Dank besserer Ernährung und medizinischer Versorgung werden Katzen heute deutlich älter. Katzen, die über 20 Jahre leben, sind keine Seltenheit mehr. Mit dem Alter kommen jedoch auch alterstypische Erkrankungen. Eine davon ist die kognitive Dysfunktion, umgangssprachlich auch Katzen-Demenz genannt. Etwa 28 Prozent der Katzen im Alter von 11 bis 14 Jahren und 50 Prozent der Katzen über 15 Jahre zeigen Symptome dieser Erkrankung. Wenn deine Katze sich verändert, vergesslich wird oder nachts schreit, könnte das der Grund sein.
Was passiert bei kognitiver Dysfunktion?
Kognitive Dysfunktion ist eine Gehirnerkrankung, die der Alzheimer-Krankheit beim Menschen ähnelt. Das Gehirn altert wie jedes andere Organ auch. Nervenzellen bauen sich ab, die Durchblutung verschlechtert sich, und wichtige Gehirnfunktionen nehmen ab.
Im Gehirn deiner Katze degenerieren Nervenzellen, die Durchblutung wird schlechter, es sammeln sich Proteinablagerungen an, ähnlich wie bei Alzheimer. Die Übertragung von Neurotransmittern wird beeinträchtigt, und kognitive Fähigkeiten wie Gedächtnis, Orientierung und Wahrnehmung gehen verloren.
In der Veterinärmedizin spricht man nicht von Demenz, sondern von kognitiver Dysfunktion oder kurz CDS. Der Begriff Demenz stammt aus der Humanmedizin und wird umgangssprachlich verwendet.
Ab wann tritt CDS auf?
Erste Symptome können bereits ab sieben bis acht Jahren vereinzelt auftreten. Häufig betroffen sind Katzen ab zehn bis 15 Jahren. Bei Katzen über 15 Jahren zeigen 28 bis 50 Prozent Symptome. Bei Katzen über 20 Jahren sind nahezu alle in irgendeiner Form betroffen.
Die Krankheit schreitet mit zunehmendem Alter schneller voran. Je älter deine Katze wird, desto ausgeprägter werden die Symptome. Du kannst jedoch viel tun, um deiner Katze zu helfen und ihr einen würdevollen Lebensabend zu schenken.
VISHDAAL: Die sieben Hauptsymptome
Zur Diagnose kognitiver Dysfunktion verwenden Tierärzte das VISHDAAL-Tool, ein Akronym, das die typischen Symptome zusammenfasst.
Erhöhte Lautäußerungen
Deine Katze miaut häufiger und intensiver, oft ohne erkennbaren Grund. Besonders nachts kann sie lautstark schreien oder klagen. Das ist eines der auffälligsten und für dich als Besitzer belastendsten Symptome. Sie miaut plötzlich und laut ohne Grund. Nächtliches Schreien klingt oft verzweifelt oder desorientiert. Du kannst es ihr nicht abgewöhnen, denn sie kann nichts dafür.
Veränderte soziale Interaktionen
Die Beziehung zu dir und anderen Tieren verändert sich. Deine Katze zeigt weniger Interesse an Streicheleinheiten oder sucht plötzlich mehr Nähe, obwohl sie früher eher zurückhaltend war. Sie zieht sich zurück, erkennt Familienmitglieder möglicherweise nicht mehr oder zeigt aggressives oder ängstliches Verhalten gegenüber vertrauten Personen. Auch Konflikte mit anderen Haustieren im Haushalt können auftreten.
Gestörte Schlaf-Wach-Zyklen
Der Tag-Nacht-Rhythmus gerät durcheinander. Deine Katze schläft tagsüber mehr, ist nachts wach und unruhig, hat schwierige Aufwachphasen, ist nach dem Aufwachen desorientiert und wandert ziellos in der Nacht umher.
Unsauberkeit
Plötzlich wird deine Katze unrein. Sie findet die Katzentoilette nicht mehr, uriniert oder kotet außerhalb der Toilette, vergisst, dass sie gerade dort war, oder hat Schmerzen beim Koten oder Wasserlassen, was sie zusätzlich verwirrt.
Veränderte Aktivität
Das Aktivitätslevel ändert sich. Deine Katze bewegt sich deutlich weniger, starrt minutenlang einen Punkt im Raum an, vergisst, was sie gerade tun wollte, steht orientierungslos im Raum und zeigt kein Interesse mehr an Spielen.
