Einsatz auf vier Pfoten! | Teil 37
Bradley, der Commander der IPTF-Station Bihac und somit mein Chef, begrüßte mich herzlich. Mein erster Arbeitstag, ein Mittwoch, begann auch gleich mit einer Überraschung. Bradley nahm mich mit in sein Büro und legte mir einige ausgedruckte Mails vor.
„Es hat sich schon herumgesprochen, dass du Hundeführer bist,“ sagte er schmunzelnd.
Als solcher schien ich besonders gefragt zu sein in Bosnien. Alle Schreiben waren Anfragen aus unterschiedlichen Landesteilen, ob ich mich zur jeweiligen UN-Training-Unit als Ausbilder der Hunde beziehungsweise deren Führer bewerben wolle.
„Ich werde darüber nachdenken“, log ich. Stattdessen konzentrierte ich mich auf mein geplantes hundefreies Jahr und ignorierte die Angebote. Bis mich Jan, ein schwedischer Kollege, ansprach. Er war mir in der wöchentlichen Freitagsbesprechung schon aufgefallen. Nicht nur, weil er alle anderen um einen Kopf überragte. Er strahlte Ruhe aus und lächelte oft. Ein sympathischer Kollege.
„Ich habe gehört, du bist Hundeführer“, sagte er mit einem spitzbübischen Lächeln.
Ich ahnte, was folgen würde, deshalb überlegte ich einen Moment, bevor ich antwortete. „Ja, in Deutschland schon …“
Ein Jahr keine Hunde
„Der Dog-Unit hier in Bihac fehlt seit langem ein zweiter Ausbilder. Wie wär’s, wenn du dich bewirbst?“
Nein danke, dachte ich. Aber neugierig war ich schon und fragte einfach mal so „Wer ist der andere Trainer?“
Der strohblonde Hüne lachte. „Ich natürlich!“
Jan war Ausbildungsleiter einer Hundestaffel in Schweden. Im Gegensatz zu mir war er mit dem Ziel nach Bosnien gekommen, auch hier das zu tun, was er am besten konnte. Und sein Wissen weiterzugeben. Das war durchaus schlüssig, musste aber noch lange nicht auf mich zutreffen. Schließlich war ich nicht immer Hundeführer gewesen und hatte noch andere Fähigkeiten.
Dennoch fühlte ich mich, als würden ein Engel und ein Teufel auf meinen Schultern sitzen, die gleichzeitig auf mich einredeten. Der eine ermahnte mich, meinen Vorsatz einzuhalten: ein Jahr keine Hunde! Der andere hatte interessanterweise eine lange Schnauze mit schwarz glänzender Nase und hechelte mir ins Ohr, dass ein Leben ohne Hunde doch nichts für mich wäre. Gut, dass Jan mein inneres Gerangel unterbrach: „Wie wär’s, wenn du dir den Job einfach mal anschaust?“
Am nächsten Morgen fuhren wir zusammen zur Hundestaffel Bihac.
Die Dienststelle war in desolatem Zustand. Das Bürogebäude, das mich eher an ein Transformatorenhäuschen erinnerte, bestand aus einem karg ausgestatteten Raum und einer Stehtoilette. Nebenan, in einer ehemaligen Fabrikhalle, in deren Fassade Löcher von Granateneinschlägen klafften, waren die Hundezwinger untergebracht. Nicht so wirklich gemütlich.
Schräg gegenüber auf einer Wiese versuchte ein junger Polizist reichlich unbeholfen, einem Schäferhund das Bei-Fuß-Laufen beizubringen. Der Rüde aber schnupperte gelangweilt im Gras herum. Ich wendete mich ab. Nein, nein, ich würde ihm jetzt keinen Tipp geben, wie er den Hund ermuntern konnte, sich auf ihn zu konzentrieren. Das war nicht meine Aufgabe. Ich wollte ja bloß mal gucken … oder?
