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Ricky – ein Multitalent gegen den Drogenschmuggel in Bahrain

In Bahrain tauchte bei einem deutschen Unternehmen das Problem des Drogenschmuggels auf. Wir bekamen also den Auftrag, den Schmuggel mithilfe von Spürhunden zu unterbinden oder zumindest einzudämmen. Bei den Spürhunden sollte es sich aus verschiedenen Gründen um einen Cocker Spaniel handeln. Wir machten uns also auf die Suche nach geeigneten Hunden. Aufgrund einer Zeitungsannonce kamen wir zu einer Gaststätte – dort wurde ein roter Spaniel-Rüde zum Verkauf angeboten. Als wir eintrafen, saß Ricky ziemlich teilnahmslos unter dem Tresen. Eine kurze Überprüfung ergab … nichts. Ricky dachte gar nicht daran, mit einem Ball oder mit irgendetwas zu spielen. Aber irgendwie gefiel mir Ricky, also nahmen wir ihn einfach mit. Früher oder später würden wir ihn schon an eine nette Familie vermitteln können, das war unser Gedanke. Nachdem Ricky knapp zwei Wochen bei uns war, fiel ihm nach einem Spaziergang plötzlich ein herumliegender Ball ins Auge und er stürzte darauf wie eine Hyäne. Ich war leicht verwundert und begann mit ihm intensiv zu spielen. Ich nahm eine Beißrolle, dann ein Plastikröhrchen und er nahm alle Gegenstände gerne an.

Vom Kneipenhund zum Rauschgiftspürhund

Die Ausbildung zum Rauschgiftspürhund absolvierte Ricky als „Klassenbester“ und so ging es bald ab nach Bahrain. Weder der lange Flug noch die Klimaumstellung machten ihm Schwierigkeiten, nur seinen neuen Hundeführer nahm er nicht so wirklich ernst. Insgesamt war es auch eine wirklich schwierige Situation. Wir arbeiteten bei einem deutschen Unternehmen im Auftrag einer Firma aus Bahrain mit Hundeführern von der Polizei aus dem Nepal. Ricky beschloss also kurzerhand, seinen Hundeführer komplett zu ignorieren – worum es ging, wusste er ja. Sobald die Suche losging – in einer riesigen Lagerhalle mit Laufbändern, Staplern, Krach und zig Leuten überall – startete er voll durch. Er kroch unter jede Palette, sprang in jeden Container und tauchte regelrecht in die Pakete ein. Zeitweise konnte man ihn gar nicht mehr sehen – ab und an mal seinen Kopf zwischen den Paketen und gleich darauf verschwand er wieder. Ricky hatte auch den ein oder anderen Drogenfund, was alle immer wieder erstaunte, da er zumindest optisch gar nicht so intensiv suchte, sondern seinen Job mehr oder weniger im Vorbeihuschen erledigte. Tatsächlich kann ein Hund, wenn er denn will, einen Geruch im Bruchteil einer Sekunde erfassen. Dabei kommt es natürlich immer auf die Intensität des Geruches an.

