Einsatz auf vier Pfoten! | Teil 20
Ein Vorteil, Diensthundeführer zu sein, ist, dass ich meinen Hund mit zur Arbeit nehmen darf. Genau genommen muss, aber dann klingt dieser Umstand nicht mehr nach Vorteil. Es gibt noch weitere, zum Beispiel der, dass man auch zuhause stets einen gut ausgebildeten Hund zur Seite hat, dessen Können auch privat nützlich sein kann. Diese Erfahrung machte Diensthundeführer Elmar Heer auf dem Weg zum Dienst – der mit einem erfolgreichen Einsatz endete. Polizeihund Buxi zeigt wieder einmal, was alles in ihm steckt.
Zusammen im Dienst
Natürlich spürte ich in der Freizeit mit Buxi keine Einbrecher auf, auch war ich noch nie in die Verlegenheit geraten, ihn nach Rauschgift suchen zu lassen. Aber eine Fähigkeit, die auch Bestandteil der Prüfung zum Schutzhund ist, sparte mir eines Tages viel Ärger, Zeit und Geld. Wir nennen es „Stöbern nach Gegenständen“. Mit Gegenständen sind beispielsweise Tatwaffen oder -werkzeuge gemeint, die ein Täter auf der Flucht weggeworfen oder verloren hat. Oder Diebesgut. Alles Dinge, die menschliche Geruchsspuren an sich tragen oder deren Duft sich schlichtweg vom Umgebungsgeruch unterscheidet. Da diese Gegenstände auch Spurenträger sind, darf mir der Hund das Gefundene nicht einfach bringen, sondern muss es unberührt lassen. Er zeigt es mir durch Hinlegen am Fundort an.
Auf dem Weg zur Nachtschicht
An diesem milden Sommertag waren wir zur Nachtschicht eingeteilt. Ich war früh dran und hielt auf dem Weg zum Dienst an einem Wald an, um mit Buxi noch eine Gassirunde zu drehen. Mein Hund freute sich und hopste vergnügt durch die wadenhohe Wiese, die sich vom Waldrand über einen Hügel bis zum Horizont erstreckte. Er fand ein Stöckchen, brachte es mir, ich warf es so weit wie möglich, er fand und brachte es immer wieder. Sein Lieblingsspiel. So bewegten wir unsweiter und weiter, bis ich mich umdrehte. Mein Auto war in der Ferne kaum noch zu sehen. Ein Blick auf meine Armbanduhr bestätigte mir, dass wir uns nun beeilen mussten. Unwillkürlich fasste ich in meine Jackentasche und erschrak. Mein Schlüsselbund! Er war nicht da, wo er sein sollte. Ich hatte ihn verloren.
Panik stieg in mir auf. Der Ersatzschlüssel für mein Auto lag zuhause, etwa 25 Kilometer entfernt, zur Dienststelle war es genauso weit. Hinzu kam, dass sich an dem Bund sämtliche Schlüssel befanden, die ich täglich in Gebrauch hatte. Buxi setzte sich vor mich, ließ sein Stöckchen fallen und schaute mich verwundert an.
„Suuuch!“
„Ja!“, rief ich, „Du hast Recht! Du musst mir helfen.“ Buxi wunderte sich vermutlich noch mehr, warum das Spielen jetzt vorbei war und ich ihn neben mir ins ‘Platz’ beorderte. Ich war mir sicher, dass wir schnurgerade vom Auto aus über die Wiese gegangen waren, peilte es an und glaubte sogar, meine Spur noch erkennen zu können. Also ging ich ein paar Schritte in die Richtung, drehte mich um und klatschte in die Hände.
Mit dem Kommando „Suuuch! Verloooren!“ und einer ausladenden Handbewegung zum Boden wies ich Buxi an, nach Gegenständen, in diesem Fall nach meinem Schlüsselbund, zu suchen. Er verstand sofort, sprang auf und preschte mit tiefer Nase durch das Gras. Immer wenn er sich zu weit von der Route entfernte, rief ich ihn zurück und ließ ihn, mal links, mal rechts, die nähere Umgebung absuchen. Schließlich mussten die Schlüssel auf oder nahe des Weges liegen, den wir gegangen waren.
