„Man bekommt nicht den Hund, den man haben möchte, sondern den Hund, den man braucht.“
Finley galt als unerziehbar. Dann nahm Juristin und Gerichtsreporterin Birgit Jaklitsch die Sache selbst in die Hand. Sie ließ sich zur Hundetrainerin ausbilden und fand einen eigenen Weg.
Retriever-Rüde Finley hat das Leben der Juristin und Journalistin durcheinandergewirbelt. „Finley war mein Lerngeschenk. Ich bin viel geduldiger geworden, nicht nur mit Hunden, sondern insbesondere auch mit Menschen“, sagt Birgit Jaklitsch. Doch die ersten Jahre waren hart, weil Finley durchs Raster sämtlicher Hundetrainer fiel. Mit einem Jagdhund aus einer Field-Trail-Linie hatten die wenigsten Erfahrung. In „Dickes Fell und langer Atem“ nimmt sie uns humorvoll mit auf Finleys Erziehungsreise durch Welpenspielgruppen mit Streber- und Rüpelhunden und den dazu passenden Haltern, Hundeplätzen, auf denen eifersüchtige Trainer um Macht, Einfluss und die Gunst der Gruppe kämpften und Dog-Dance-Kursen, die von Finley mit Verachtung bestraft wurden. Und zeigt am Ende, wie ein bombensicherer Rückruf bei einem jagdbesessenen und meinungsstarken Golden Retriever trainiert wird.
Liebe Frau Jaklitsch, eigentlich sind Sie Juristin. Dann kam Finley. Und heute sind Sie Hundetrainerin. Wie kann man sich das vorstellen?
Birgit Jaklitsch: Ich habe, im Vergleich zu meinen anderen Tätigkeiten, nur relativ kurz als Juristin gearbeitet. Das Arbeitsleben wurde mir zusehends zu statisch. Irgendwann kündigte ich. Wenn ich behaupten würde, ich hätte mir das damals gut überlegt, wäre das eine glatte Lüge. Da war nichts, kein Plan B, nur meine Ersparnisse und eine unbändige Sehnsucht nach Freiheit, nach der Möglichkeit, freier gestalten und entscheiden zu können, und dem Wunsch nach mehr Kreativität und Toleranz.
Ich packte meinen alten Opel Kadett bis unters Dach mit meinen Sachen voll und fuhr Richtung Süden. Eine Freundin von mir lebte zu der Zeit in der Nähe von Baden-Baden. Ihre Gästewohnung wurde für den folgenden Sommer mein Basislager. Von dort aus plante ich meine Touren in die Schweiz und durch Frankreich. Meine Freundin, die Ressortleiterin bei einem Lifestyle-Magazin war, engagierte mich für die Recherche für eine Serie in ihrem Blatt.
Diese Arbeit hat mich dann so fasziniert, dass ich beschloss, diesen Berufsweg einzuschlagen. Da Yellowpress nicht so mein Ding war, fuhr ich zurück nach Hamburg und machte ein Volontariat in der Axel-Springer-Journalistenschule. Ich habe es niemals bereut.
Danach arbeitete ich mehrere Jahre als Gerichts-und Polizeireporterin und dann auch noch in anderen Ressorts verschiedener Tageszeitungen. Während dieser Zeit heiratete ich, bekam meine Kinder und Finley zog bei uns ein. Ich tauchte mit ihm zusammen ab in unsere wunderbar, turbulente Hundewelt. Bei soviel Lebensfülle waren die nächsten Loopings in der Biografie schon vorprogrammiert, und wenn ich ehrlich bin, ich möchte keinen von ihnen missen.
Erinnern Sie sich noch an das erste Kennenlernen mit Finley? Was haben Sie gedacht, als Sie ihn sahen? Warum haben Sie sich ausgerechnet für ihn entschieden?
