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Einsatz auf vier Pfoten! | Teil 26

Nach einem Tag gar nicht grauer Theorie in Sprengstofflehre trafen wir uns am nächsten Tag vor der Hundeschule. Acht Polizeihunde, vier deutsche, vier belgische, Carina die einzige Hündin, sollten zu Sprengstoffspürhunden ausgebildet werden. Jetzt konnte es losgehen!

Knackfrosch und Sprengstoff

„Noch nicht“, belehrte uns Ulf, der Ausbilder. „Zuerst bringen wir unseren Hunden das Klickern bei.“ Ulf verteilte kleine Geräte, die dem Kinderspielzeug Knackfrosch ähnelten und auch so klangen. Sofort klickerte und klackerte es aus allen Händen. Auch ich testete das Ding ausführlich. Ulf hob die Hand. „Ab sofort gilt: Wer ohne Grund klickert, zahlt am Abend eine Runde!“

Er nickte mir zu: „Elmar, holst du mal deinen Hund?“ Ich nickte auch und eilte zu meinem Auto. Carina erwartete mich ungeduldig und wedelte im Dreivierteltakt gegen das Metallgitter der Box. Endlich tat sich etwas! Ulf wies mich an, Carina einige Meter entfernt in der angrenzenden Wiese abzulegen. „Wenn ich jetzt klickere, Elmar“, fuhr er fort und stellte sich hinter mich, „nimmst du deine Beißwurst und motivierst deinen Hund, zu dir zu kommen. Und dann spielst du mit ihr, was das Zeug hält!“ Ich tastete nach der Beißwurst in meiner Hosentasche, einer festen Rolle aus grobem Leinen, ausgestopft mit Stoffresten. Carina liebte dieses Spielzeug. Aber noch lag sie dort im Gras und schnupperte gelangweilt zwischen ihren Vorderpfoten.

Klickklack! machte es hinter mir.

Carina hob den Kopf und spitzte die Ohren: Was war das? Ich riss die Beißwurst aus meiner Tasche, hielt sie schüttelnd hoch und rief: „Hey, Carina! Spielen!“ Das kannte sie, sie stürzte auf mich zu, verbiss sich mittig in ihrem Spielzeug, das ich mit beiden Händen links und rechts festhielt. So tobten wir über die Wiese, bis Ulf rief: „Stopp! Lass’ deinen Hund jetzt wieder Platz machen. Und dann wiederholen wir das Ganze.“

Nur widerwillig ließ Carina los, für sie war der Spaß viel zu kurz gewesen. Sie legte sich auch erst auf das zweite Platz! hin. Ulf warf mir einen tadelnden Blick zu wegen des Ungehorsams meines Hundes. Kaum hatte ich mich ein paar Meter entfernt, klickerte der Ausbilder erneut. Carina sprang auf, zögerte.

Darf ich? Als ich ihr die Beißwurst präsentierte, startete sie durch. Ich weiß heute nicht mehr, ob ich mich ungeschickt verhielt oder Carina nur schlecht zielte. Jedenfalls verfehlte sie die Mitte der Stoffrolle und nagelte meine Hand mit einem ihrer Fangzähne daran fest. Er durchdrang das Fleisch zwischen Zeigefinger und Daumen meiner Linken, der Schmerz durchzuckte mich bis unter die Achselhöhle. Für einen Moment blieb mir die Stimme weg, ich ging in die Knie. Dann rief ich: „Auuuuus!“ Carina dachte nicht daran, meinem Kommando zu folgen. Erst wird gespielt, dann können wir übers Ausmachen reden! Dass sie nicht nur ihr Spielzeug zwischen den Zähnen hatte, bemerkte sie nicht. „Auuus!“, schrie ich wieder, und „Platz!“ Endlich reagierte Carina.

Aus dem kreisrunden Loch, das sie mir in die Hand gestanzt hatte, quoll inzwischen dunkles Blut.

Doch dies war ein Versehen gewesen.

