Mein Hund mag meinen Freund lieber!
Da zieht ein Vierbeiner ein, und alle können es kaum erwarten, endlich eine innige Bindung zu ihm aufzubauen. Doch dann zeigt sich – der Hund mag den Freund viel lieber! Was ist hier zu tun?
Michaela schreibt uns: „Liebes Hundewelt-Team, mein Freund und ich haben vor 10 Monaten einen kleinen Hund bei uns aufgenommen … Da ich den Hund mit zur Arbeit nehmen darf, ihn füttere und erziehe, war Loulou von Anfang an auf mich fixiert. Sie folgte mir auf Schritt und Tritt, wollte ständig geknuddelt werden und weinte, wenn ich wegging. Jetzt ist sie viel ruhiger geworden, begrüßt mich nicht mehr so stürmisch und geht beim Kuscheln weg, dafür ist mein Freund der Hit. Sie flippt aus, wenn er zur Tür hereinkommt und sucht viel mehr seine Nähe. Ich bin so eifersüchtig. Ich habe schon versucht, mich zurückzuziehen, damit sie wieder mehr zu mir kommt. Aber das hilft nicht. Habt ihr einen Rat für mich? Liebe Grüße, Michaela“
Liebe Michaela,
erst einmal herzlichen Glückwunsch zu deiner kleinen Loulou. Wir finden es gut, dass du so früh Hilfe gesucht hast, so wird aus einem kleinen Problem kein großes. Natürlich ist es schwierig, aus der Ferne Ratschläge zu geben, aber wir sehen gleich mehrere Lösungsmöglichkeiten.
Zunächst ist es natürlich gut, wenn Loulou deine Abwesenheit gut verkraftet. Dass sie weniger weint, wenn du gehst, und dich nicht mehr so stürmisch begrüßt, könnte darauf hindeuten, dass sie insgesamt unabhängiger geworden ist. Das ist grundsätzlich ein gutes Zeichen, denn es zeigt, dass du ihr ein Gefühl von Sicherheit vermittelt hast, auf das sie sich verlassen kann. Wahrscheinlich ist sie sich deiner sehr sicher. Sie begleitet dich zur Arbeit, du fütterst sie, du erziehst sie, und das alles macht das Band zu dir eng. Mit anderen Worten, liebe Michaela: Da hast du alles richtig gemacht. Wenn ein Hund gut alleine bleiben kann, dann nur, weil der Mensch ihm absolutes Urvertrauen gegeben hat. Dein Hund zeigt dir auf diese Weise, dass er sich felsenfest auf dich verlassen kann.
Nun zu dem Teil, der dir Bauchschmerzen bereitet: Loulous wachsende Zuneigung zu deinem Freund.
Ich gehe davon aus, dass es keinen Vorfall gab, der ihr Vertrauen zu dir erschüttert hat, sondern dass es sich für dich überraschend so entwickelt hat. Du interpretierst das Verhalten menschlich und glaubst, dass es ein Ausdruck von Zuneigung ist. Aus hündischer Sicht zeigt Loulou aber eher Kontrollverhalten. Du erwähnst, dass Loulou dir früher überallhin gefolgt ist, sogar auf die Toilette. Das war weniger ein Zeichen von Liebe im menschlichen Sinne, sondern eher Ausdruck ihres Bedürfnisses, dich zu bewachen und „unter Kontrolle“ zu haben. Sie hat dich gehütet, das liegt in ihren Genen. Jetzt, wo sie sich deiner sicher fühlt, lässt sie die Kontrolle los. Und bei deinem Lebensgefährten ist sie sich eben nicht sicher.
Sie versucht, ihn auf diese Weise stärker an sich zu binden. Klar, das mag für ihn in diesem Moment schmeichelhaft sein, weil er sich dadurch natürlich mehr wertgeschätzt fühlt. Aber das ist es nicht, es ist eher eine Art Druck. Sie sagt zu ihm: „So nicht, mein Freund. Du bleibst besser hier, wo ich dich im Auge habe.“ Sie bewacht ihn – und stellt sich damit auch ein Stück weit auf eine höhere Stufe. Man darf nicht vergessen, dass es eine andere Art ist, die ein anderes Ausdrucksverhalten hat. Es wäre interessant, zu testen, wem sie sich in einer fremden Umgebung eher anschließt und wessen Kommandos sie eher befolgt. Ich vermute, das bist du.
