Mit Hund das Drehbuch des eigenen Lebens verändern
„Du brauchst einen Hund – da bin ich!“ – hat vielleicht auch der Border Collie Luke gesagt, als er der berühmten Hundetrainerin Patricia McConnell in einer brenzligen Situation im Schafstall das Leben rettete. „Luke war mehr als nur der Star eines einzigen dramatischen Moments“, schreibt sie in ihrer Autobiographie „Will sei Dank“, „er war eine dieser alten Seelen, deren Liebe zum Leben einen dazu bringt, in ihrer Nähe zu leuchten.“
Wenn wir einen Hund als Inspiration betrachten, dann fangen wir auch selbst an, uns zu verändern. McConnell ging diesen Schritt mit Lukes Nachfolger Will, dem ihre Autobiographie gewidmet ist.
Will mit seinen Ängsten und seiner Wut bringt die Verhaltensforscherin an die Grenzen ihrer Belastbarkeit. Er zwingt sie, sich mit ihren eigenen Verletzungen und ihrer eigenen Angst auseinanderzusetzen. „Will sei Dank ist meine Geschichte“, schreibt sie, „und im Grunde ist sie Teil meiner Bemühungen, das Drehbuch meines Lebens so zu verändern, dass es nicht mehr gegen mich arbeitet, sondern hilft, mich zu dem Menschen zu machen, der ich sein möchte.“
Wie im Film
Wenn es ein Drehbuch zum Leben gibt, dann ist der Moment, indem ein Hund und ein Mensch sich treffen, wahrscheinlich der mit der dramatischen Orchestermusik. Mit Hochfrequenztönen, natürlich.
Mehr noch als andere Haustiere hat ein Hund die Macht, etwas in unserem Leben zu verändern. Er verändert Lebensgewohnheiten (wir stehen vielleicht früher auf, gehen mehr raus, gehen seltener an Orte, an denen wir den Hund nicht mitbringen können). Er verändert Freundschaften („Nicht jeder ist begeistert, wenn ihm eine dreißig Kilo schwere Bulldogge auf die Schultern zu klettern versucht. Aber wer Bulli nicht mag, kann auch mein Freund nicht sein.“, schreibt zum Beispiel die Schriftstellerin Karen Duve). Und er verändert unsere Sicht auf die Welt.
Es ist, als würde der Hund dem menschlichen Leben eine Dimension hinzufügen, die ihm zuvor gefehlt hat. Eine Dimension, in der Nähe und Ferne neu gemessen werden: In einem Moment versteht der Hund jeden Blick, schläft in unserem Bett, hört sich unsere geheimsten Sorgen an. Im nächsten Moment taucht er ab in seine für uns völlig unverständliche Welt der Gerüche, jagt dem Hasen hinterher, gerät in unerklärliche Wut über einen Artgenossen. Die Dimension „Hund“ kann ein Menschenleben reicher machen, bunter, tiefer.
Der Hund lebt im Hier und Jetzt
Simone zum Beispiel erzählt über ihren siebenjährigen Mischling Spike: „Beim Spazierengehen genießt er sichtlich das Leben, ist neugierig und im Hier und Jetzt. Das bereitet mir wiederum große Freude. Etwas was ich von ihm lernen kann.“
Im Hier und Jetzt – manche Menschen hören sich Meditationen auf ihren Smartphones an, in denen dieses Mantra wiederholt wird. „Dieser Moment. Und dieser Moment. Und dieser.“ Wir 5 Millionen Hundebesitzer brauchen keine App dazu – wir führen den Achtsamkeitswecker an der Leine. Wir müssen ihm nur noch zuhören. Einen Moment Pause machen mit dem Erziehen und Trainieren und Wünschen, und einfach nur Hinsehen und Miterleben.
Gerade für Menschen, die sich intensiv auf ihren Hund einlassen wollen, ist es wichtig, immer wieder achtsam in die aktuellen Momente hineinzuspüren. Aber auch für diejenigen, die Beruf, Familie und vielleicht sogar Hobbys ohne Hund, oder ein menschliches Sozialleben, an dem Hunde nur in Maßen teilnehmen können, unter einen Hut zu bringen versuchen.
Im engen Zeitplan ist es schnell passiert, dass man den Hund mit managt. Ihn morgens zur Hundetagesstätte bringen, abends schnell zum Agility, die Kinder vom Spielen einsammeln und den Hund vom Hundesitter, in der Mittagspause eine Gassirunde, am Wochenende Junghundekurs eins bis drei. Und wer heute noch kein Mantrailing macht, der ist echt uncool?
Wenn der Hund in erster Linie verwaltet wird, geht das an den Bedürfnissen des Hundes bei aller Liebe und allem guten Willen vorbei. Und auch an den Bedürfnissen des hundehaltenden Menschen! Oder, anders formuliert: Wenn wir die Partnerschaft, die Inspiration zu sehr erzwingen wollen, verpassen wir sie erst recht.
„Es klingt vielleicht seltsam, wenn ich es sage“, schreibt die Dichterin Elizabeth von Arnim, „aber genau dies alles: Etwas Sonne auf meinem Gesicht, das Bewusstsein des nahenden Frühlings, und niemand in Sehweite außer einem Hund, genügt noch immer, um mich mit höchstem Glücksgefühl zu erfüllen.“
Den vollständigen Beitrag findest du in HundeWelt Ausgabe 10.2020.