Birgit Jaklitsch: Als ich Finley das erste Mal gesehen habe, war er gerade mal drei Wochen alt. Er hatte die Größe eines Meerschweinchens, eines sehr schönen Meerschweinchens. Er fiel mir auf, weil er dieses wunderschöne rotgoldene Fell hatte. Im Buch habe ich ja beschrieben, dass ich eine kleine Obsession habe, was die Fellfarbe betrifft. Unsere Familie besuchte den Wurf jede Woche. Immer wieder fiel mein Auge auf den Rüden mit der grünen Markierung. Allerdings hat mein Züchter von Anfang an klar gemacht, dass er entscheiden würde, welchem seiner Welpenkäufer er welchen Hund geben würde.
Ich denke, meine Vorliebe für Finley war nicht zu übersehen, und dass unser Züchter damals deswegen auch gezielt geschaut hat, ob er zu uns passen könnte. Wir hatten Glück. Laut seiner Einschätzung war Finley der ruhigste Rüde im Wurf. Deshalb bekamen wir den Zuschlag, schließlich waren wir Hundeanfänger. In „Dickes Fell und langer Atem“ kann man dann lesen, wie es mit unserer Stimmungskanone weitergegangen ist. Meine Familie hat an unsere Welpen-Besuche mit Sicherheit ganz andere Erinnerungen als ich.
Die Töchter erzählen gerne Geschichten darüber, wie ihre Mutter, an der Grenze zur Debilität, über den Boden gerutscht ist und Laute des Entzückens von sich gegeben hat. Wenn ich ehrlich bin, ist da schon was dran. Vielleicht nicht ganz so extrem, aber ich gebe zu, die vielen kleinen Hundebabys haben mich in Euphorie versetzt.
Denken Sie manchmal, es war Schicksal und alles musste so kommen?
Birgit Jaklitsch: Ich denke, es war die Mischung aus Schicksal und einer bewussten Entscheidung. Wenn man innerlich nicht bereit ist, sich auf das Abenteuer Hund einzulassen, kann einem das Schicksal so viele Hunde vor die Füße werfen, wie Omas Apfelbaum Früchte trägt, dann wird das trotzdem nichts werden. Mir war es von Anfang an ernst mit der Idee, einen Hund in die Familie zu holen. In den ersten Kapiteln beschreibe ich, wie viel ich im Vorfeld der Entscheidung schon recherchiert und geplant hatte.
Tja, und dass es nun gerade Finley geworden ist, da hat dann wohl das Schicksal seine Hand im Spiel gehabt. Es heißt ja immer, man bekommt nicht den Hund, den man haben möchte, sondern den Hund, den man braucht. Bei uns trifft wohl beides in irgendeiner Weise zu. Ich habe mich gleich in den kleinen Krieger verliebt und ihn ins Herz geschlossen. Wenn unser Züchter Finley als temperamentvollen Rüden mit Hells-Angels-Potential eingeschätzt hätte, wäre mir das egal gewesen und ich hätte ihn trotzdem mitgenommen.
Ich hätte sicherlich an meinen wildromantischen Vorstellungen von Streifzügen über blühende Wiesen und sonnige Strände festgehalten. Dass es abendliche Kämpfe um meine Schuhe und meine Sofa-Kissen geben würde, hatte ich nicht auf dem Schirm. Ruhe und Ausgeglichenheit zählten damals nun wirklich nicht zu Finleys Kernkompetenzen. Finley war mein Lerngeschenk. Ich bin viel geduldiger geworden, nicht nur mit Hunden, sondern insbesondere auch mit Menschen.
Erinnern Sie sich noch auf die prägendste Erfahrung/Geschichte auf dem Hundeplatz? Wann war für Sie vielleicht der Zeitpunkt gekommen, an dem Sie wussten, dass Sie nun Ihren eigenen Weg gehen müssen?
