Das Märchen Sommerschur hat böse Folgen
Würdest du im Sommer nackt, mit Glatze und ohne Sonnenschutz vor die Tür gehen? Nein? Warum sollte es dein Hund tun? Die Meinungen über das Thema Sommerschur gehen ziemlich weit auseinander. Gerade als Hundefriseurin führe ich sehr oft Diskussionen mit Hundebesitzern, die Ihren Hund im Sommer kurz geschoren haben möchten. Aber auch einige Hundefriseurkollegen sind bei diesem Thema nicht ganz so streng wie ich. Ich lehne die Sommerschur strikt ab, denn es schadet dem Hund mehr, als es ihm nützt.
Das Fell hat eine Funktion
Es gibt fast 500 Hunderassen, und alle haben unterschiedliches Fell. Hinzu kommen die Mischlinge, wie zum Beispiel die Doodles. Wer soll da noch den Überblick behalten? Und genau das ist das Problem, denn unwissende Hundebesitzer denken, dass Fell gleich Fell ist. Dem ist aber nicht so, denn es gibt zwölf verschiedene Fellarten, die alle unterschiedliche Eigenschaften haben und auch unterschiedlich gepflegt werden müssen. Das Fell des Hundes hat eine Funktion. Es schützt die Haut vor Sonne, Regen, Wind, Kälte, Parasiten und Verletzungen. Aber die wichtigste Aufgabe des Hundefells ist die Klimaregulierung. Im Winter schützt es vor Kälte, durch die vermehrte Produktion von Unterwolle. Im Sommer schützt das Deckhaar vor der heißen Sonneneinstrahlung. Natürlich wird durch verschiedene Zuchtansätze das Fell der Hunde „überzüchtet“, es werden Rassen miteinander gekreuzt, die jede für sich schon ein sehr pflegeintensives Fell hat. Ein gutes Beispiel dafür sind die Doodles, deren Fell manch einen Besitzer zur Weißglut treibt.
Das Abscheren mit der Schermaschine und seine Folgen
Beim Abscheren gibt es eine goldene Regel: Alle Hunde, die Unterwolle oder Drahthaar haben, dürfen NICHT abgeschoren werden, also Rassen mit zwei- oder dreischichtigem Fell. Es gibt also andersrum gesagt nur eine Fellschicht, die man mit der Schermaschine kürzen darf, nämlich alle Hunderassen, die nur eine Fellschicht haben. Dazu gehört zum Beispiel der Pudel.
Schert man nun einen Felltyp mit mehr als einer Fellschicht ab, zum Beispiel einen Labrador, passiert Folgendes. Das schützende Deckhaar wird soweit gekürzt, dass nur noch die Unterwollschicht zu sehen ist. Die Unterwollschicht allein bietet aber keinen Schutz vor Sonne, Wind und Wetter. Im schlimmsten Fall bekommt der Hund einen Sonnenbrand oder Hotspots, also Hautausschläge. Auch Parasiten haben es viel einfacher an die Haut zu kommen. Schert man nun regelmäßig den Hund, zerstört man die schützende Deckschicht des Hundes, das Fell wird weicher und wolliger und haart noch mehr. Oft haben diese Hunde ein glanzloses und stumpfes Fell, die Farbe verblasst. Bei einigen Rassen verfilzt das Fell durch das Abscheren auch viel schneller. Im schlimmsten Fall kann die Haarstruktur so sehr geschädigt werden, dass das Fell gar nicht mehr nachwächst. In meinem Salon hatte ich schon öfter Kunden, die verzweifelt nach Hilfe gebeten haben, weil das Fell ihres Hundes nach dem Abscheren nicht mehr nachgewachsen ist und der Hund viele kahle Stellen am Körper hatte.
Die Sommerschur bringt keine Linderung
Wenn uns im Frühling warm wird, ziehen wir einfach unseren Pullover aus. Niemand würde auf die Idee kommen, den Pullover in Brusthöhe abzuschneiden. So ähnlich ist es mit Hundefell. Im Frühjahr muss die Unterwolle des Hundes ausgebürstet werden. Wenn der Hund frei von Unterwolle und Filz ist, legt sich das Deckhaar locker auf die Haut des Hundes und kann gut durchlüftet werden. Wenn man das Fell einfach nur abschert, bleibt die juckende Unterwolle ja trotzdem auf der Haut und bringt dem Hund keine Entlastung bei heißen Temperaturen. Denn Hunde regulieren ihre Temperatur nicht über die Haut, wie der Mensch, sondern über das Hecheln und die Pfoten. Übrigens würde ein gut ausgebildeter Hundefriseur Hunde mit mehrschichtigem Fell nicht einfach so abscheren. Es gibt natürlich Ausnahmen, wo auch ich einen Hund abscheren würde, zum Beispiel wenn er extrem verfilzt ist und sich kaum noch bewegen kann. Ansonsten empfehle ich jedem Hundebesitzer im Sommer: Bürsten, Bürsten, Bürsten!
Bürsten hui, Abscheren pfui
Beim Bürsten kommt die ganze lose Unterwolle heraus. Ist es nicht unglaublich, wieviel loses Fell sich auf einem Hund befindet? Das alles trägt er mit sich herum. Also: Greif zur Bürste, statt zur Schere, solange es noch möglich ist.
„Die richtige Fellpflege ist kein „Chi-chi“, sie hält den Hund gesund“. Mit dieser Einstellung arbeitet die Hundefriseurin FRANZISKA KNABENREICH-KRATZ, bekannt aus der TV-Serie „hundkatzemaus“ in ihrem Salon in Hessen.