Angst
Ängstliches Verhalten nimmt zu. Übertriebene Reaktionen auf normale Geräusche, häufigeres Verstecken. Deine Katze klammert sich an dich oder meidet dich, zeigt Nervosität und Unruhe und reagiert ängstlich auf vertraute Situationen.
Lernen und Gedächtnis
Die kognitiven Fähigkeiten nehmen ab. Deine Katze vergisst, wo Futter- und Wassernapf stehen, vergisst, dass sie gerade gefressen hat, erkennt früher gelernte Kommandos nicht mehr, kann keine neuen Dinge mehr lernen und vergisst sogar Namen von Familienmitgliedern.
Weitere Zeichen, auf die du achten solltest
Deine Katze läuft ziellos umher, bleibt in Ecken stehen, findet nicht mehr aus Räumen heraus und verirrt sich in der eigenen Wohnung. Beim Fressen zeigen sich Veränderungen: Appetitlosigkeit, weil sie vergisst zu fressen, oder sie frisst deutlich mehr, weil sie vergisst, dass sie gefressen hat. Sie steht vor vollem Napf und weiß nicht, was zu tun ist, oder ihr Geschmack verändert sich.
Die Körperpflege wird vernachlässigt. Das Fell wird stumpf und verfilzt, weil sie sich nicht mehr so gut putzt oder bestimmte Körperstellen nicht mehr erreicht. Manche Katzen verlieren die Lebensfreude, werden teilnahmslos und apathisch und zeigen keine Reaktion auf vormals beliebte Aktivitäten.
Die Diagnose: Eine Herausforderung für den Tierarzt
Die Diagnose ist schwierig, weil es keinen eindeutigen Test für CDS gibt. Die Diagnose erfolgt als Ausschlussdiagnose. Das bedeutet, dein Tierarzt muss zunächst alle anderen möglichen Ursachen ausschließen.
Andere Erkrankungen mit ähnlichen Symptomen sind Schilddrüsenüberfunktion, häufig bei älteren Katzen, die zu Hyperaktivität, Gewichtsverlust und Unruhe führt. Chronische Niereninsuffizienz betrifft 30 bis 80 Prozent der Katzen über 15 Jahre in unterschiedlichem Ausmaß. Diabetes mellitus kann zu Verhaltensänderungen führen. Arthrose betrifft jede zweite Katze ab zehn Jahren, Schmerzen führen zu weniger Bewegung und Verhaltensänderungen. Bluthochdruck kann Desorientierung und Sehstörungen verursachen. Ein Gehirntumor ist selten, aber möglich. Zahnschmerzen führen zu Fressunlust und Gereiztheit. Infektionen, besonders Harnwegsinfekte, können zu Unsauberkeit führen.
Der diagnostische Prozess beginnt mit einem ausführlichen Gespräch über Verhaltensänderungen. Dann folgt die körperliche Untersuchung deiner Katze. Eine Blutuntersuchung prüft Schilddrüse, Nierenwerte, Leberwerte und Blutzucker. Die Blutdruckmessung und Urinuntersuchung gehören dazu. Eventuell sind Röntgen oder Ultraschall nötig bei Verdacht auf andere Erkrankungen. Oft ist eine Verhaltensbeobachtung über längere Zeit wichtig.
Erst wenn alle anderen Erkrankungen ausgeschlossen wurden, kann die Diagnose kognitive Dysfunktion gestellt werden.
Tipp: Führe ein Symptom-Tagebuch. Notiere Verhaltensänderungen mit Datum und Zeit. Das hilft dem Tierarzt bei der Diagnose enorm.
Behandlung: Symptome lindern, nicht heilen
Kognitive Dysfunktion ist nicht heilbar und irreversibel. Einmal verlorene Gehirnzellen lassen sich nicht wiederherstellen. Der Verlauf kann jedoch verlangsamt und die Lebensqualität deutlich verbessert werden.
Medikamentöse Behandlung
Leider gibt es kein für Katzen zugelassenes Medikament gegen kognitive Dysfunktion. Dennoch können verschiedene Medikamente helfen, Symptome zu lindern.
Selegilin, ein MAO-B-Hemmer, ist eigentlich für Hunde zugelassen, kann aber off-label bei Katzen verwendet werden. Es unterstützt kognitives Funktionieren und erhöht den Dopamin-Spiegel im Gehirn.
