
5 Euro für ein Leben – der Ausverkauf unserer Haustiere | Tierärzte warnen
Es ist Donnerstag, 14 Uhr, Tierheim am Stadtrand. In Käfig Nr. 23 sitzt Bella, eine dreijährige Mischlingshündin. Braune Augen, graues Fell, zerbrochenes Vertrauen. Seit 847 Tagen wartet sie hier. Nebenan werden täglich neue Tiere abgegeben: „Können wir nicht mehr halten”, „zieht um”, „neue Wohnung erlaubt keine Haustiere”. Die Mitarbeiterin zeigt mir die Statistik: 2.847 Tiere im letzten Jahr. Nur 1.203 vermittelt.
Gleichzeitig, keine zehn Kilometer entfernt: Der Welpenmarkt boomt. 1.200 Euro für einen Labrador-Welpen, 800 für einen Mischling „mit Stammbaum”. Die gleichen Menschen, die ihre „Problemtiere” abschieben, kaufen sich neue. Jünger. Süßer. Unschuldiger.
Willkommen in der Wegwerfgesellschaft der Herzen.
Wir konsumieren Lebewesen wie Fast Food. Schnell, billig, ohne Nachdenken. Der Lockdown-Welpe wird zum Home-Office-Problem. Der Urlaubshund wird zur Belastung. Das Weihnachtsgeschenk wird zum Frühjahrs-Ärgernis. Und dann? Ab ins Tierheim. Gewissen beruhigt, Problem gelöst.
Aber die Rechnung zahlen andere. Ehrenamtliche Helfer, die 16-Stunden-Schichten schieben. Tierärzte, die sich die Seele aus dem Leib arbeiten. Und Tiere wie Bella, die nicht verstehen, warum ihre Menschen nicht wiederkommen.
Das System ist pervers: Während Tierheime aus allen Nähten platzen, floriert der Handel mit „frischer Ware”. Online-Börsen quellen über vor Inseraten. Zoohandlungen verkaufen Hundewelpen wie Konsumgüter. Und wir? Wir schauen weg. Kaufen neu statt gebraucht. Nehmen den bequemen Weg.
Ich habe es selbst gesehen: Familien, die im Tierheim vorbeischauen, „nur mal gucken”. Die dann kopfschüttelnd gehen, weil der Hund „zu alt”, „zu groß”, „zu schwierig” ist. Die eine Woche später stolz Fotos vom neuen Welpen posten. Mit Hashtags wie #familylove und #newbaby.
Der Staat? Reguliert den Verkauf von Autos strenger als den von Lebewesen.
Die Industrie? Verdient an der Wegwerfmentalität. Die Gesellschaft? Redet von Tierschutz und handelt wie Verbraucher.
Es bleibt an uns. Jeder Gang ins Tierheim ist ein Protest gegen das System. Jede Adoption ein Statement. Jeder Tag mit einem „schwierigen” Tier ein Akt des Widerstands.
Bella wartet noch immer. Tag 848, 849, 850…
Ich bin Max Löhmer. Und ich werde nicht wegsehen.
Max Löhmer (41) hat sich als Reporter mit vielen Themen beschäftigt– bis ihm ein sterbender Billig-Welpe das Herz brach. Seitdem kämpft gegen Tierleid und die Welpenmafia. In „Löhmer blickt hin“ zeigt er, wo andere wegschauen.