
Der Katzenhimmel im Keller – wenn Tierliebe zur Hölle wird | Tierärzte warnen
Es ist Dienstag, 11 Uhr, Reihenhaus in einer Kleinstadt bei Hamburg. Von außen sieht alles normal aus: gepflegter Vorgarten, frische Vorhänge, Briefkasten mit dem Namen „Schmidt”. Aber dann öffnet sich die Tür, und der Gestank schlägt mir entgegen. Ammoniak, Kot, Verwesung. Und dann sehe ich sie: Katzen. Überall. Auf dem Sofa, unter dem Tisch, in den Ecken. 67 Stück.
„Ich rette sie”, sagt Frau Schmidt und lächelt. „Alle waren mal Straßenkatzen. Jetzt sind sie in Sicherheit.”
Willkommen in der Welt der Animal Hoarder.
Frau Schmidt ist 58, Rentnerin, lebt allein. Vor fünf Jahren fing es an: Eine schwangere Streunerkatze im Garten. Schmidt nahm sie auf, ließ sie bekommen. Sechs Kätzchen. „Die kann ich doch nicht weggeben”, dachte sie. Dann kamen mehr Streuner. Dann Katzen aus dem Tierheim. Dann Fundtiere von Facebook.
Heute leben 67 Katzen auf 80 Quadratmetern. Ohne Kastration. Ohne Tierarzt. Ohne Chance.
Das ist kein Einzelfall. Animal Hoarding – das krankhafte Sammeln von Tieren – betrifft Tausende in Deutschland. Die Zahlen steigen jährlich. Corona hat das Problem verschärft. Einsame Menschen suchten Trost bei Tieren. Und verloren dabei jeden Bezug zur Realität.
Die Logik der Hoarder ist perfide: Sie glauben, Tiere zu retten. Dabei schaffen sie die Hölle auf Erden. Überfüllung führt zu Stress, Krankheiten, Aggression. Tiere sterben an Infektionen, Mangelernährung, Vernachlässigung.
Die Überlebenden vegetieren in ihrem eigenen Kot.
Aber die Hoarder sehen das nicht. Sie sehen nur ihre „Rettungsmission”. Jedes neue Tier ist ein weiterer Erfolg. Jeder Einwand von außen ist Ignoranz. „Die Leute verstehen meine Arbeit nicht”, ist ihr Mantra.
Frau Schmidt führt mich durch ihr „Paradies”. Im Wohnzimmer hocken 20 Katzen auf einem Sofa. Fellverfilzt, Augen verklebt, Rippen sichtbar. Im Keller stapeln sich die Katzenklos – ungereinigt seit Wochen. In der Küche gammelt das Futter vor sich hin. Und überall der Gestank von Krankheit und Tod.
„Schauen Sie”, sagt Schmidt stolz und zeigt auf ein Kätzchen, „das habe ich gestern vom Parkplatz gerettet. War ganz allein.” Das Kätzchen ist etwa vier Wochen alt, viel zu jung, um von der Mutter getrennt zu sein. Es wird die Woche nicht überleben.
Das Perfide: Schmidt meint es ernst.
Sie glaubt wirklich, das Richtige zu tun. In ihrem Kopf ist sie Mother Teresa für Katzen. Die Realität – Krankheit, Leid, Tod – blendet sie aus. Klassische Verdrängung, verstärkt durch soziale Isolation.
Die Behörden? Machtlos. Solange keine akute Gefahr besteht, können sie nur beraten. Und Schmidt lässt niemanden rein. Nachbarn, die sich beschweren, werden als „Tierfeinde” abgestempelt. Tierärzte, die Hilfe anbieten, als „Profitgier” verdammt.
Das Endergebnis ist immer dasselbe: Ein Notfall. Behörden-Razzia. Dutzende tote Tiere. Überlebende im Tierheim. Und ein Hoarder, der nicht versteht, was er falsch gemacht hat.
Ich habe es selbst erlebt. Bei einem Fall in Bayern fanden Veterinäre 43 tote Katzen in einem Keller. Der Besitzer weinte und sagte: „Ich wollte doch nur helfen.”
Die Lösung ist komplex: Früherkennung, psychologische Hilfe, soziale Kontrolle. Aber vor allem: Den Mut, hinzuschauen. Nachzufragen. Einzuschreiten.
Wenn der Nachbar plötzlich zehn Katzen hat. Wenn aus dem Haus nebenan Gestank kommt. Wenn jemand ständig neue „Rettungsaktionen” startet.
Frau Schmidt lebt noch immer mit ihren 67 Katzen. Das Veterinäramt hat einen Termin für nächste Woche angekündigt. Bis dahin werden weitere Katzen sterben. Im Namen der Tierliebe.
Es bleibt an uns. Hinschauen statt wegschauen. Helfen statt ignorieren. Und verstehen: Manchmal ist Liebe das Problem.
Ich bin Max Löhmer. Und ich unterscheide zwischen Retten und Sammeln.