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Afghanistan – eine echte Herausforderung

Im Jahr 2000 wurde ich von der Gesellschaft zur technischen Zusammenarbeit (GTZ) gebeten, eine Reise nach Afghanistan zu unternehmen, um vor Ort zu prüfen, ob von Kabul aus Unterstützung zum Aufbau eines Minensuchhundeprojektes im Yemen möglich sei. Schon die Fahrt nach Afghanistan entpuppte sich als Abenteuer.

Ein Direktflug nach Kabul war nicht wirklich möglich, da der Flughafen schlicht nicht angesteuert wurde. Also musste ich über Pakistan irgendwie nach Kabul gelangen. In Peshawar wurde ich von den Mitarbeitern des Mine-Dog Centers Kabul in Empfang genommen, die dort ein Büro unterhielten.

Unterwegs im unwegsamen Gebirge

Nachdem die ersten Gespräche in Peshawar geführt und die Formalitäten erledigt waren, ging es mit dem Auto und zwei Mitarbeitern auf in Richtung Kabul. Kurz nach Peshawar hörte die befestigte Straße auf und es ging nur noch über Sandpisten weiter. Am letzten Ort auf pakistanischer Seite mussten wir erst auf eine Militärbegleitung warten, denn es galt, den Khyberpass zu überqueren. Dort ist es nicht ganz ungefährlich und allein zu versuchen, über den Pass zu gelangen, dürfte wohl eher als Suizidversuch zu bezeichnen sein. Wer einmal dort war, begreift sehr schnell, warum die dort herrschenden Stammesfürsten das Kommando führen. Es handelt sich um ein sehr unwegsames Gebirge, in dem man sich nur schwer zurechtfinden kann. Nachdem der Pass glücklich überquert worden war, erreichten wir die Grenze. Dort spielten sich teils unglaubliche Szenen ab, die hier aber nicht Gegenstand sein sollen. In Kabul angekommen, quartierte ich mich in einer kleinen Herberge ein, die von außen scharf von den Taliban bewacht wurde.

Der erste Kontakt mit den Einheimischen

Direkt am nächsten Morgen fuhren wir endlich zum Mine-Dog Centre. Der erste Eindruck war ein guter, das Centre machte insgesamt einen sehr gepflegten Eindruck. Es gab hervorragende, umfangreiche Trainingsmöglichkeiten, eine eigene Tierklinik mit ständig anwesendem Veterinär, eine entsprechende Krankenstation für die Hunde und eine umfangreiche Dokumentation über jeden einzelnen Hund. Lediglich die Zwinger hätten nach unseren Standards ein wenig größer sein können, jedoch waren die anwesenden Hunde den ganzen Tag über durchaus ausgelastet. Die Hundeführer zeigten sich durchgehend mit Pflege und Training beschäftigt, Langeweile kam bei den Teams sicher nicht auf. Überhaupt stellte sich die Frage nach den Hundeführern in einem streng islamischen Land. Dieses Problem hatte man vor Ort sehr gut gelöst. Zum einen galten die eingesetzten Hundeführer als Mudschaheddin, zum anderen wurden sie sehr gut bezahlt. Die Liste der Bewerber war dementsprechend lang und man war in der Lage zu selektieren.
Die neuen Mitarbeiter waren zunächst nur mit der Zwingerreinigung beschäftigt, im nächsten Schritt durften sie dann die Hunde aus dem Zwinger zum jeweiligen Trainingsplatz führen. Erst danach wirkten sie, unter Anleitung, an der Konditionierung und dem Bewegungstraining mit. Neben den weiten Trainingsarealen gab es auch einen „normalen“ Hundeplatz und eine Art Agilityparcours.
Erst nach langer Einarbeitungsphase bekamen die jungen Hundeführer einen „eigenen“ Hund zugeteilt, der dann entsprechend konditioniert wurde. All dies geschah stets unter Aufsicht und Anleitung eines erfahrenen Hundeführers, der sich speziell als Ausbilder qualifiziert hatte.

Minensuche mit Hindernissen

Natürlich waren nicht alle Hunde im Centre, sondern auch gruppenweise mit der Minenräumung in Afghanistan beschäftigt.
Durch die besonderen Bodenverhältnisse in dem Land (sehr viel Sand und Gestein) kamen kaum bis gar keine Räummaschinen zum Einsatz. Es wurde entweder per Hand oder mit den Hunden nach den Minen gesucht. Da die allgemeine Akzeptanz der Hunde bei der Bevölkerung und damit natürlich das Wissen über deren Fähigkeiten nicht besonders ausgeprägt waren, schien es zunächst problematisch, Flächen, die geräumt waren, an die Landbevölkerung zurückzugeben. Man hatte halt schlicht noch Angst, da man nicht glauben wollte, dass die Hunde tatsächlich in der Lage waren, die ausgelegten Minen aufzufinden. Um der Bevölkerung also zu beweisen, dass die Flächen sicher waren, setzte sich einer der Hundeführer in einen Jeep und befuhr die ehemaligen Minensperren kreuz und quer. Oder alle dort eingesetzten Hundeführer bildeten eine lange Menschenkette und gingen auf den Arealen auf und ab. Nur so konnten die Bewohner überzeugt werden und gleichzeitig wurde das Vertrauen der Hundeführer in die Arbeit der eingesetzten Hunde bewiesen.

Mine für Mine wird gesucht

Die Arbeitsweise der Teams unterschied sich wesentlich von der Vorgehensweise anderswo. Die Flächen, ob geräumt oder noch „scharf“, konnte man aus Mangel an Holz nicht mit Holzpflöcken kennzeichnen. Man bediente sich daher rot bzw. weiß angemalter Steine.
Von einer markierten Grundlinie aus wurde der Hund zunächst
8 m schnurgerade und suchend in die Fläche geschickt. Der Minenhund drehte dann und kam den gleichen Weg etwas seitlich versetzt zurück zum Hundeführer. Dieser bewegte sich ca. 1 m zur Seite und das Ganze wiederholte sich. Insgesamt war diese Grundlinie ca. 10 m, also ungefähr 10 Sidesteps des Hundeführers lang. War der Hund dann mit diesen ca. 80 qm fertig, tauschte das Team und ein zweiter Hund suchte die gleiche Fläche noch einmal sicherheitshalber ab. Hatte der Hund eine Anzeige, also in Laufrichtung vorsitzen, wurde er abgerufen und über seinen Ball bestätigt. Ein „Handentminer“ übernahm den Part, die Mine genau zu lokalisieren, frei zu legen und zu markieren. Insgesamt eine sehr zügige und erfolgreiche Arbeitsweise.

Positives Ergebnis

Ich konnte einen entsprechend positiven Bericht geben und auch das Centre in Kabul war hocherfreut, einen neuen Aufgabenbereich zu bekommen. Afghanistan war seinerzeit kurz davor, fast minenfrei zu werden. Keiner konnte zu dieser Zeit die Entwicklung der kommenden Jahren vorausahnen. Das Dog Centre ist im eigenen Land beschäftigt wie eh und je.

Ein MUSS für jeden, der sich auch nur ansatzweise mit Hundeausbildung beschäftigt.

Martin Weitkamp

Im Schatten der Gefahr

Hardcover, 128 Seiten, s/w

ISBN: 978-3-9815634-2-9

www.minervastore.de

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