Fünf Minuten später war ich ohne Dolmetscher, aber mit Händen und Füßen in ein Gespräch verwickelt. Der Beamte freute sich über meine Tipps, und an meiner Hose klebten die ersten Hundehaare. Am Rand der Wiese stand Jan, die Arme vor der Brust verschränkt. Sein Grinsen reichte bis nach Sarajevo.
Meinem Versetzungsgesuch wurde schnell stattgegeben.
Ich spürte, dass ich mich richtig entschieden hatte. Hier war mein Platz, hier konnte ich etwas bewegen!
Die Einheit bestand aus zwölf Polizisten und ebenso vielen Hunden: zehn Deutsche Schäferhunde, ein Rottweiler und ein Labrador. Die angehenden Hundeführer stammten, wie auch in Deutschland üblich, aus dem Streifendienst. Fast alle hatten sich erst nach Kriegsende zur Polizei beworben, vorher übten sie vom Maurer bis zum Lkw-Fahrer verschiedene Berufe aus.
Zunächst sehr vorsichtig tasteten sie sich an mich heran. Wer war der Neue, dessen Rat sie nun befolgen sollten? Hatte er Erfahrung, wusste er, was er tat? Das würde ich ihnen beweisen müssen. Aber zunächst stand ich Rede und Antwort, erzählte von meiner Staffel, von Gundo und meinen Erlebnissen mit ihm. Der Dolmetscher stockte, als ich von Gundos Tod erzählte. In den Augen mancher Männer entdeckte ich Mitgefühl, und einige schauten verstohlen zu ihren Hunden.
Schließlich machten wir uns an die Arbeit.
Jan hatte mich schon darauf vorbereitet, dass der Ausbildungsstand der Staffel sehr unterschiedlich war. Vom Anfänger bis zum Profi war alles vertreten, sowohl bei den Zwei- wie auch den Vierbeinern. Es gab auch ein, zwei Problemhunde.
Zum Beispiel Bruno: Als ich dem imposanten Rottweiler das erste Mal begegnete, stellte er sich scheinbar selbstbewusst vor seinen Führer Bogdan und brummte warnend. Bogdan, ein schlaksiger Enddreißiger mit tiefen Geheimratsecken, war neu in der Staffel. Je näher ich den beiden kam, desto kleiner schien Bruno zu werden, während sich sein Rückenfell bis zur Irokesen-Frisur aufstellte. Wäre er nicht kupiert gewesen, hätte er sicherlich seinen Schwanz eingezogen.
Als ich unmittelbar vor den beiden stand, hatten sie ihre Aufstellung geändert. Bogdan vor mir, Bruno hinter ihm. Beide zeigten mir die Zähne. Der Hund aus Angst, Bogdan lächelte verlegen. Zähne fletschen ist nicht zwingend mit Aggression gleichzusetzen, sie kann auch Unsicherheit bedeuten. Brunos Körpersprache deutete darauf hin, dass ihm eine der Grundvoraussetzungen für einen Polizeihund fehlte: Mut. Oder zumindest Unbefangenheit, aus der im Laufe der Ausbildung Mut werden könnte.
Jan erklärte mir einen weiteren Unterschied zu Deutschland und Schweden. „Hier gilt: Gekauft ist gekauft. Hunde können nicht umgetauscht werden. Es gibt keine Probezeit. Wir müssen das Beste draus machen, das Beste aus den Hunden rausholen, die wir jetzt haben.”
Mir schwante, wie viel Arbeit vor uns lag.
Hier erfährst du, wie es weitergeht.
Elmar Heer arbeitet seit 40 Jahren als Polizeibeamter. 1990 wechselte er vom Streifendienst zur Diensthundestaffel Mittelfranken. Schon früh entdeckte er seine zweite Leidenschaft: das Schreiben. Mit seinem Buch „Partner auf Leben und Tod“, erschienen bei Droemer-Knaur, gewährt der Autor dem Leser einen Einblick in Leben und Arbeit eines Polizeihundeführers. Er erzählt über seine Aufgaben als Hundeführer, die umfangreiche Ausbildung von Polizeihunden und über spannende, heitere und auch tragische Einsätze, die er mit seinen Schäferhunden Gundo, Bux, Carina und Sam erlebte.
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