Das war´s dann wohl
Nach gut zehn Minuten waren wir wieder am Auto. Wir hatten die Schlüssel nicht gefunden. Ich entließ Buxi resigniert mit dem Wort „Frei!“ aus seiner Aufgabe und prüfte, ob ich die Fahrertüre öffnen konnte. Sie war natürlich abgesperrt. Ich legte mich auf den Bauch, sah unter das Auto. Auch rund um den Kombi – nichts. In zwanzig Minuten war Dienstbeginn, ich konnte nicht einmal Bescheid geben, denn mein Handy lag auf dem Beifahrersitz. Ich saß hier fest, irgendwo in der Botanik, niemand wusste, wo ich bin. Weit und breit war kein Mensch zu sehen, der mir helfen konnte, kein Traktor, kein Auto. Doch auch Buxi war nun verschwunden!
Mitten in der hohen Wiese
Ich entdeckte ihn mindestens fünfzig Meter entfernt in der Wiese liegend. Immer wieder tauchte sein Kopf ins Gras ab, als wollte er sich vor mir verstecken, dann schaute er wieder in meine Richtung. Ich konnte es kaum glauben, das war sein Anzeigeverhalten! Voller Hoffnung lief ich zu ihm, und tatsächlich, zwischen Buxis Vorderpfoten lag mein Schlüsselbund, weitab von der Strecke, die ich meinte, gelaufen zu sein. Ich hatte mich getäuscht! Jetzt war ich froh, dass niemand in der Nähe war, denn ein Beobachter hätte mich als verrückt eingestuft, so begeistert und übermütig tobte ich mit Buxi über die Wiese, lobte und streichelte ihn lachend, als hätte er mein Leben gerettet. Irgendwie fühlte sich das auch so an.
Handtaschenraub – Täter flüchtig
Etwas zu spät kamen wir in der Dienststelle an, aber gerade noch rechtzeitig, um einen Einsatz zu übernehmen. Meine Kollege vom Spätdienst, der schon ungeduldig auf uns gewartet hatte, teilte mir mit, dass gerade eben eine ältere Dame in Altenfurt überfallen worden sei. Ein Handtaschenraub, der Täter sei geflüchtet, ein Diensthund von der Einsatzzentrale angefordert worden.
Am Tatort
Zehn Minuten später waren wir am Tatort. Die Kollegen der Inspektion, die die Anzeige aufnahmen, erklärten mir, dass die Handtasche in der Nähe gefunden worden sei. Der Geldbeutel darin fehlte natürlich. Die beraubte Frau stand sichtlich noch unter Schock und konnte nicht sagen, in welche Richtung der Mann weg gelaufen war. Das waren schlechte Voraussetzungen, um eine Fährte aufnehmen zu können, zumal die Tat auf einem geteertem Gehweg begangen worden war. Doch ich wollte nichts unversucht lassen und holte Bux aus dem Streifenwagen.
Wenig optimistisch setzte ich ihn auf der gedachten Linie zwischen Tat- und Fundort der Handtasche an und forderte ihn mit „Such!“ zur Fährtenaufnahme auf. Mein Hund ging an der langen Leine vorwärts, und ich sah, wie sehr er kämpfte, die Spur zu finden, auf dem befestigtem Untergrund fast unmöglich für ihn. Er war nicht sehr zielstrebig, pendelte, doch er zog mich weiter, entlang einer sauber gestutzten Hecke, bis er plötzlich seinen Kopf in diese steckte und sich hinlegte. Was zeigte er mir an?
Gefunden!
Ich kniete mich neben meinen Hund, streichelte ihm über den Rücken und versuchte zu entdecken, was er offenbar wahrnahm. Doch vor seiner Schnauze sah ich nur dickes Laub vom letzten Herbst. Mit einem Zweig, den ich von der Hecke brach, kehrte ich die Blätter zur Seite – und legte eine braune Geldbörse frei. Anscheinend war Buxi immer noch im „Such-Verloren“-Modus gewesen!
Wie sich kurz darauf herausstellte, war Buxis Fund tatsächlich die geraubte Geldbörse. Sie war leer, aber durch die daran haftenden DNA-Spuren konnte der Täter wenige Tage später identifiziert und festgenommen werden.
Hier erfährst du, wie es weitergeht.
Elmar Heer arbeitet seit 40 Jahren als Polizeibeamter. 1990 wechselte er vom Streifendienst zur Diensthundestaffel Mittelfranken. Schon früh entdeckte er seine zweite Leidenschaft: das Schreiben. Mit seinem Buch „Partner auf Leben und Tod“, erschienen bei Droemer-Knaur, gewährt der Autor dem Leser einen Einblick in Leben und Arbeit eines Polizeihundeführers. Er erzählt über seine Aufgaben als Hundeführer, die umfangreiche Ausbildung von Polizeihunden und über spannende, heitere und auch tragische Einsätze, die er mit seinen Schäferhunden Gundo, Bux, Carina und Sam erlebte.
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