder darauf hin trainiert. Natürlich waren die Dorfbewohner etwas erschrocken, denn Bronco sprang bei der Landung direkt jemandem vor die Füße, der laut schreiend weglief – wir konnten nur die Schreie hören und nichts sehen und rannten zum Tor, um nachzuschauen. Dort angekommen, kam uns Bronco schon mit dem Ball im Fang entgegen. Die etwas aufgebrachten Dorfbewohner interessierten ihn nicht. Na ja, wir konnten die Lage wieder beruhigen. Wir besorgten einige Säcke Reis und entschädigten damit die Leute für den Schrecken. Wir luden nun abends die Kinder des Dorfes in das Hundezentrum ein, um Ängste abzubauen. So hatten alle ihren Spaß. Die Kinder spielten Ball mit den Hunden und hatten so ein bisschen Abwechslung, denn wie man sich vorstellen kann, gab es dort gar keine speziellen Einrichtungen für Kinder und die Hunde bekamen ausreichend Bewegung.
Bronco macht uns große Sorgen
Dann kam der Tsunami, den unsere Teams zunächst nicht direkt erlebten, weil sie sich in der Mitte der Insel befanden. Die Ausbildung der Hunde wurde zunächst eingestellt, die Hundeführer begaben sich zur Küste, um Hilfe zu leisten. Andreas bereitete alles für die Ankunft einer Hilfsorganisation vor, die wir aus Deutschland erwarteten. Mit dieser ging es dann in die Brennpunktgebiete, um dort mit einem kleinen Lazarett die medizinische Versorgung so gut wie möglich sicherzustellen. Andreas berichtete von unvorstellbaren Zerstörungen und vielen Eindrücken, die ich hier nicht näher beschreiben möchte. Knapp 8 Wochen nach dem Tsunami, Andreas war nach Sigirija zurückgekehrt, ging es Bronco schlecht. Der örtliche Tierarzt vermutete zunächst eine Verstopfung und versorgte Bronco literweise mit Paraffin. Bronco wurde in eine Klinik nach Kandy gebracht, dort gab es zunächst weiter Paraffin. Er hatte recht hohes Fieber und wurde deshalb in Eisbeutel eingepackt, um das Fieber zu senken. Leider gab es in Sri Lanka keine tierärztliche Praxis oder Klinik, wie man sie unter Umständen in Europa vorfindet. Gerätschaften wie Ultraschall, Röntgengeräte waren, wenn überhaupt vorhanden, total veraltet und teils defekt. So war natürlich eine halbwegs vernünftige Diagnose schwierig. Plötzlich krampfte Bronco, zitterte und lag dann bewegungslos. Der Tierarzt untersuchte ihn und meinte dann, Bronco sei tot. Andreas ging hinaus, denn es war nichts mehr zu machen. Knappe 10 Minuten später kam der Tierarzt herbeigerannt und rief, dass Bronco wieder leben würde. Andreas rannte zurück, Bronco lag noch da, in Eis eingepackt und tatsächlich, er lebte! Andreas packte ihn aus, rasierte ihm den Bauch und verlangte von dem Tierarzt, den Hund zu operieren. Dieser weigerte sich zunächst, argumentierte mit dem Fieber, das vor dem „Tod“ ja noch da war, ließ sich aber dann doch überreden. Schlussendlich stellte sich heraus, dass ca. 30 cm Darm eingerissen waren und entfernt werden musste. Bronco überstand die OP sehr gut, musste aber leider drei Tage später nochmals operiert werden, da die Narbe wieder aufgerissen war. Nach insgesamt drei Wochen Aufenthalt in der Klinik, die Andreas eigentlich nur damit zubrachte, neben Bronco, der auf einem Tisch lag, zu sitzen, konnte Bronco wieder zurück nach Sigirija. Wenn man davon absieht, dass der Hund nach dieser Tortur nur noch ganze 17 kg wog und zum Röntgen nur gegen die Sonne gehalten werden brauchte, hat er das Ganze gut weggesteckt. Die beiden blieben noch ca. 3 Monate in Sri Lanka, dann ging es wieder zurück nach Deutschland, um sich auf den nächsten Einsatz vorzubereiten.
Kenia ruft!