Vom Rauschgiftspürhund zum Reinigungsspürhund

Nach nicht ganz einem Jahr war der Auftrag beendet und wir zogen mit den Hunden wieder ab nach Deutschland. Hier ist die Nachfrage nach privaten Rauschgiftspürhunden nicht wirklich groß. Also wie Ricky beschäftigen? Es meldete sich ein Unternehmen, das in der Lebensmittelbranche diverse Aromen herstellt. Nach der Herstellung eines Aromas mussten natürlich die Behälter etc. gründlich gereinigt werden. Dazu standen zehn verschiedene Mittel zur Verfügung, die nach abgeschlossener Reinigung rückstandsfrei wieder entfernt sein mussten, um zu verhindern, dass u. U. der Kirschjoghurt nach Kartoffeln schmeckt. Man wollte also testen, ob eine Überprüfung der Aromen auf Belastung durch die Reinigungsmittel durch einen Hund möglich sei. Das war natürlich ein Job für Ricky. Wir bekamen zwei verschiedene Aromen, Orange und Walnuss, sowie dazu passend mit verschiedenen Mitteln verunreinigte Proben. Die Belastung durch die Reinigungsmittel betrug aber nur 95 ppt (parts per trillion) – also eine sehr geringe Verunreinigung. Ich nahm also Rickys Lieblingsspielzeug, kontaminierte dieses mit den zu suchenden Mitteln und auf ging´s. Nach erstaunlich kurzer Zeit hatte Ricky die neuen Gerüche abgespeichert und wir konnten mit der „Gläserreihe“ beginnen. Dabei handelte es sich um eine Holzkonstruktion, in der mehrere Gläser mit Deckel aufgestellt waren. Normalerweise benutzen wir die Reihe, um den Hunden neue Gerüche zu vermitteln, aber auch, um mit erfahrenen Hunden zu trainieren. In den Gläsern sind dann Verleiterstoffe, also Gerüche, die nicht angezeigt werden sollen. Nur ein oder vielleicht auch gar kein Glas enthält dann den Zielstoff. Für Rickys Ausbildung stellten wir knapp 20 Gläser mit Orangenaroma auf und ein Glas mit dem Zielstoff. Nach und nach verringerten wir in dem „Zielglas“ die Menge des zu suchenden Stoffes und erhöhten gleichzeitig den Orangenaromaanteil. Die unterschiedlichen Mischungen bekamen wir von der Herstellerfirma geliefert, denn einfach mal so sind diese Zusammensetzungen im ppt-Bereich nicht herzustellen. Ricky war extrem fleißig, kratzte und bellte wie wild, wenn er was gefunden hatte und fand es immer ganz toll, wenn ich ihn anschließend in den Arm nahm. Ich ging dann in die Knie, Ricky hatte sein Spielzeug im Fang und wir lagen uns Wange an Wange in den Armen. So konnte er es stundenlang aushalten und stellte sogar zeitweise das Atmen ein, um nicht zu sehr aufzufallen und noch länger auf dem Arm bleiben zu können.

Der entscheidende Test

Natürlich gab es Tage, an denen gar nichts klappen wollte. Ist ja auch nicht so einfach mit so niedrigen Konzentrationen und Ricky war teilweise etwas zu forsch unterwegs. Ich ging dann einfach immer wieder einen Ausbildungsschritt zurück, zeigte ihm, dass langsamer arbeiten manchmal Vorteile haben kann und so kamen wir dann zum Erfolg. Ich rief den Auftraggeber an, teilte mit, dass der Hund nun bereit zur Überprüfung war und die Wissenschaftler reisten an. Man kam mit recht vielen Leuten, Kameras und allem, was so dazugehört und vor allem mit neuem Aroma – Himbeere. Da wir dieses Aroma nicht kannten, ergab sich natürlich ein neues Geruchsbild für Ricky, die einzige Konstante war nur der Zielstoff in dem Aroma. Die Damen und Herren hatten verschiedene Konzentrationen mitgebracht und wir machten viele Suchdurchgänge mit immer weniger Zielstoff. Ricky war in der Lage, die Reinigungsmittel bis zu einer Konzentration von nur noch 75 ppt im Himbeeraroma wahrzunehmen, danach war Schluss. Ich nehme an, er hätte das noch toppen können, aber irgendwann war Ricky eben erledigt und müde. Ricky hat ein Superergebnis eingefahren. Es ist immer wieder erstaunlich, was ein Hund leisten kann, wenn man ihn richtig und mit etwas Gefühl anleitet und unterstützt.

Ruhiger Lebensabend

Seine Rente verbrachte Ricky bei einer netten Familie in Düsseldorf und leistete einer Cocker-Dame Gesellschaft. Es gab nach kurzer Zeit ein kleines Problem, da Ricky sich unbedingt gegenüber seiner neuen Familie durchsetzen wollte. Er dachte gar nicht daran, sein Spielzeug abzugeben. Er knurrte sogar und mit diesem Verhalten erreichte er, dass seine Familienmitglieder etwas erschrocken zurückzuckten. So hatte er dann die „Auseinandersetzung“ für sich entschieden. Das wurde natürlich erst einmal immer extremer, aber das Problem konnte mit ein wenig Hilfestellung abgestellt werden. Die Chefin der Familie ließ sich, gerade noch rechtzeitig, nicht mehr beeindrucken und Ricky kam so wieder auf den Boden der Tatsachen zurück und fand den richtigen Platz im „Rudel“.

Ein MUSS für jeden, der sich auch nur ansatzweise mit Hundeausbildung beschäftigt.

Martin Weitkamp

Im Schatten der Gefahr

Hardcover, 128 Seiten, s/w

ISBN: 978-3-9815634-2-9

www.minervastore.de

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