Angstlösende Medikamente wie Gabapentin oder Trazadon helfen bei starker Ängstlichkeit und nächtlicher Unruhe. Sie reduzieren Stress. Antidepressiva wie Fluoxetin können bei Depressionen und Rückzug eingesetzt werden und verbessern die Stimmung. Beruhigungsmittel für die Nacht werden nur in Ausnahmefällen und kurzzeitig bei schwerem nächtlichen Schreien eingesetzt.
Wichtig: Jede medikamentöse Behandlung muss mit dem Tierarzt besprochen und individuell angepasst werden.
Ernährung und Nahrungsergänzung
Die richtige Ernährung kann den Verlauf der Krankheit verlangsamen. Spezialfutter für Senior-Katzen mit kognitiver Unterstützung enthalten bereits viele wichtige Nährstoffe. Solche Futter findest du beim Tierarzt oder in gut sortierten Tierhandlungen.
Wichtige Nahrungsergänzungsmittel sind Omega-3-Fettsäuren. EPA und DHA wirken entzündungshemmend, schützen Gehirnzellen und verbessern kognitive Funktionen. Quellen sind Fischöl, Lachsöl oder Algenöl.
Antioxidantien wie Vitamin E schützen vor oxidativem Stress. Vitamin C unterstützt Vitamin E, und Beta-Carotin bietet Zellschutz. Mittelkettige Fettsäuren, die MCTs, liefern eine alternative Energiequelle fürs Gehirn und können Symptome mildern. Sie sind in Kokosöl enthalten.
B-Vitamine sind wichtig für die Nervenfunktion, besonders B12 und Folsäure. Coenzym Q10 unterstützt die Energieproduktion in Zellen und schützt das Gehirn. Phosphatidylserin unterstützt Zellmembranen im Gehirn und kann das Gedächtnis verbessern. S-Adenosylmethionin, kurz SAMe, unterstützt die Leberfunktion und wirkt stimmungsaufhellend.
Wichtig: Alle Ergänzungen mit dem Tierarzt absprechen. Überdosierungen können schädlich sein.

Der Alltag mit einer dementen Katze
Nächtliches Schreien kann deinen eigenen Schlaf stark beeinträchtigen. Geduld und Verständnis sind nötig. Beruhigendes Zureden kann helfen. Eventuell könnte der Schlafplatz im selben Raum eine Lösung sein.
Unsauberkeit bedeutet mehrmals tägliches Reinigen. Keine Bestrafung – deine Katze kann nichts dafür. Verwende Geruchsneutralisierer und eventuell Inkontinenzunterlagen.
Die veränderte Beziehung ist schwer: Deine Katze ist nicht mehr die, die sie war. Trauer um die alte Beziehung ist normal. Finde eine neue Form der Beziehung. Akzeptanz ist wichtig.
Der Zeitaufwand steigt: Demente Katzen brauchen mehr Pflege, mehr Aufmerksamkeit, regelmäßige Tierarztbesuche. Eventuell musst du Hilfe organisieren für Urlaub oder Krankheit.
Emotionale Unterstützung für dich
Es ist völlig normal, wenn der Alltag mit einer dementen Katze emotional belastend ist. Erlaube dir deine Gefühle. Trauer, Frustration, Erschöpfung sind normal. Du darfst auch mal wütend oder überfordert sein. Suche Unterstützung bei Familie, Freunden oder in Foren.
Selbstfürsorge ist wichtig. Achte auf deinen eigenen Schlaf. Nimm dir Auszeiten. Hole Hilfe, wenn nötig.
Erkenne deine Grenzen. Es kann Situationen geben, in denen Erlösung die liebevollere Option ist. Diese Entscheidung ist nie leicht. Besprich dich mit deinem Tierarzt. Vertraue deinem Gefühl.
Zusammenfassung
Kognitive Dysfunktion ist eine ernste Erkrankung, die viel Geduld, Liebe und Anpassung erfordert. Mit der richtigen Kombination aus medizinischer Behandlung, Ernährung, Umgebungsanpassung und emotionaler Unterstützung kannst du deiner Katze einen würdevollen Lebensabend schenken.
Viele Katzen mit kognitiver Dysfunktion können noch Monate oder sogar Jahre in guter Lebensqualität verbringen, wenn sie liebevolle Unterstützung erhalten. Du bist nicht allein mit dieser Herausforderung. Tierärzte, Tierverhaltenstherapeuten und Online-Communities können helfen.
Deine demente Katze zu begleiten, ist ein Akt der Liebe und Fürsorge. Jeder Tag, den du ihr mit Geduld und Verständnis schenkst, ist ein Geschenk.