Nach einem kurzen Aufenthalt in Deutschland für ca. 6 Monate, die ausgefüllt waren mit Training und ein paar kleineren Einsätzen, ging es dann nach Kenia. Dort sollten die beiden in einem Ausbildungscamp arbeiten, Bronco wurde hauptsächlich zur Anschauung eingesetzt, dies aber in den unterschiedlichsten Bereichen. Nun war die Gegend dort relativ gefährlich, es herrschte große Armut und in manchen Gebieten zählte ein Menschenleben nicht viel. Bronco blieb also bei Andreas und nicht im Camp. Andreas war in einer Wohnsiedlung untergebracht, die zum einen von einem speziellen Sicherheitsdienst bewacht wurde und zum anderen verfügte jedes Haus nochmal über eine hohe Mauer mit Stromdrähten „on top“, Gittern vor den Türen und Fenstern und einem eigenen „Guard“, der aber lediglich mit einem Knüppel bewaffnet war. Die Einbrecher, die in der Regel nicht gerade zimperlich waren, ließen dann auch nicht lange auf sich warten. Eines Nachts wurde Andreas durch Bronco geweckt, draußen im Gelände bzw. im Garten schien es einen Kampf zu geben. Einbrecher versuchten sich Zutritt zu verschaffen und der Guard hatte große Schwierigkeiten, die Eindringlinge draußen zu lassen. Jedem war klar: Schaffen es die Verbrecher, auf das Gelände zu kommen, ist das Leben keinen Pfifferling mehr wert. Von seinem Zimmer aus drückte Andreas den „Emergency button“, der dann direkt an die Sicherheitseinheiten vor der Siedlung den Alarm meldet, schnappte sich Bronco und versuchte, dem Guard zu Hilfe zu kommen. Am Tor angekommen, heulten bereits die Sirenen des ankommenden Sicherheitsdienstes und die Einbrecher versuchten zu flüchten. Der Guard riss das Tor auf. Leider war noch einer der Diebe kurz vor dem Tor, der darauf hin versuchte den Guard und auch Andreas anzugreifen. Nun, Bronco ging dazwischen und das auch sehr energisch. Der Eindringling hatte nicht wirklich eine Chance. Er versuchte zwar, den Hund mit einem Knüppel abzuwehren (eine Schusswaffe hatte dieser Gott sei Dank gerade nicht zur Hand), das allerdings besänftigte Bronco nicht unbedingt. Der Hund ließ auf Hörzeichen sauber vom Täter ab und der Verbrecher konnte den Sicherheitskräften übergeben werden. Irgendwie schienen sich Broncos Fähigkeiten wohl herumgesprochen zu haben, denn ein paar Wochen später meldete sich die Polizei. Auf einer Hauptstraße in Nairobi hatte es eine Schießerei mit mehreren Verletzten und Toten gegeben. Die Polizei war zur Beweisführung auf der Suche nach Patronenhülsen, die aber so ohne Weiteres in dem Chaos nicht zu finden waren. Andreas machte sich mit Bronco auf den Weg. Die Suchfläche auf der Straße wurde abgesperrt und Bronco legte sich ins Zeug. Nach ungefähr 2 Stunden Sucharbeit wurde er fündig. Er fand immerhin drei Patronenhülsen, ein durchaus beachtlicher Erfolg. Die Polizei war sehr zufrieden und der Einsatz konnte beendet werden.
Die Freuden des „Vorruhestandes“
Nach weiteren drei Monaten ging es dann wieder nach Hause. Bronco ist mittlerweile im „Vorruhestand“, das heißt, er nimmt noch gelegentlich an Einsätzen teil, die restliche Zeit verbringt er damit, diverse Fußbälle und anderes vor uns zu zerkauen und sich auf den Teppichen zu lümmeln. Sein Magen-Darmtrakt funktioniert und er verfügt eigentlich immer noch über dieselbe hohe Motivation wie früher. Wir hoffen, dass er noch viele Bälle zerkauen kann …

Ein MUSS für jeden, der sich auch nur ansatzweise mit Hundeausbildung beschäftigt.
Martin Weitkamp
Im Schatten der Gefahr
Hardcover, 128 Seiten, s/w
ISBN: 978-3-9815634-2-9
www.minervastore.de