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Der Tierarztbesuch – Eine Studie in öffentlicher Demütigung

DIETER – Die Kolumne | (Zusammen-)Lebensbetrachtungen eines Felinophilen.

Kennst du diese Studie, wo sie herausgefunden haben, dass Katzen deinen Namen kennen, aber beschlossen haben, dich zu ignorieren? Das fasst die Beziehung zwischen Mensch und Katze gut zusammen. Und nirgendwo wird diese Beziehung deutlicher als beim Tierarztbesuch.

Der Tierarztbesuch mit einer Katze läuft immer gleich ab. Das ist wie ein Naturgesetz. Es beginnt mit dem Versuch, die Katze in den Transportkorb zu bekommen. Die Katze, die sonst in jede Schachtel, jeden Schuhkarton, jeden Blumentopf springt – findet plötzlich, dass ein Katzenkorb völlig unwürdig ist. Vermutlich hat sie in der Nacht vorher deine Tagebucheinträge zum Thema „Tierarztbesuch” gelesen.

Und die Katze weiß immer genau, wann es zum Tierarzt geht. Du holst den Transportkorb aus dem Keller, und die Katze ist weg. Nicht einfach im Nebenzimmer, nein – verschwunden. Vermutlich in einer anderen Dimension. Ich habe manchmal das Gefühl, Katzen können sich teleportieren, aber nur, wenn es darum geht, dem Tierarzt zu entkommen. Die NASA sollte mal untersuchen, ob Katzen nicht die Lösung für interstellare Reisen sein könnten. Einfach eine Katze in den Transportkorb und – zack – Mars-Mission erfolgreich.

Irgendwann erwischst du sie dann doch. Und weißt du was? In dem Moment, wo du die Katze greifst, verliert sie all ihre Knochen. Aus einem festen Körper wird plötzlich flüssige Katze. Als hätte jemand den Aggregatzustand von fest auf flüssig umgestellt. Die Wissenschaft sollte das mal untersuchen. Vielleicht liegt hier die Lösung für unsere Energieprobleme. Wir könnten Katzen-zum-Tierarzt-Energie anzapfen und ganz Deutschland damit versorgen.

Dann kommt der Transport. Ich nehme den Bus. Das ist so, als würdest du freiwillig in einen vollbesetzten Raum gehen und ankündigen: „Ich werde jetzt etwas sehr Peinliches tun.” Aus der Transportbox kommt ein Geräusch, das an eine Mischung aus Nebelhorn, kreisender Säge und dem Schrei einer Todesfee erinnert. Die anderen Fahrgäste starren. Nicht direkt – das wäre unhöflich. Sie starren auf ihre Handys, aber du weißt, dass sie starren. Und urteilen. Du könntest auch ein T-Shirt tragen mit der Aufschrift: „Ja, ich bin der Idiot mit der schreienden Box.”

Eine alte Dame fragt dann: „Ist das eine Katze?” – als ob es andere Haustiere gäbe, die so klingen. „Nein, ein Waschbär mit Kehlkopfentzündung”, möchtest du antworten. Oder: „Eigentlich ist es ein kleines Kind, aber ich fand die Box praktischer als einen Kinderwagen.” Aber du nickst nur höflich und versuchst, nicht wie ein Tierquäler auszusehen.

Im Wartezimmer triffst du dann auf andere Tierhalter. Da ist der Typ mit dem Golden Retriever, der dir erzählen muss, wie entspannt sein Hund beim Tierarzt ist. „Der legt sich einfach hin und lässt alles mit sich machen.” Ja, natürlich. Dein Hund würde sich auch hinlegen, wenn der Tierarzt ihm mitteilen würde, dass er Steuern nachzahlen muss. Hunde sind nicht entspannt, sie sind einfach nicht besonders hell. Ihr Gehirn besteht aus drei Grundfunktionen: Fressen, Gestreichelt werden und sich über absolut alles freuen. Katzen dagegen haben einen komplexen Plan zur Weltherrschaft – und du stehst ihnen gerade im Weg.

Und dann endlich das Highlight: der eigentliche Tierarztbesuch. Der Tierarzt öffnet die Box, und für einen kurzen Moment denkst du: „Vielleicht wird die Katze sich ja benehmen.” Ein schöner Gedanke. Naiv, aber schön. So naiv wie zu glauben, dass Politiker ihre Wahlversprechen halten.

Was dann folgt, ist ein Rodeo in Miniaturform. Plötzlich hat deine Katze acht Beine, zwanzig Krallen und die Fähigkeit, an der Decke zu laufen. Der Tierarzt bleibt erstaunlich ruhig. Vermutlich haben die in der Ausbildung ein Semester „Umgang mit Dämonen” oder so. Oder sie sind einfach schwer medikamentiert. Anders kann ich mir diese Gelassenheit nicht erklären.

Am Ende verlässt du die Praxis mit drei Kratzern, einer Rechnung, die höher ist als deine Monatsmiete, und der ernüchternden Erkenntnis: „Ihre Katze ist etwas übergewichtig.” Als ob du das nicht wüsstest. Als ob du nachts aufstehen und der Katze heimlich Leberwurstbrote zustecken würdest. „Psst, Minka, hier ist noch ein Midnight-Snack. Aber erzähl’s nicht dem Tierarzt!”

Weißt du, was das Absurdeste ist? Zwei Stunden nach der Heimkehr sitzt dieselbe Katze, die gerade die Praxis in einen Kriegsschauplatz verwandelt hat, friedlich auf deinem Schoß und schnurrt. Als wäre nichts gewesen. Und du kraulst sie und denkst: „Ach, so schlimm war’s doch gar nicht.” Man sollte das mal psychologisch untersuchen. Ich glaube, das ist eine milde Form des Stockholm-Syndroms. Oder vielleicht haben Katzen auch die Fähigkeit, unsere Erinnerungen zu löschen, wie bei „Men in Black”. Das würde vieles erklären.


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