Birgit Jaklitsch: Oje, da gab es mehrere Situationen, die für mich Schlüsselerfahrungen waren. Wenn ich meine Erinnerungen auf meinen persönlichen Umgang mit Hunden richte, dann war es wohl der Moment, als ich Finley das erste Mal zu Hause gelassen habe und mein Training mit einer der Hündinnen meines Züchters absolvieren sollte. Ich war wirklich verzweifelt, mein Frustpegel dengelte an der Höchstmarke und ich war überzeugt davon, dass das Zusammenleben mit Finley wohl nie das sein würde, was ich mir erträumt hatte.
Finley sollte vorübergehend zuhause bleiben, damit ich mehr an mir selber arbeiten konnte. Das schlug mein Züchter natürlich nicht vor, ohne mir mitzuteilen, dass mein armer Hund, der aus seiner Sicht nichts falsch machen konnte, nun unglücklicherweise die Konsequenzen meiner Unfähigkeit zu tragen hatte. Jeany, eine fünf Jahre alte Retrieverhündin, durfte mit mir trainieren. Sie war eine Seele von Hund, super ausgebildet und sehr, sehr geduldig mit mir. Endlich hatte ich einen ausgeglichenen Hund an meiner Seite und konnte auch mal in Ruhe überlegen, bevor ich etwas tat. Wir trainierten ein halbes Jahr zusammen. Ich konnte mein Timing und meine Körpersprache schulen und überprüfen. Damals fielen viele Sorgen von mir ab. Nach dem Training war ich immer ein bisschen stärker und relaxter. Was ich mit Jeany gelernt habe, setzte ich im Alltag mit Finley um. Nicht immer störungsfrei, aber hey, mühsam ernährt sich die Retriever-Mutti. Endlich konnte ich ein paar Dingen mit mehr Humor begegnen, Finley und ich fingen an, unser gemeinsames Leben zu genießen.
Gab es auch schon mal Momente der Verzweiflung?
Birgit Jaklitsch: Oh ja, ich war oft verzweifelt am Anfang. Genaugenommen waren die ersten eineinhalb Jahre geprägt von meiner Verzweiflung. Im Nachhinein muss ich zugeben, dass auch Finley ein bisschen verzweifelt gewesen sein musste. Was war seinem Züchter bloß eingefallen, ihn zu dieser Anfängerin zu geben? Diese Kombination aus mangelnder Erfahrung auf meiner Seite, fehlender Qualität beim Trainingsangebot und schließlich einem Hund, der jede, aber auch jede Gelegenheit beim Schopf gepackt hat, um mir meine Grenzen aufzuzeigen, war schon eine echte Herausforderung. Die größte Herausforderung war es, Finley beizubringen, ordentlich an der Leine zu gehen. Finley hegt eine tief verwurzelte Abneigung dagegen, bei Fuß zu gehen. Die meiste Zeit führte er sich auf, wie ein Schleppkahn, dessen Aufgabe es war, mich, das Lastschiff, hinter sich herzuziehen, ohne Rücksicht darauf zu nehmen, ob er mich dabei kielholen würde. Wir haben es letztlich, mit etwas Toleranz von beiden Seiten, ganz gut hinbekommen. Es hat nur elendig lange gedauert.
Aufzugeben stand für mich trotzdem nie zur Debatte. Ich bin nämlich auch mit einem kapitalen Dickkopf ausgestattet. Jeden Morgen stand ich auf und versuchte es aufs Neue. Hätte ich einen Trainer gehabt, der auch mir, und nicht nur meinem Hund ein wenig mehr Verständnis entgegengebracht hätte, wären Finley und ich sicher schneller ans Ziel gekommen.
Was war der schlimmste Gedanke über Finley, der in Ihnen aufgekommen ist?
