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Im Gespräch mit Stanley Coren

Stanley Coren ist einer der weltweit führenden Wissenschaftler zur Beziehung von Mensch und Hund. Bis zu seiner Emeritierung war er Professor für Neuropsychologie an der University of British Columbia in Vancouver, Kanada. Er wurde vielfach ausgezeichnet u. a. von der Royal Society of Canada als einer der wichtigsten Wissenschaftler des 20. Jahrhunderts. Coren hat den nach ihm benannten Index zur Intelligenz der Hunderassen entwickelt. Darüber hinaus hat er zahlreiche Bestseller zum Thema Hund verfasst. Auch im Ruhestand veröffentlicht er regelmäßig Artikel auf seinem Blog „Canine Corner“. Mit Professor Coren sprach Christoph Jung exklusiv.

Sie haben nicht weniger als 14 Bücher zum Thema Hund geschrieben. Welches ist Ihr Wichtigstes?

Stanley Coren: Während mein Buch “The Intelligence of Dogs” vielleicht das bekannteste meiner Bücher ist, ist mein Buch “How to Speak Dog” fast genauso beliebt. In mancher Hinsicht ist es das nützlichste meiner Bücher, da es die Kommunikation zwischen einem Hundebesitzer und seinem Haustier fördert. Mein persönlicher Favorit ist jedoch “The Pawprints of History” (Die Pfotenabdrücke der Geschichte), das erzählt wie Hunde den Lauf der Menschheitsgeschichte verändert haben.

Auf Pawprints komme ich gleich noch zurück. Zunächst eine Frage zu “The Intelligence of Dogs”. Darin beschreiben Sie das Intelligenz-Ranking unter nicht weniger als 110 Hunderassen. In Deutschland als “Coren-Index“ bekannt. … aber auch umstritten. Können Sie uns erklären, was mit Intelligenz bei Hunden gemeint ist?

Stanley Coren: Um die Intelligenz der verschiedenen Hunderassen zu testen, habe ich mich auf Obedience-Experten verlassen. Es sind ausgewiesene Experten, die bereits Hunde verschiedener Rassen auf ihre Fähigkeit hin verglichen haben, gelernte Aufgaben auszuführen. Am Ende habe ich etliche Obedience-Richter aus den USA und Kanada befragt. Schließlich hatte ich die Daten von mehr als der Hälfte dieser Experten in beiden Ländern gesammelt. Sie wurden gebeten, ihre Erfahrungen als Obedience-Richter zu nutzen, um die verschiedenen Hunderassen in Bezug auf ihre Gehorsamsleistung einzustufen: Ihre Urteile ergaben sich als bemerkenswert übereinstimmend.

Bulldoggen gelten nach dieser Bewertung als die dümmsten Hunde. Nun, ich lebe seit Jahrzehnten zusammen mit Hunden, darunter auch Bulldoggen. Nach meiner Erfahrung wissen Bulldoggen sehr genau, was sie wollen und verfolgen ihre Ziele dann (und nur dann) sehr konsequent und clever. Dabei denke ich manchmal, dass sie in Wirklichkeit sogar intelligenter sind als viele andere Hunde.

Stanley Coren: Eine Bulldogge ist ein sozial sehr aufmerksamer Hund, der bemerkt, was um ihn herum vor sich geht und versucht auf die Menschen in seinem Haushalt passend zu reagieren. Das lässt ihn in den alltäglichen Interaktionen ziemlich schlau erscheinen. Wenn wir Intelligenz jedoch so betrachten, wie es unser Bildungs- und Ausbildungssystem tut, nämlich die Fähigkeit eines Individuums, neue Aufgaben zu lernen und diese bei Bedarf auszuführen, schneidet die Bulldogge nicht so gut ab wie viele andere Rassen.

Ich würde es so erklären, dass bei ihm das Bedürfnis, irgendeinen Befehl auszuführen, weniger ausgeprägt ist als zum Beispiel bei einem Border Collie. Er ist sehr eigenwillig, wie ein Dackel auch. Diese Erfahrung steht Ihrer Ansicht aber nicht entgegen.

Zurück zu “The Pawprints of History” und dem Ursprung des Hundes. Einige Fachleute behaupten, die wahre Natur der Hunde sei, als Streuner von Müll und Aas zu leben und nicht als „bester Freund“ in unserem Zuhause. Was ist Ihre Meinung?