Also schluckte ich meinen Groll hinunter und brachte Carina zurück zum Auto. „Du könntest ja wenigstens so tun, als hättest du ein schlechtes Gewissen“, flüsterte ich ihr zu, als ich sie in ihrer Box verstaute. Sie schaute mich freundlich an, war sich keiner Schuld bewusst.

„Jetzt fährst du erst mal zum Doktor“, bestimmte Ulf, während er meine Hand notdürftig verband. „Dann sehen wir weiter.“

Eine Stunde später kehrte ich zurück zur Gruppe. Der Arzt hatte die Wunde desinfiziert und neu verbunden. Damit meine Ausbildung ohne weiteres Blutvergießen vonstatten gehen konnte, überreichte mir Ulf zur Begrüßung eine neue Beißwurst, an deren Enden große Halteschlaufen angenäht waren. „Immer schön außen festhalten, Elmar! Damit müssten künftige Missverständnisse zwischen euch beiden ausgeschlossen sein“, kommentierte er sein Geschenk und lachte.

Den Rest des Tages war ich dazu verurteilt,

meinen Kollegen beim Klicker-Training zuzusehen. Das Prinzip war einfach: Klickern – Spielen – Aus! – Klickern – Spielen – Aus! Und dies in einer schier endlosen Schleife. Kein Spielen ohne vorheriges Klickern. Schon bald hatten alle Hunde verstanden, dass mit diesem Signal die Arbeit zu Ende war und das Vergnügen folgte. Nur Carina und ich mussten am nächsten Tag nachsitzen.

Die folgenden Wochen fuhren wir jeden Morgen zu unterschiedlichen Übungsobjekten: Sägewerke, Bauernhöfe, Schulen und Firmen. Im Prinzip funktionierte die eigentliche Ausbildung ähnlich wie die von Gundo zum Drogenhund, nur dass man inzwischen dazu übergegangen war, nicht mehr das Spielzeug selbst mit dem Stoff zu präparieren. Und dass der Hund ihn anders anzeigen musste. Kratzen und Beißen waren nicht mehr gefragt, sondern „Einfrieren“: Stehend, liegend oder sitzend bewegungslos verharren, die Geruchsquelle fixierend. Sonst könnte der Hund eine Explosion auslösen.

Anfangs wurde bereits geklickert und gespielt,

wenn die Vierbeiner nur kurz am versteckten Stoff schnupperten. Nach und nach wurde das Signal hinausgezögert, erst wenn die Hunde eine Weile an der Geruchsquelle stehen blieben, kam die Belohnung. Schließlich brachten wir ihnen bei, dass nur gespielt wurde, wenn sie sich am Stoff hinsetzten oder -legten und sie ihn wenigstens einige Sekunden fixierten. Wer aktiv anzeigte, also kratzte oder auch nur bellte, wurde nicht belohnt. Auch das verstanden unsere Tiere schnell. Und sie lernten im Laufe der zwölf Wochen die Gerüche nahezu aller gängigen Sprengstoffe kennen. Alle bestanden die Prüfungen am Ende des Lehrgangs. An den anfänglichen Fauxpas erinnerte mich nur noch ein kleine Narbe zwischen Daumen und Zeigefinger.

Hier erfährst du, wie es weitergeht.

Elmar Heer arbeitet seit 40 Jahren als Polizeibeamter. 1990 wechselte er vom Streifendienst zur Diensthundestaffel Mittelfranken. Schon früh entdeckte er seine zweite Leidenschaft: das Schreiben. Mit seinem Buch „Partner auf Leben und Tod“, erschienen bei Droemer-Knaur, gewährt der Autor dem Leser einen Einblick in Leben und Arbeit eines Polizeihundeführers. Er erzählt über seine Aufgaben als Hundeführer, die umfangreiche Ausbildung von Polizeihunden und über spannende, heitere und auch tragische Einsätze, die er mit seinen Schäferhunden Gundo, Bux, Carina und Sam erlebte.



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