Birgit Jaklitsch: Nur so viel dazu. In den ersten zwei Jahren hat es Momente geben, in denen ich ihn wirklich überhaupt nicht gemocht habe. Das hat mir immer sofort ein furchtbar schlechtes Gewissen gemacht. Ich kam mir vor wie ein richtiges Rabenfrauchen, das diesen tollen Hund gar nicht verdient hat. Letztlich hatten aber auch diese Momente ihr Gutes. Sie halfen mir, innerlich mal ein paar Schritte zurückzutreten und bestimmte Situationen neu zu überdenken. Ich fing an, die kleinen, kaum merklichen Fortschritte zu schätzen, denn sie erwiesen sich als nachhaltiger als die großen Durchbrüche.
Wenn Sie könnten – würden Sie dann eine Eigenschaft an Finley verändern?
Birgit Jaklitsch: Ein ganz klares Nein. Ich würde nichts an ihm ändern wollen. Er ist ein wunderbar herzlicher, sturer, gewitzter, liebevoller, lustiger, kumpelhafter, zuverlässiger, souveräner Charmeur, und wunderhübsch ist er auch noch. Er ist genau richtig, wie er ist. Egal, welche Eigenschaft fehlen würde, ich würde sie an ihm vermissen.
Rückblickend – wie erklären Sie sich heute, dass Finley durch so viele Raster verschiedener Hundetrainer*innen gefallen ist? Wie ist Ihre Sicht darauf?
Birgit Jaklitsch: Dafür sind meiner Meinung nach viele Faktoren verantwortlich. Damals, als Finley in unsere Familie stürmte, gab es noch kein so vielfältiges Angebot an Hundeschulen. Man musste schon Glück haben, um einen Trainer zu finden, der sich mit Jagdhunden aus einer Field-Trail-Linie auskennt. Ich hatte keins. Trainiert wurde noch überwiegend nach dem Schema F der vergangenen Jahrzehnte. Sprüche wie „wir haben schon jeden Hund klein gekriegt“, „das hat jetzt 30 Jahre so funktioniert“, waren der Standard.
Auf den Trainingsplätzen, auf denen ich war, und das waren viele, war es ein Affront, wenn man Änderungen vorschlug. Diese Art der Intoleranz und Unbeweglichkeit hat der Qualität des Trainings geschadet. Ich war auf Plätzen, da hatte ich als Hundeanfänger mehr Bücher zum Thema gelesen, als die dort arbeitenden Trainer. Es gab damals schon wissenschaftliche Untersuchungen an Universitäten zum Haushund. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen haben aber erst ganz allmählich den Weg in die allgemeinen Hundeschulen gefunden.
Was heute an Wissen beim durchschnittlichen Trainer und Hundehalter vorhanden ist, war damals keine Selbstverständlichkeit. Ich bin ziemlich froh, dass sich das geändert hat. Ein Hundetraining sollte nicht nur mechanische Abläufe vermitteln, sondern den Hundehalter auch mit theoretischem Wissen versorgen. Er sollte doch verstehen, warum er sich wie, in welcher Situation verhalten muss.
Würden Sie sagen, Sie trainieren mehr den Hund oder den Menschen am Leinenende?
Birgit Jaklitsch: Ich habe großes Vertrauen in Hunde allgemein. Meine Erfahrung ist, dass sie in der Regel sofort mitmachen, wenn sie verstehen können, was wir Menschen von ihnen wollen. Manche Hunde wirken sogar erleichtert, wenn sie endlich verstehen können, was Herrchen oder Frauchen von ihnen wollen. Deshalb konzentriere ich mich gleich zu Beginn eines Trainings zuerst einmal auf den Menschen. Wenn meine Mensch-Hund-Teams zu mir kommen, höre ich erst einmal zu. Oft hat sich beim Menschen ein großer, innerer Druck aufgebaut. Der muss weg, damit wir arbeiten können. Also frage ich ab. Was ist in der Vergangenheit schiefgelaufen? Was hat der Hund getan oder nicht getan? Ich lasse mir einzelne Situationen schildern und bekomme so schon einmal einen Eindruck davon, mit welchem emotionalen Typ Mensch ich es hier zu tun habe. Denn die Emotionen spielen für den Erfolg in der Hundeerziehung eine große Rolle. Sie können beflügeln, aber auch blockieren.