Stanley Coren: Die Idee, dass Hunde ursprünglich vom Menschen angezogen wurden, weil unsere primitiven Vorfahren ihren Müll außerhalb der Dörfer auf Müllhalden zurückließen, könnte vielleicht stimmen. Später wurden dann diejenigen Hunde domestiziert, die genau die Persönlichkeitsmerkmale besaßen, die es ihnen ermöglichten, mit Menschen zu interagieren – das erscheint mir in einem gewissen Maße als sinnvoll. Dies bedeutet allerdings nicht, dass die Vorfahren der Hunde genetisch dazu veranlagt waren, Aasfresser zu sein oder das Stöbern in Müll zu bevorzugen.

Eine einfache Frage hilft weiter. Wenn Sie ein wilder Canide wären: Würden Sie lieber ein großes Tier jagen, das Ihnen schlimme Verletzungen zufügen oder Sie gar töten könnte? Oder würden Sie es vorziehen, sich an den Essensresten, die frei in der Umgebung von Menschen verfügbar wären, einfach und ohne jede Gefahr zu bedienen?

Ich habe einige Artikel auf Ihrem Blog Canine Corner (https://www.psychologytoday.com/ca/blog/canine-corner) gelesen. Sie schreiben auch zur Ernährung von Hunden, etwa zu Getreide oder zur Fütterung mit rohem Fleisch. Wie ernähren Sie Ihre Hunde?

Stanley Coren: Ich bin Psychologe und kein Ernährungsberater für Hunde. Daher gilt mein Interesse eher der Motivation der Halterinnen und Haltern. Mich interessiert was sie motiviert, sich zum Beispiel für eine Rohfleischdiät für ihre Hunde zu entscheiden. Ich frage mich, wie sie zu ihrer Entscheidung kommen, dass es besser sei als verarbeitetes Hundefutter.

Denn das hat nach meinen Studien weniger mit dem zu tun, was für Hunde am besten ist, als vielmehr mit den Motiven, warum sich die Menschen ganz allgemein für eine bestimmte Ernährungsweise entscheiden. Dabei neigen sie dazu, manche der veröffentlichten wissenschaftlichen Forschungsergebnisse zugunsten von unbewiesenen Theorien schlicht zu ignorieren. Ich selbst füttere meine Hunde mit einer Mischung aus den verschiedenen Marken von Trockenfutter, die von der Canadian Veterinary Medical Association als ausgewogene und nahrhafte Nahrung für Hunde zertifiziert wurden.

Sie leben mit mehreren Hunden zusammen. Was sind Ihre wichtigsten Regeln für das Zusammenleben?

Stanley Coren: Zurzeit sind es nur zwei Hunde, mit denen ich zusammenlebe. Ich führe meinen Haushalt nicht nach strengen Richtlinien. Ich bilde meine Hunde vielmehr so aus, dass sie verstehen, dass meine Wünsche und Anweisungen für ihr Verhalten Vorrang haben. Meine Hunde werden belohnt, wenn sie das Richtige tun. Aber wenn sie sich schlecht benehmen, werden sie nicht körperlich bestraft, sondern für kurze Zeit sozial isoliert. Da Hunde solche hoch sozialen Tiere sind, reicht das vollkommen aus, um sie zu motivieren, ihr Verhalten zu ändern. Obwohl ich mit meinen Hunden an nationalen Obedience-Wettbewerben teilnehme, ist es ihre Hauptaufgabe, einfach meine Begleiter zu sein. Das heißt, ich mag sie in meiner Nähe, wenn ich im Haus bin, ich mag es, wenn sie ihre Zuneigung zeigen, und ich mag es, mit ihnen spielen zu können, wenn ich mich unterhalten möchte.

Vielen Dank, Herr Coren, für das interessante Gespräch.


Stanley Coren ist einer der weltweit führenden Wissenschaftler zur Beziehung von Mensch und Hund. Bis zu seiner Emeritierung war er Professor für Neuropsychologie an der University of British Columbia in Vancouver, Kanada. Er wurde vielfach ausgezeichnet u. a. von der Royal Society of Canada als einer der wichtigsten Wissenschaftler des 20. Jahrhunderts. Coren hat den nach ihm benannten Index zur Intelligenz der Hunderassen entwickelt. Darüber hinaus hat er zahlreiche Bestseller zum Thema Hund verfasst.

Dieses Interview stammt aus der HundeWelt.

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