Meine Hündin hebt auch nur gelangweilt den Kopf, wenn ich durch die Tür komme. Sie weiß, dass auf mich Verlass ist und registriert meine An- und Abwesenheit ganz beiläufig. Wenn aber meine Tochter, die nicht mehr bei uns wohnt, zu Besuch kommt, spielt sie „Baby“. Bringt Kuscheltiere mit, schmiegt sich mit einem breiten Lächeln an sie und lässt sich ausgiebig kraulen. Wir beide kuscheln dagegen deutlich weniger. Sie legt sich aber gerne an meine Füße. Und dieses Kontaktliegen ist auch das, was Hunde miteinander machen, wenn sie sich mögen.
Für das Kuscheln gibt es also mehrere Erklärungen. Es könnte sein, dass Loulou langsam erwachsen wird. Das ist wie bei einem Kind, das größer wird. Irgendwann will es lieber auf Bäume klettern, als auf Mamas Schoß zu sitzen und sich verwöhnen zu lassen. Loulou ist aber kein Kind, sondern ein messerscharf beobachtender Leistungshund. Es kann durchaus sein, dass sie mit Kuscheln „zahlt“, weil der Mensch es gerne will und sie ihn so manipuliert, sich an sie zu binden. Achte doch einmal darauf, wie Loulou es geht, wenn sie gestreichelt wird. Setzt sie das Verhalten nur als Bindungsmaßnahme ein, duldet sie es also lediglich, oder fließt sie genussvoll in den Teppich hinein und genießt es sichtlich?
Eine andere mögliche Erklärung wäre, dass sie es einfach nicht gerne mag, so berührt zu werden, wie du es machst. Wir Menschen glauben oft, dass Hunde gerne geknuddelt werden, weil wir das so schön finden. Der Hund sieht das vielleicht ganz anders. Kuscheln liegt auch nicht in seiner Art – Hunde liegen im Fall von großer Zuneigung dicht nebeneinander. Das wars. Vielleicht spielt dein Freund lieber Fang- oder Jagdspiele mit ihr? Du hast mit Loulou nämlich eine Rasse gewählt, die flauschiges und schönes Fell hat, aber die arbeiten will.
Liebe Michaela, ich habe gelernt, die Gefühle der Menschen sehr ernst zu nehmen. Dazu gehört auch deine Eifersucht. Ich bin mir sicher, dass du da auch etwas richtig wahrnimmst – und deshalb würde ich vermuten, dass Loulou anfängt, deinen Freund zu bewachen und zu „manipulieren“, und dass er darauf hereinfällt. Die beiden entwickeln so ihre eigene Ebene (der Hund führt, der Mensch folgt), auf der du dich ausgeschlossen fühlst. Du könntest nur mitmachen, wenn auch du dich von Loulou führen lassen würdest. Das wäre fatal und für euch alle nicht gut. Du willst die Ebene „Mensch führt, Hund folgt“. Das ist auch die richtige. Dein Gefühl ist also begründet. Es zeigt dir, dass etwas nicht stimmt. Denn jetzt werden die Weichen gestellt und Loulou braucht klare Ansagen. Es wäre also sinnvoll, deinen Freund in das Training mit einzubeziehen. Loulou sucht gerade ihren Platz in eurem Rudel und will Antworten. Wer sie ihr gibt, wird zu ihrem Partner – und im Idealfall seid ihr das beide.
Liebe Michaela, eine Beziehung zu einem Hund ist keine Einbahnstraße. Sie ist eine Abfolge von Aktion und Reaktion und nur so wächst man zu einem Team zusammen. Oft verhält sich der Hund anders, als der Mensch es erwartet. Außerdem ist ein Hund ein sehr guter Beobachter – da kann man sich nicht viele Fehler erlauben. Ich kann dir das Buch „Follow me“ von Radana Kuny empfehlen. Dort findest du alles, was du über den Bindungsaufbau wissen musst. Ansonsten wünsche ich dir und Loulou alles Gute,

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