Die Schilderungen liefern mir natürlich auch schon erste Erkenntnisse darüber, auf welchem Kenntnisstand der Mensch sich befindet. Welchen Irrtümern ist er in der Einschätzung seines Hundes erlegen. Welche davon können wir am schnellsten abbauen, damit der Mensch durch Erfolgserlebnisse gestärkt wird und zukünftig etwas entspannter und selbstbewusster an das Training herangehen kann.
Sind wir dann ins Arbeiten mit dem Hund gekommen, versuche ich, den Frustrationspegel beim Menschen möglichst gering zu halten. Niemand soll entmutigt werden oder sich unfähig fühlen. Ich erkläre die Fehlschläge und gute Abläufe werden gefeiert. Wichtig ist die realistische Sicht auf das, was möglich ist. Wenn zwei Jahre alles schiefgelaufen ist, ist das nichts, was man in einer Woche beheben kann. Immer optimistisch bleiben. Fehlschläge gehören zum Leben mit Hund dazu. Man kann eine Menge aus ihnen lernen.
Haben Sie durch all die Erfahrungen und auch durch Ihre heutige Arbeit als Hundetrainerin eine bessere Menschenkenntnis erlangt?
Birgit Jaklitsch: Sagen wir mal, ich habe mein Portfolio erweitert. Ich bin vielleicht ein wenig fürsorglicher mit den Hundemenschen geworden. Es ist ähnlich wie bei unseren Hunden, ein Mensch, der sich wohl fühlt, ist offener für Ratschläge und trainiert besser.
Ich hatte immer Berufe, in denen ich mich mit den Gefühlen von Menschen auseinandersetzen musste. Als Juristin und Journalistin musste ich mich mit Sachverhalten auseinandersetzen, die vom menschlichen Normalmaß stark abwichen. Da ging es oft um dramatische Lebensgeschichten. Wenn man in diesen beiden Berufen gearbeitet hat, weiß man, dass man niemals alles gehört und gesehen hat. Da kann immer noch etwas nachkommen.
Erzählen Sie uns doch gerne von Ihrem absurdesten, dem schlimmsten und dem glücklichsten Moment mit Finley, auf dem Hundeplatz oder im Zusammenhang mit Ihrer Arbeit als Trainerin.
Birgit Jaklitsch: Der mit Abstand schlimmste Moment war ein Beißvorfall auf einem der Hundeplätze, auf dem Finley und ich trainiert haben. Finley wurde von mehreren Rüden gleichzeitig attackiert und schwer verletzt. In meinem Buch habe ich das in dem Kapitel „Der Vorfall“ beschrieben. Gott sei Dank hat Finley das alles gut überstanden.
Zu den absurdesten Begebenheiten zählen sicherlich Erziehungs- und Verhaltenstipps von Nichthundehaltern. Mir wurde angeraten, Finley auf ein Katzenklo zu gewöhnen, damit er sein Geschäft nicht im Wald hinterlässt. Eine Heli-Mutti wollte, dass ich ihm eine Mütze über die Augen ziehe, damit er ihr Kind nicht anguckt. Was soll ich sagen, ich hatte gerade keine Mütze dabei, sorry. Es gibt unzählige solcher Begebenheiten.
Zu meinen glücklichsten Momenten mit Finley gehören sicherlich unsere Urlaube in Dänemark. Anfangs ist es an der See ja immer etwas schwierig. Die vielen Gerüche, fremden Geräusche und Seemöven versetzen Finley in einen Rausch. Nachdem er sich seinen Seemöven-Stress herausgetobt hat, ist es dann aber unschlagbar schön.
Welcher Ihrer ausgeübten Berufe ist für Sie heute der „Beste“?
Birgit Jaklitsch: Ich habe Glück gehabt, ich habe aus allen Berufen etwas Wichtiges herausfiltern können, das mir dann auch im nächsten Beruf geholfen hat.
Als Juristin habe ich gelernt zu kämpfen, zu analysieren, in schwierigen Situationen die Nerven zu behalten und zielgerichtet handeln zu können. Manchmal sind ein wenig Distanz zum Schicksal anderer und etwas mehr Abstand wichtig, damit man helfen kann. Keinem Hundehalter hilft ein Hundetrainer, der vor Mitleid zerfließt wie ein Softeis in der heißen Mittagssonne. Und da sind wir bei meinem Trainerjob angelangt.
Ich liebe ihn, weil ich dort auch meine Liebe zu Hunden ausleben kann. Mir hat, als Finley noch klein war, ein Hundetrainer gefehlt, der mir verständnisvoll begegnet ist. Das wollte ich anders machen. Mein Ziel war und ist, Hundehalter zu stärken und sie kompetent zu machen. Denn wenn mir das gelingt, wird ihr Hund schon alles lernen. Das Schreiben … ja das ist meine Passion, eine Herzensangelegenheit. Ich kann es einfach nicht lassen, es muss raus. Gleichbedeutend wichtig mit meiner Liebe zu Hunden. Ich bin so froh, dass ich hier im Minerva Verlag und speziell auch in der HundeWelt die Gelegenheit bekommen habe, beides zu kombinieren. Idealer geht es eigentlich nicht.
Welche Herausforderungen birgt der Beruf Hundetrainer*in?
Birgit Jaklitsch: Tatsächlich hat es sich für mich als vorteilhaft erwiesen, dass ich ein paar Regeln für mich aufgestellt habe. Wenn Angehörige mich anrufen, weil sie denken, der Hund ihrer Mutter, Schwester oder ihres Onkels würde Erziehung benötigen, ist das schön und gut und vielleicht ja auch wahr. Dennoch stelle ich erst einmal sicher, ob der entsprechende Hundehalter überhaupt an Trainingsstunden interessiert ist. Hat zwischen dem Angehörigen und dem Hundehalter noch kein klärendes Gespräch darüber stattgefunden, verkaufe ich keine Trainingsstunden. Auch wenn ein Geschenk grundsätzlich etwas Gutes ist, kann es zum Bumerang werden, wenn der Hundehalter das Problem mit seinem Hund nicht sieht und keine Lust auf Training hat. Als ich noch unerfahren war in dem Geschäft, hatte ich deshalb ein paar unangenehme Rückabwicklungen. So etwas braucht kein Mensch.
Kurz vor Weihnachten hatte ich einen Anruf von einer Dogwalkerin, die mir den Vorschlag machte, als „Überraschungsgast“ am Heiligen Abend bei ihrem Kunden aufzutauchen, um ihm seine Versäumnisse bei seinem Hund aufzuzeigen. Ratet! Nein, so etwas mache ich natürlich nicht.
Wenn man wie ich ausschließlich Einzelunterricht gibt, kommt man seinen Kunden oft recht nah. Da kann es manchmal schwierig werden, sich abzugrenzen. Was ist meine Aufgabe und wann halte ich mich raus? Der unterschiedliche Umgang verschiedener Familienmitglieder mit ihrem Hund kann zu Konflikten führen. Ich finde es wenig zielführend, mich in diese Familienkonflikte einzumischen und zu vermitteln. Da spielen oft noch andere Konflikte aus dem Familiengefüge mit, von denen ich nichts wissen kann. Da halte ich mich raus.
Manchmal werde ich sogar aufgefordert, dem Ehemann oder der Frau mal richtig die Meinung zu sagen. Das fällt natürlich überhaupt nicht in meinen Aufgabenbereich. Allerdings nehme ich dann schon wahr, dass sich in dieser Familie etwas hochgeschaukelt hat, dass das Hundetraining beeinträchtigen kann. In solchen Momenten versuche ich zu erklären, dass es durchaus möglich ist, dass nicht alle Familienmitglieder ausbildungstechnisch auf einem Stand sind. Oft sind die Leute dann verwundert, wenn ich ihnen sage, dass ihr Hund mit Variablen zurechtkommen wird und es keine Konkurrenz in der Familie geben muss. Manchmal teile ich die Familie dann auf und treffe mich mit jedem allein zu einer Stunde. Insbesondere den Männern fällt es dann leichter, sich auf meine Tipps einzulassen.
Haben Sie abschließend vielleicht ein paar Ratschläge für Menschen, die ebenfalls Hundetrainer*in werden wollen?
Birgit Jaklitsch: Ich mache mich jetzt mal unbeliebt. Wenn ihr Hundetrainer werden möchtet, überprüft eure Motivation! Wenn ihr das macht, nur weil ihr Hunde mögt und weil ihr nicht mehr mitansehen könnt, wie stümperhaft XY und XX mit ihren Hunden umgehen, dann lasst die Finger davon. Warum das? Weil ihr mit diesen Gedanken bereits das halbe Team, um das ihr euch später kümmern sollt, abqualifiziert und pauschal verurteilt habt. Ihr könnt einem Hund nicht helfen, wenn ihr für den Menschen an seiner Seite kein Verständnis aufbringen könnt. Wenn ihr nicht bereit seid, den Menschen im Team zu stützen, sich mit seinen Gedanken auseinanderzusetzen und jeden auch noch so abstrusen Gedanken erst einmal ernst zu nehmen, dann könnt ihr auch den Hund nicht sachgerecht unterstützen. Seid ihr aber dazu bereit, gibt es inzwischen eine Vielzahl hochqualifizierter Ausbildungen mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Ich werde hier kein Ranking vornehmen, denn die meisten der bekannten Ausbildungsdurchgänge sind qualitativ wirklich gut. Eure Herausforderung wird es sein, das System für euch zu finden, das euren Erziehungszielen am meisten entspricht. Lest euch die Ausbildungsbedingungen und die Verträge, die ihr unterschreiben müsst, gut durch. Denn bindet ihr euch, kann das auch Verpflichtungen für die Zeit nach der Ausbildung mit sich bringen. Ist euch das zu kompliziert, lohnt sich der Besuch bei einem Anwalt, der das ganze einmal für euch aufschlüsselt.
Darüber hinaus kann ich nur jedem Hundetrainer empfehlen, offen zu bleiben, auch für Impulse, die nicht aus der eigenen Ausbildungsecke kommen. Eine gewisse Unabhängigkeit von festen Dogmen halte ich für vorteilhaft.
Liebe Frau Jaklitsch, vielen Dank für das tolle Interview!
Tipp: Unseren Podcast mit Birgit Jaklitsch als Gast findest du HIER in der Podcast-Zone.
In „Dickes Fell und langer Atem“ nimmt Birgit Jaklitsch uns humorvoll mit auf Finleys Erziehungsreise durch Welpenspielgruppen mit Streber- und Rüpelhunden und den dazu passenden Haltern, Hundeplätzen, auf denen eifersüchtige Trainer um Macht, Einfluss und die Gunst der Gruppe kämpften und Dog-Dance-Kursen, die von Finley mit Verachtung bestraft wurden. Und zeigt am Ende, wie ein bombensicherer Rückruf bei einem jagdbesessenen und meinungsstarken Golden Retriever trainiert wird. www.minervastore.de
Birgit Jaklitsch ist Vollblutjournalistin, passionierte Bloggerin, Juristin im Standby-Modus und heute führt sie als engagierte Hundetrainerin ihre eigene Hundeschule „Goodfellows Mensch & Hund-Coaching.“
https://goodfellows-coaching.de/